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Archives: The New Quartet

Es ist verblüffend, an was du dich alles erinnern kannst, wenn dir ein Album aus alter Zeit begegnet. B & B Wojirsch gehörten zu den frühen Cover-Design-Gestaltern bei ECM, und schon damals berührte mich auf Anhieb die eher sachliche „Verpackung“ dieses Albums. Name und Titel ganz nach oben transportiert, und so viel silberner (Farb-)Raum darunter. Synästhesien sind mir ausserhalb von Träumen fremd, aber etwas Silbriges assoziiere ich mit dem virtuosen Vibraphon-Spiel des Herrn der vier Schlegel (seltsam genug) – eine Art Flirren, ein freies Flottieren, das durch den Raum schwebt und geistert.

 

 

 

 

Ich würde Manfred Eicher gerne mal fragen, was er noch von diesen zwei Märztagen des Jahres 1973 in den fernen Aengus-Studios in Massachusetts erinnert, denn mir scheint, so neu das Quartett auch war, so neu der Lebensraum von Gary Burton nach seinem Umzug nach Boston, so neu der Produzent an seiner Seite – alles, was du hier hörst, ist von frappierender Leichtigkeit.  Als hätte es nie grosse Fragen oder kleine Probleme gegeben – und „laissez-faire“ und „loslassen“ als einzige Devise!  Selbst da, wo das Quartett dicht und ereignisreich agiert, schafft sich enorme Luftigkeit Platz. Alles beginnt mit einem Stück aus der Feder von Chick Corea: „Open your eyes, you can fly“, und  dieser Titel ist Programm!

Da sind die Finessen des jungen Mick Goodrick, der den Fallen typischer Muster entkommt, mit jedem Solo eine kleine neue Welt kreiert. Abraham Laboriel ist ein „Teufelskerl“ am elektrischen Bass (und könnte mit dem Sound und seinen durchweg gruppendienlichen Soli allein die Titelgeschichte eines Bass-Magazins füllen). Und angesichts der Sprunghaftigkeit der Vita des famosen Drummers Harry Blazer überrascht die Kurzlebigkeit dieser Gruppe kaum. In einem Amalgam von Psychedelik, Jazzrock, Postbop, Traumstoff, Ohrwurmgefahr sowie reinen Atmosphären entsteht nichts weniger als perfekte Quartettmusik. Wer seinen Ohren nicht traut, beginnt die Reise einfach von Neuem.

 

 

Ich habe mich dann im Vorfeld allerdings schon gefragt, wieso Manfred Eicher ausgerechnet dieses Album von Gary Burton ausgewählt hat, und nicht eines der anderen Alben des Vibraphonisten aus den wilden Siebzigern. Etwa „Crystal Silence“. Oder „Hotel Hello“. Oder (viele kennen es nicht) „Matchbook“. Oder oder. Alben, die also von der Duo-Konstellation betrachtet, formell gewagter waren. Chick kam die Idee eines Duos mit Gary eher abwegig vor und musste von Manfred überzeugt, vielleicht gar überredet werden. (Der kommerzielle Erfolg verwunderte alle!) Und da waren noch die Arbeiten mit Eberhard Weber in der Gruppe. Oder die Sache mit dem Streichensemble.

1973, im Jahr meines Abiturs, kaufte ich mir „The New Quartet“, und es war die erste ECM-Band überhaupt, die ich damals live sah, in einer grossen Aula in Unna. Wir sassen recht weit hinten, links von der Mitte, rechts neben mir Christoph Sondern, links das schönste Mädel von Dortmund-Körne, Ulrike Ullmann, sie duftete zauberhaft, ohne jedes Parfum. Sei es drum. In der Erinnerung hat sich „The New Quartet“ als sehr lebendiges und nicht unbedingt bahnbrechendes Werk eingerichtet, zu dem ich, ohne diese Neuausgabe, kaum je zurückgekehrt wäre. It has had its time, dachte ich mir. Beim Wiederhören erlebte ich nun eine dezente Überraschung, nicht leicht in Worte zu fassen.

Die Erinnerung trog zwar nicht, die acht Kompositionen sind und bleiben sehr lebendig und keineswegs bahnbrechend, aber, grosse Frage, wieso versenke ich mich nun wieder und wieder und wieder in die Musik? Um nicht allzu grossen Blödsinn zu erzählen, hätte auch ein einziger Durchlauf gereicht. Legt der Titel eine Spur? Ich telefonierte vor zwei Stunden mit Jo, und wir suchten gerade nach dem „Flow des Tages“, spielten diverse Ideen durch. Meinen Flow (ich nenne ihn mal spielerisch, und weil es ein besonderer Flow ist, FlowFlow) habe ich gefunden. Übrigens, die drei Platten oberhalb des Drehers, alles Fünf-Sterne-Platten! 

 


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