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Archives: Molde Jazzfestival

 

 
 
 
Es gab natürlich eine Menge mehr Musik(er) zu sehen als die, die bisher im Blick- und Hörfeld waren. Bekanntes, Grosses, Populäres, Neues. Charles Lloyd spielte, Manu Katché, Tim Berne Snakeoil, Marcus Miller, Bryan Ferry, John Legend, Kendrick Lamar, Take Five, Susanne Sundfør. Für alle was, gut dosiert. Hier noch der Blick auf weitere Konzerte:
 
Jason Moran’s In My Mind
PNLU – Paul Nilssen-Love Large Unit
Maria Kannegaard Ensemble
European Sunrise – Take 5 Europe
Trondheim Jazzorkester
Trondheim Voices
Obara International Quartet
Bushman’s Revenge
Phronesis
Splashgirl
Hedvig Mollestad Trio
Anja Eline Skybakmoen
Angelika Niescier Trio
 
Norweger und Skandinavier in all diesen Gruppen. Einzige Ausnahme: das Trio von Niescier. So war es aber wohl von Anfang an auf diesem zweitältesten der europäischen Jazzfestivals. Vor fünfzig Jahren also.
 
Blick zurück

Die Besetzungslisten aus der Anfangszeit sprechen eine deutliche Sprache. Es wurde an verschiedenen Tagen in verschiedenen Besetzungen gespielt. Die Musiker wohnten in der Zeit zum Teil bei Einheimischen zuhause und man konnte auf der Strasse dann eben Dexter Gordon oder Jaki Byard begegnen. Letzteres änderte sich zwar im Laufe der Jahre, aber es herrscht immer noch eine ziemlich offene Atmosphäre dort.
1963 (Kino): Dexter Gordon, tenorsaksofon, Einar Iversen, piano, Erik Amundsen, bass, Jon Christensen, trommer. Christensen, der damals gerade 20 Jahre alt war, spielte in so gut wie allen auftretenden Gruppen! Jams fanden im Alexandra statt.
 
 
 

 
 
 
Eine der Jams im Jahr drauf, 1964: Jimmy Witherspoon, Big Chief Jazz Band, Jan Garbarek, Ditlef Eckhoff, Sture Janson, Tete Montoliu, Alex Riel. Garbarek war damals mal gerade 17 Jahre alt! HIER ein Video von Dexter Gordons Auftreten auf dem Molde Jazzfestival von 1964.

1964 war das Jahr, in dem Eric Dolphy in Hilversum seine letzte Plattenaufnahme mit Misha Mengelberg, Han Bennink und Jacques Schols machte. Dexter Gordon machte im selben Jahr seine Aufwartung in Holland mit einer französisch-schweizerischen Begleitgruppe bestehend aus Pianist George Gruntz, Bassist Guy Pedersen und Schlagzeuger Daniel Humair.

1965 rückte Garbarek noch mehr mit einer Gruppe ins Rampenlicht: Jan Garbarek, tenorsaksofon, Aage Venas, trumpet, Kenny Drew, piano, Niels-Henning Ørsted Pedersen, bass, Alex Riel, trimmer. Riel war zu dem Zeitpunkt 25 und Ørsted Pedersen 19. 1965 begegneten sich Garbarek und George Russell in Molde zum ersten Mal, was nicht folgenlos blieb.

1966 erlebte dann den Auftritt eines gerade gegründeten, legendären Quartetts: Charles Lloyd, tenorsaksofon /fløyte, Keith Jarrett, piano, Cecil McBee, bass, Jack DeJohnette, trimmer. Bei einem der Jams im Alexandra: Wayne Shorter, Lasse Sjösten, Roman Dylag, Rune Carlsson, Jan Garbarek, Terje Bjørklund, Per Løberg, Jon Christensen, Svein Thorsø, Stein Dyrkorn, Torbjørn Farstad, Gunnar Bergström. Oder ein paar Tage später: Stuff Smith, Charles Lloyd, Don Byas.
 
 
 

 
 
 
In diesem Jahr trat bereits ein erstes Jan Garbarek Quartett auf: Jan Garbarek, tenorsaksofon, Terje Bjørklund, piano, Per Løberg, bass, Jon Christensen, trommer. Garbarek war gerade mal 19. Das Eröffnungskonzert in dem Jahre: Wayne Shorter. Und die Besetzung: Wayne Shorter, tenorsaksofon Lasse Sjösten, piano, Roman Dylag, bass, Rune Carlsson, trommer.
 
Dieses Jahr

Aber zurück zur jüngsten Vergangenheit. In Jason Morans In My Mind spielte Morans Bandwagon dieses Programm in Erinnerung an Monks berühmtes Townhall-Konzert von 1959 zusammen mit norwegischen Musikern: Kåre Nymark (Trompete), Kristoffer Kompen (Posaune), Daniel Herskedal (Tuba), Atle Nymo (Saxophon), Frode Nymo (Altsax) und David Demedolg als Videograph. Hohes Niveau und alles noch relativ unbekannte, aber äusserst kompetente und selbstbewusste Musiker. Ausser Tubaist Daniel Herskedal, der sich bereits international einen Namen gemacht hat.

Das Trondheim Jazzorkester hat sich in den letzten Jahren auch international erheblich profiliert und ist inzwischen eine feste europäische Grösse. Es spielte diesmal nicht mit Grössen wie Joshua Redman oder Chick Corea, sondern realisierte ein Auftragswerk des norwegischen Wunderduos Albatrosh (Pianist Eyolf Dale und Saxphonist André Roligheten). Ein gross angelegtes Werk, feinste Sahne kompositorisch und von der Ausführung. Vielleicht etwas zu viel vom Hochfeinen.
 
 
 

 
 
 
Der vokalen Abteilung, den Trondheim Voices, fiel dieses Jahr die Realisierung des traditionellen Frühkonzertes am Samstagmorgen um 7:00 im Reknespark zu. Vor voll besetzter Tribune nutzten die acht Sängerinnen (Live Maria Roggen, Siri Gjære,
Torunn Sævik, Sissel Vera Pettersen, Tone Åse, Heidi Skjerve, Kirsti Huke, Ingrid Lode) nicht nur die Bühne, sondern vor allem auch den Parkraum drumherum phantasiereich mit allen möglichen Accessoires/Instrumenten für ihre Love Letters.

Von den übrigen passen ein paar in die Rockschiene (Bushman’s Revenge, das bereits sein zehnjähriges Bestehen feiern konnte, und das preisgekrönte Trio der messerscharfen Gitarristin Hedvig Mollestad), die Ambientschiene (Splashgirl) und die Popschiene (Anja Eline Skybakmoen Band). Alles in ihrer Art hervorragende Auftritte! Und dann bleibt noch eine Menge Nichtgesehenes: Lemaitre, Karpe Diem, Lidolido, Beady Belle, Lars Vaular&Kjetil Møster, ESP aus Molde selbst.

Phronesis, ein Däne, ein Schwede und ein Britte, ist die Rhythmusgruppe von Norwegens jüngstem Powersaxophonisten Marius Neset. Als eigenständiges Pianotrio kocht es ebenfalls hochdruckmäβig hoch und lässt es kein Gras drüber wachsen. Es setzt in seiner Klasse zweifellos neue Spielstandards. Dicht, schnell, farbenreich. Pianist Neame und Bassist Høiby bilden übrigns auch noch den Kern des bekannten britischen Kairos 4tet.

Paal Nilssen-Love spielt unablässig, intensiv, einfallsreich, mit enormer Dringlichkeit und Unnachgiebigkeit. Wie würde er bei dieser Large Unit die Möglichkeiten von elf Topmusikern nutzen? Eine Truppe mit zwei Schlagzeugern, zwei Bassisten, einem Gitarristen und dem Rest Bläser plus noch Brachialelektroniker Lasse Marhaug. Auch er hatte -genauso wie Stian Westerhus die Möglichkeit, sich im tiefen Wald von Sjøbygda vorzubereiten.
 
 
 

 
 
 
Hier wurde natürlich nicht ziseliert oder geschwadet. Es hatte die übliche geballte Energie , die aber mit grösster Klarheit einherging. They really nailed it, eine neue, ganz eigene Qualität in diesem Bereich! Einschliesslich der Rollenverteilung zwischen den beiden Schlagzeugern. Eine Gruppe mit Musik, die wir brauchen!
 
 
 

 
 
 
Vielleicht die grösste Überraschung: das Ensemble der Pianistin Maria Kannegaard mit einer Traumbesetzung: Ståle Storløkken (Synthesizer), Ola Kvernberg (Violine), Per Jørgensen (Trompete), Ole Morten Vågan (bass) und Thomas Strønen (Schlagzeug). Zu Beginn liess sich bei den repetitiven Figuren noch kaum erahnen, welche Brenn- und Schubkraft diese entwickeln würden. Mit enormer melodischer Energie geladen, die nach und nach frei kam, sich in Bahnen ergoss und immer wieder auf den Siedepunkt zustrebte. Intensiv, einzigartig. Melodic orbits, melodic outbursts. In aufgenommener Form gibt es sie noch nicht, diese bemerkenswerte Musik.

Dann Take Five Europe unter dem Nenner European Sunrise. Es ist schon aussergewöhnlich, wie diese Truppe in Molde spielte. Take Five Europe ist ein von der EU finanziertes einjähriges Coachingsprogramm (geschäftlich und künstlerisch) für bereits avancierte junge Musiker, an der Festivals und Musiker aus fünf eropäischen Ländern beteiligt sind (Grossbritannien (federführend), Frankeich, Niederlande, Norwegen, Polen). In jedem Land werden zwei Musiker ausgewählt und so entsteht jedes
 
 
 

 
 
 
Mal eine bunt zusammengewürfelte europäische Truppe: pianist Marsin Masecki, die Klarinettisten Arun Gosh und David Kweksilber, die Trompetterin Airelle Besson, der bereits eher erwähnte Tubaist Daniel Herskedal, der Gitarrist Chris Sharkey, Schlagzeuger Marcos Baggiani, Bassist Per Zanussi, Trompeter Pjotr Damasiewicz und Saxophonist Guillaume Perret. In diesem Jahr funktionierten Wille, Chemie und Gelingen aussergewöhnlich gut. Ich hatte die Gruppe bei ihrem ersten Auftritt im April beim Banlieue Bleue Festival im Pariser Le Dynamo spielen sehen und das war bereits beeindruckend.

Hier in Molde hatte die Gruppe eine Qualität erreicht, die für zusammengewürfelte Ensembles eher selten ist. Die Mitglieder gaben einander Raum und verstärkten sich wie selbstverständlich in ihren Könnensgebieten und kreieten eine derartig originelle Musik wie man sie gerne mehr hören möchte! Das Ganze mit Nino Rota und Frederico Fellini als heimlichen Gästen. Fazit: terrific musical waves these eight musicians evoked. Lively, present, enjoyable. If Europe works like this, we don’t have to worry!
 
 
 

 
 
 
Ein regelrechter Shock war dann das Konzert von Obara International, ein Quartett, das aus 3 Teilnehmern des letztjährigen Take Five Europe besteht: dem polnischen Altsaxofonisten Maicej Obara, dem norwegischen Bassisten Ole Morten Vågan und dem norwegischen Schlagzeuger Gard Nilssen plus dem polnischen Pianisten Dominik Wania. Alles, was man davon erwarten konnte, wurde übertroffen. Vor allem das Energieniveau, die Bewegungskraft und der Spielfluss waren nicht von schlechten Eltern. Zu hören auch auf dem ersten Album der Gruppe mit sechs langen live-Stücken von Komeda – auch ein deutliches Commitment (Obara International – Komeda (Fortune)).
 

alle Photos © FoBo–Henning Bolte, ausser Dexter Gordon, Jan Garbarek Group


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