Da ist ein Moment der Stille bevor sich der Wind erhebt, leise aus dem Urgrund aufsteigt und die Saiten kratzend und ziehend sanft durch die Haare fährt, den Schädel mit einem Hauch infiltriert und sich unaufhaltsam durch aufleuchtende Nervenbahnen in die Tiefen des Unterbewusstseins hinabsenkt und den Eros der Windklänge zu inspirieren, zu erregen. Der milde Westwind, Zephyr ist in der griechischen Mythologie der Vater von Eros, hauchte diesem durch den Regenbogen ziehend das Leben ein und gab ihm die Erfahrung seines weiten Weges mit, wie seine Mutter, Iris ihm die Welt der unendlichen Farbnuancen schenkte. Und aus der Stille steigt ein feiner Wunsch auf, Wish, der sich zu Charm, dem Zauber verdichtet. Ein hölzernes Klopfen fängt an zu grooven und auf feine Violinentöne folgen elektronisch verzerrte, schwere Celloklänge, schichten sich subtil in Klangfarben, die Bekanntes versprechen, verführen und schon findet man sich in unbekannter Umgebung wieder.
Zephyr ist das Debütalbum von Toechter, drei jungen, klassisch ausgebildeten Streicherinnen, die mit erfrischender Experimentierfreude ihre Instrumente elektronisch verfremden, samplen, loopen und gelegentlich mit ihren Stimmen ätherische Nuancen hinzufügen. Alles auf diesem Album ist akustischen Ursprungs, entfernt sich aber mit sensiblem Ausloten der jeweiligen Klangideen fast beliebig von seiner Quelle, weswegen das elektronische Equipment von den Musikerinnen auch als ihr viertes Instrument beschrieben wird. Da sind kleine, improvisierte fragmentarische Entwürfe genauso intensiv und pointiert, wie die mehr auskomponierten Stücke, wie dem Titelstück Zephyr, alle aber getragen von der unbändigen Neugier das mögliche Klangspektrum so weit es geht zu ergründen. In diesem höchst originellen Album scheint es nur gelegentlich vertraute Klänge zu geben, aber nur um den Hörer wieder in Unerhörtes mitzunehmen und dabei so selbstverständlich zu spielen, dass das Experimentelle am Ende doch vertraut erscheint und selbst die tiefsten Ebenen unseres Belohnungssystems sanft und irritierend zugleich von den westlichen Winden umweht werden. Bleibt nur zu hoffen, das wir von den Toechtern noch viel mehr zu hören bekommen …