Manafonistas

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Archives: Sylvian

MANAFON ist ein zärtliches Ungetüm, eines der wenigen Meisterwerke des jungen Jahr-tausends. DIED IN THE WOOL – THE MANAFON VARIATIONS spinnt all die Fäden fort,     die sich da anbahnten, öffnet Räume, schliesst Fenster, lässt die alten Gesänge seitwärts treiben, schiebt neue Songs hinterher. Wer vor MANAFON flüchtete, wird sich auch hier in Sicherheit bringen wollen. Was passiert hier alles mit dem Originalstoff: mal verschwindet die ganze Kulisse der frei improvisierte Gespinste, und wird durch den streng modernen Duktus eines japanischen Komponisten ersetzt, mal werden diese detailfreudigen Sound-forschungen des Ursprungsalbums subtil variiert. Das Amalgam funktioniert immer und nimmt gefangen: ob Arve Henriksens Trompete nordisch uncool die Vertonung eines Gedichts von Emily Dickinson anreichert, ob Samples aus einem Konzert von Skuli Sverisson (Kristiansand 2010) momentlang einen tonalen Untergrund bauen, wo sonst harmoniefreie Klangpartikel ins Offene entschweben, ob die Melange von Ambient Music und Song Sylvian zu einer zauberischen Ballade antreibt, die den Samen für ein ganzes Werk bilden könnte (I SHOULD NOT DARE): was durchweg verblüfft, ist die Natürlichkeit, mit der hier Neue Kammermusik, Electrionica, Sampling sogenannter Pop- und Klangspuren von manch anderen Welten eins werden. Geradzu lässig, als ginge all das Unerhörte und Dunkle leicht von der Hand.

2011 5 Mai

Der Alchemist

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Dieser gute Titel eines Bestsellers mit dürftigem Inhalt von Paulo Coelho könnte auch den Musiker David Sylvian treffend bezeichnen. Alles, was Letzterer an Mischpults, Keyboards, Saiten zwischen die Finger kriegt, um damit seinen halbgotthaften Gesang zu inszenieren – all das ist schon deshalb interessanter als das erstklassige, geschmackvolle Klangambiente von Arve Hendriksen, Jan Bang, Jon Hassell und Anderen: weil eine erzählende Gesangs-stimme durch die Landschaft führt.

Sylvian gibt den edlen Sounds Geschichten und Persona hinzu. Von solcher Qualität,
dass die Creme der Jazzer und Avantgardisten am Hofe stets zu Diensten standen. Überliefert ist die Geschichte, dass kein Geringerer als Robert Fripp sich freute, vom Meister ins Studio geladen zu werden – dann aber letztendlich auf dem darauffolgenden Album gar nicht erschien. So kann´s kommen, wenn der Alchemist einige Zutaten streicht und andere hinzufügt. Mist, Robert.

Nevertheless, something is missing in his music, despite all merits: there´s a lack of drive, momentum in it. It sometimes sounds a little sleepy and restrained. It´s not really
rockin´, hardly swinging and brasilian bossas are completely absent. And thats ok,
cause you won´t go to the butcher´s to buy bread – and this songs were never
made for dancing. (i guess)

Seltsam bleibt auch die Überhöhung, die manchem Künstler und seinen Werken zukommt:
so fragte ich einst im Plattenladen nach „Ember Glance – The Permanence of Memory“
(mit Russell Mills), von merkwürdigen Sehnsüchten getrieben. Der Verkäufer schaute im Katalog nach: „Ei, was ist denn das für´n morbides Machwerk – ja, kann ich bestellen.“   Ich ließ es dann doch bleiben.

Im Gegensatz zu Paulo Coelho hat Sylvian aber weit Besseres produziert als nur
morbides Machwerk oder esoterisch trüben Trost – und Jedermann, der (alten) Göttern gegenüber abtrünnig wird, ist mir sowieso sympathisch. But be cautious: its Alchemy –
the permanence of ambivalence!

Ich genieße meinen Tag,
meinen Platz in der Sonne;
werde wachsen, dem zu ähneln,
der ich geworden bin.

Es wird Gelegenheit zur Reflektion geben,
wenn ich diese Ebene erreicht habe –
wenn der Krieg gewonnen ist,
und man nicht weitergehen muß.

Und ich fürchte, dass Alles reicht nicht aus …

Ich habe Glück gehabt.
Ich schwörte, zu genießen,
was ich mir selbst versprochen hatte,
als ich noch ein Junge war –

als ich ein Junge war
und die Dinge zu langsam voran gingen.
Universen schwirrten umher,
Dinge, von denen ich keine Ahnung hatte.

Als ich ein Junge war
und Fehler machte,
da wurde ich erniedrigt
bis ich meinen Platz kannte.

Und ich fürchte, das Alles reicht nicht aus …

Ignoranz ist verletztend,
Ungerechtigkeit putscht auf.
Ich erinnere mich an die Gefühle,
vergass aber ihre Namen.

Als ich ein Junge war,
durchschaute ich ihre Lügen
und ich schwörte, nicht das zu werden,
was ich verachtete.

Aber die Ereignisse überollen dich,
während du Ausschau hältst
nach größeren Spielen,
auf größere Höhen.

Gott segne die Amnesie
und das, was ich verdrängte.
Ich kann das Bild neu rahmen –
den Rest kann ich verwerfen.

Eine Geschichte voller Lücken,
mit den Teilen, die nicht passen;
mit der Story, die du dir erzählst
und deinem Platz im Ganzen.

Und ich fürchte, das Alles reicht nicht aus …

Also mache eine gute Miene,
zieh´ den Knoten enger!
Sage, was du denkst,
gib zu den Lügen Wahrheit.

Und ich fürchte, das Alles reicht nicht aus …


David Sylvian: „A History Of Holes“

aus dem Album SNOW BORNE SORROW (Nine Horses)

Übersetzung aus dem Englischen
von Jochen Siemer

2011 30 Apr

Nine Horses: Snow Borne Sorrow

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David Sylvian hat genau zwei perfekte Platten in seiner Post-Japan-Ära gemacht: Brilliant Trees und Secrets of the Beehive, beide bedeutend (seit „blemish“ sind die würfel neu gefallen). Ausgerechnet mit Snow Borne Sorrow nun tat ich mich Anfangs schwer. Es erschien mir zu perfekt und zu kalt abgemischt. Ich ließ es ganze vier Jahre lang links liegen, ohne es mir überhaupt richtig anzuhören. Dann aber stellte sich heraus, dass weder von Anderen noch von ihm selbst Adäquates nachkam und so widmete ich mich spät dann doch noch diesem Werk. Es kam, wie´s kommen musste: ich fand es plötzlich gut! Der Song „A History Of Holes“ bietet eine abgeklärte, aufgeräumte Rückschau auf ein bislang gelebtes Leben. „Atom And Cell“ führt mit seinem notorischen, minimalistischen Dreivierteltakt mitten hinein in die Materie. „Darkest Birds“ kann als Hommage gelten an alle Kreaturen, die sich in semi-depressiven Schattenregionen einrichten (müssen). Ihnen wäre mehr „Serotonin“ zu wünschen. Das Titelstück „Snow Borne Sorrow“ bietet diese experimentelle Vertracktheit, die Sylvians Kompositions- und Arrangierkunst deutlich von Seinesgleichen unterscheidet. Und zu guter letzt „The Day The Earth Stole Heaven“,  einer meiner  Favorite-Sylvian-Popsongs, nahezu pefekt (just a little sagging at „if you look at her sideways“). Die Riege der Musiker, die dem Meister des sophisticated-upperclass-songwriting hier zur Seite stehen, darf keinesfalls verschwiegen werden: allen voran Bruder Steve Jansen, dessen Drum-Kunst und Einfluß auf das sylvianische Gesamtkunstwerk nicht genug herausgehoben werden kann; Burnt Friedman; Keith Lowe, dessen satter Kontrabass an Danny Thompson erinnert; Stina Nordenstam; Ryuichi Sakamoto und Arve Hendriksen, um die wohl Wichtigsten zu nennen. Ja, dieses Album lässt sich heutzutage immer noch gut anhören und man kann nur hoffen, dass die neun Pferde erneut von der Koppel gelassen werden – someday, somehow.  


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