„Dieser Film ist international in Musikerkreisen heftig angegriffen und heftig diskutiert worden. Ich kenne keinen einzige Stimme aus diesem Bereich, die den Film verteidigt oder gar gelobt hätte.“ (Henning Bolte)
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„Nun, mittlerweile kenne ich etliche Stimmen aus der Jazzszene, die diesen Film faszinierend fanden, sich frei machen konnten von einem plumpen 1:1-Realismus der Abbildung jazzpädagogischer Normalzustände. Man erinnere sich an die real existierenden Kommissare, die sich seinerzeit im Ruhrgebiet darüber empörten, Schimanski würde ein verzerrtes Bild des Berufsalltags vermitteln. Selten so gelacht, hallo?! Wer zu dicht verbandelt ist mit einem sozialen Feld, tritt wie ein tumber Lobbyist auf, und könnte sicher in der FDP Karriere machen.
Völlig ungeachtet, was hier kulturell korrekt ist oder nicht: ein ganz fesselnder faszinierender Streifen. „The most immersive film experience since Gravity“, bemerkte die schlaue Filmkritikerin Catherine Shroud im Guardian, und obwohl ich öfter anderer Meinung als Mrs. Shroud bin: ja, das passt, Gravity ist bei mir auch noch mächtig gestiegen in der Achtung, als ich es mit einem guten Soundsystem sah.
Whiplash verwandelte Zeit in einen Flug, und die Kritik mancher Jazzmusiker, Jazzdurchblicker und Jazzpensionäre halte ich für klein und kariert. Für sehr klein, und sehr kariert. Entschuldigung, aber „wütende Debatte“: da nehmen sich ein paar Gesalbte doch zu wichtig. Wütend durfte man werden, als Ken Burns mit Wynton Marsalis nur brunzblödes Geschwätz von sich gaben, was Free Jazz, Sun Ra und den elektrischen Miles betraf.
Aber hier, bei Whiplash … es darf gelacht werden. Da kommt mal grosses Jazzkino daher, grossartig performt, mit klugen roten Fäden, mit der Kunst, auch Jazzfremde anzulocken, dann gibt es „wütende Debatten“, ein Sturm im Wasserglas der Nichtigkeiten…
Aus Deutschland kommt viel zu selten ein Film, der einen aus den Schuhen haut. Von Serien ganz zu schweigen. Ich muss schwer nachdenken, wann ich den letzten grossen deutschen Kinofilm gesehen habe. Ich kann mich nur an den einen oder andern erinnern, der, na ja, ganz gut war … Deutsches Kino ist oft gespreizt, pseudofiefsinnig, kunstverkrampft, formal anstrengend, Stoff für Seminaristen, und, ja, oft genug, der letzte Scheiss. WOLKE 9, dieses besonders gequirlte Problemgewälze, ist ein Prototyp der angestrengten Ernsthaftigkeit, und keinen Deut diesem Feelgoodscheiss „made in deutschen Landen“ überlegen. Dieselben Verklemmungen. Es gibt tatsächlich Ausnahmen, naturgemäss selten.“ (Michael Engelbrecht)