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Archives: TV-Serien 2022

 

Diese herbeigesehnten, immer seltener werdenden Einstiegsmomente: „Hey, was passiert denn jetzt?“ In der ersten Filmeinstellung schon liegt ein vielversprechendes Ganzes verborgen. Man bleibt am Ball, eine Spannung zieht hinein, denn ohne geht es nicht. Selbst die kritische Welt gibt in ihrer Review zu: angesichts der Bilderpracht ist noch der größte Fernseher zu klein. Dem pflichte ich bei, jetzt mittendrin, weit weg von jeglicher Kriegsberichterstattung, hinein in die erotische Erzählung einer Dreierkiste. Verblüffend auch der Soundtrack: Bandoneonklänge, feinste electronic-sounds, Popsongs, italiano – Hochgenuss in den headphones. Angelehnt an Jules und Jim, multiperspektivisch wie The Affair, Zeitebenen-switching. Die Serie Funeral for a Dog macht Lust auf die Romanvorlage, die einst unter dem Titel Bestattung eine Hundes bei Kiepenheuer & Witsch erschien: erinnert sie doch leicht an Milan Kunderas Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, einer der wenigen Romane, die ich mehrmals las. Im Kino unter der Kuppel des Anzeigerhochhauses zu Hannover sah ich die Verfilmung einst gemeinsam mit S, und die temperamentvolle Freundin aus Andalusien war sogleich unsterblich verliebt in Thomas, dargestellt von Daniel Day-Lewis. Der tschechische Arzt liebte zwei Frauen, inmitten der Unruhen des Prager Frühlings (seltsame Parallele zum heutigen Kriegsgeschehen in der Ukraine). Ich selbst konnte mich nicht entscheiden, fand beide gleichsam attraktiv: Juliette Binoche und Lena Olin. Was mir aber auffiel, als ich das Buch dann nochmals las: wieviel von der philosophisch tiefen Reflexion, die jene Dichotomie des Lebens zwischen Schwere und Leichtigkeit betrachtete, in der Verfilmung doch verloren ging. In Funeral for a Dog ist die Hauptdarstellerin eine Finnin, durchaus auch mein Urtyp, nicht unwichtig beim Schauen. Da ist man gerne wieder jung, im ewigen Traumland des Streaming.

 

2022 5 Mrz

Dimmed highlights

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So manches Licht ist, zugegeben, eher dunkel schimmernd in diesen Tagen. Der Pass, in sepiafarbenes noir getaucht, liefert gelungen eine Adaption der schwedisch-dänischen Serie Die Brücke, ist dabei aber in der Erzählung eigenständig. Die Serie spielt im Grenzgebiet von Deutschland zu Östereich. Grosseinstellungen einer fantastischen Bergwelt sind von erlesener Schönheit, für Bild-Ästheten und für Thriller-Fans eine grosse Freude. Nomadland ist ein ruhiger, berührender Film über das Leben, das Sterben, Begegnungen und Wanderschaft. Und das weite Land der Staaten. Succession, ich schrieb bereits darüber, ist meine absolute Nummer Eins, aus guten Gründen. Ein Aspekt mag die Kameraführung sein, die Interaktionen und Dialoge auf eine sehr intime Weise einfängt, als sei man mittendrin. Und wer guckt nicht gerne durchs Schlüsseloch der dekadenten Bourgeousie heimlich beim Leben zu? Mare of Easttown ist ebenfalls sehr sehenswert, mit Kate Winsley in einer ernsten Rolle als sozial kompetente Polizistin. Könnte der Kontrast hier grösser sein zu Anke Engelke? Die kommt sowas von frisch und witzig rüber in der achten Staffel ihrer Show und ist ein echter Ladykracher, verhilft dabei zu Lockerungsübungen in Sachen intelligente Heiterkeit. Nein, ganz ohne Humor geht es nicht, liebe Fernsehgemeinde! Vor einem Overload des Wissens schützen Huxleys Pforten der Wahrnehmung wie jenes Loblied auf den Typus des „Idioten“, das der von mir geschätzte Prosa-Dichter Botho Strauss in seinem Band Lichter des Toren präsentiert, in dem ich immer wieder gerne stöbere. „Klüger ist dümmer“, hier wird es klar. Schon Peter Sloterdijk bemerkte einst im Gespräch mit Hans-Jürgen Heinrichs, viele Geisteswelt-Akademiker hätten sich schon in jungen Jahren „zuschanden gelesen“. Trotz alledem sind Bücher Zufluchtsorte, die uns schützen können. Hinsichtlich des Desasters, das sich gerade abspielt, war die Zeit nun aber reif, um endlich auch Hintergründe zu erfahren: Krieg in Europa – Das Ukraine-Drama gibt einen Einblick in Geschichte und Entwicklung jenes Landes, das zerrissen scheint zwischen Ost und West. Die Dokumentation erzählt auch von den Menschen dort und ihrem kämpferischen Präsidenten, dem vormals polit-komödiantischen Hauptdarsteller einer erfolgreichen Fernsehserie, die manchem Oligarchen nicht gefallen haben dürfte. Wenn man bei all dem dann, um etwas Luft zu schnappen, eine kleine Runde dreht, kommt aus dem Nichts oftmals die Zeile eines gerne gehörten Liedes aus dem Unterbewussten emporgeschnellt. Was wäre an dieser Stelle angebrachter, als eine davon hier zu präsentieren, aus einem Song von James Taylor, mit dem man immer gerne „mitging“. So wie neulich gerade, als man spazierte und sinnierend sich fragend sang:

 

Moving in silent desperation,
Keeping an eye on the Holy Land
A hypothetical destination, say
Who is this walking man?


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