„Keigo Higashino’s Journey Under the Midnight Sun is a subversive treasure. One reviewer dubbed him the Japanese Stieg Larsson, and he definitely deserves to be ranked with the titans of the crime genre. And even more so: if David Foster Wallace had written a thriller, it would probably read something like a novel by Keigo Higashino. Compulsion, games, systems within systems, cultural bewitchment, politics: these two writers would have had a lot to discuss.“
(MTFP HQ)
Irgendwann stand der Philosoph, der auch Kriminalliteratur rezensiert, auf, blickte in die Runde, und sagte, Glut und Asche von James Lee Burke sei einer der zwanzig besten Kriminalromane, die er je gelesen habe. Der Amerikaner ist ein grossartiger Schriftsteller, keine Frage, und jeder, der ihn liest, wird seinen „Liebling-Burke“ haben. Oder mehrere. Was überragende Bücher des Genres angeht, geht kein Weg an Die Tage der Toten von Don Winslow vorbei, oder an Stig Larssons Trilogie. Es gibt private Lieblingsthriller, die hierzulande kaum wahrgenommen werden, wie The Long And Far Away Gone von Lou Berney, oder Endangered von C. J. Box, und es gibt jene raren Meisterwerke, die einen dunklen Sog entfalten, alle Genredefinitionen vergessen machen, zugleich Gesellschaftsroman, Psychothriller, Zeitreisen und sonstwas sind – Unter der Mitternachtssonne von Keigo Higashino gehört sicher in diesen letzten Kreis episch-mäandernder „Schmöker“, in den man sich auf wundersame Weise verlieren kann. Ich würde diesen Weltklasseroman allein deshalb keinem der anderen erwähnten Bücher vorziehen, aber eine Sonderstellung hat dieses Opus schon, was das Verschwimmen der literarischen Zonen angeht (als literarischer Urvater ist es viel näher an Dostojewski als an Twain dran). Auch was die Namen angeht. Jeder, der mal den wilden alten Russen gelesen hat, weiss, dass einem Mitteleuropäer bei den Namen ein regelrechter Schwindel (incl. Namensgedächtnisverluste) erfassen kann, und das ist bei diesen japanischen Protagonisten kaum anders. Es gibt gleich eine ganze Heerschar, und gute Gründe, sich beim Lesen ein kleines Namensverzeichnis anzulegen, mit kurzen Stichwörtern zu den handelnden Personen. Es funktioniert aber auch ohne eine akribische Notizsammlung: jede Figur wird unverkennbar eingefangen in ihrer ganz eigenen Art, das Lebens zu meistern, oder an ihm zu scheitern (das letzere ist der Normalfall), und so werden die Klänge der anfangs exotischen, kaum erinnerbaren, Namen wie wiederkehrende Motive einer Symphonie von Großstadtstimmen wahrgenommen, die ihre einsamen Totentänze unter der Mitternachtssonne aufführen. In seltsamer Schwerelosigkeit. Was für ein Buch! Und, wenn ich noch eine weitere Allerweltsaussage hinzufügen darf: es ist unendlich spannend – und einer der zehn besten „Kriminalromane“, die ich je gelesen habe.