Z. lebte in einem Zelt im tiefsten Wald, nicht weit vom Flughafen entfernt, der an guten Tagen seine Lebensader war, wenn er nicht von einem Obrigkeitsvertreter verscheucht wurde. Meist trug er eine große verspiegelte Sonnenbrille, die er nur äußerst selten absetzte, meist wenn er einen der seltenen Momente hatte in denen er den Kontakt zu seinen Mitmenschen suchte. Er lebte abgeschieden in seiner eigenen Welt und leise vor sich hin murmelnd, seltener einmal klagend oder gar schimpfend. So kreuzten sich unsere Wege an einem seltsamen Ort, einem Gebäude dessen endlos lange Gänge fast labyrinthartig ins Leere liefen. Er war nicht sehr gesprächig, hatte dicke Kopfhörer auf und eine tief ins Gesicht gezogene Schirmmütze, die er Schirmmütze hieß, weil sie ihn vom Rest der Welt abschirmen konnte. Manchmal mochte er sprechen, meist langsam und etwas unsicher, wenn er von seinen Gesprächen mit den kleinen Vögeln im Wald, die er liebevoll fütterte sprach und ganz leise und geheimnisvoll, als er bekannte fast einmal eine Maus, die in sein Zelt eingedrungen war mit einer gußeisernen Pfanne erschlagen zu haben. Die Maus aber schaute ihn tief an, erkannte ihn und so entspann sich ein eigenwilliger Dialog zwischen ihnen, fremd den Menschen, die in bedeutungslastigen Begriffen die Welt erleben und voll absurder Schönheit für die, die die Freiheit des Augenblicks hörend erfahren können. Meist verbrachte er seine Zeit aber in einer Schlafwandlerexistenz und sein Zelt stand auf einem Ort, der das Gegenstück zu der hintersten Ecke eines vorzeitigen Friedhofes, an dem die Aufschriften auf den verbliebenen Grabsteinen schon lange nicht mehr lesbar waren, darstellte. Dort lebt der Protagonist der kleinen Geschichte von Peter Handke, die er „noch keinem Menschen erzählt hat“, einer Dämonengeschichte, aber weniger einer, die von Besessenheit als von Welt- und Selbstverlorenheit berichtet.
Wie das: Wir endgültig Durchgedrehten von einem öffentlichen Interesse? Ja: in dem Sinn daß wir, ohne uns dessen bewußt zu sein (wie denn auch?), der übrigen Bevölkerung als Spiegel dienten. Spiegel wovon? Spiegel des eigenen gefährdeten Inneren: „So bin ich insgeheim auch, und ebenso könnte es, morgen früh oder schon heute nacht, von einem Moment zum anderen aus mir herausschreien, und dann so weiterschreien, -kreischen, -toben ohne Ende.“ Aber derart gefährdet ist, nicht wahr, höchstens eine kleine Minderheit und keinesfalls die gesamte Bevölkerung? – Doch: die Bevölkerung, die ganze! – Und was war deren Interesse, sich von uns Besessenen gespiegelt zu sehen? – Sich so gespiegelt zu sehen, konnte, wenn nicht heilen, so doch, für den Augenblick, zurechtrücken, wie auch die Dinge einen selber, die Form und die Formen wahren, insbesondere hier draußen vor all den anderen, und zwar im, wie gesagt, Interesse der Öffentlichkeit!
Das Schreckliche ist ja nicht die Finsternis, vielmehr das viele Licht drinnen in mir, und um mich herum. Wie böse ist es, dieses Licht. Eingekerkert bin ich in es … Lichtumzingelt allerwärts, bis hinein in die letzten Seelenwinkel … Hilfloser, ich Hilfloser!
Von dem Anblick eines bislang Fremden, diskret, selbstlos teilnehmend und freundschaftlich wird er aus seiner Zeit des luziden Wahns herausgerissen, der Dämon weicht und er kann seine Reise weg von den alten Räumen für einen Tag in eine Welt des Namenlosen, des Unbenannten mit dem Gefühl von Erleichterung und Befreiung begehen. In fast skizzenhaften Fragmenten durchstreift der namenlose Protagonist seinen neuen Tag, begegnet Trug und Täuschung und weiß sie aber mit skurrilem Regelwerk als vorgeschobener Handlungsanleitung zu bannen, findet Freude an den Hindernissen und erschließt sich das Zentrum einer fiktiven – und doch so realen – fremden Stadt. In diesen Momenten setzte auch Z. seine verspiegelte Sonnenbrille und die Schirmmütze ab, sah mir lachend in die Augen und pointierte den Augenblick mit einem kleinen Vers (wie auch der Protagonist die Sprüche und Reime der Anderen wiedergibt), mitunter auch von Ringelnatz oder Karl Valentin. Da war er ganz anwesend, einfach hier. Eine kleine Initiation, deren reduktionistische und wunderbar beobachtend-teilnehmende Betrachtungsweise dem wertenden Geist einen der Plätze jenseits des wahren Erlebens zuweisen. Mein Tag in einem anderen Land.