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Archives: Metamusik-Festival

 

 
 
 
Katalog Metamusik-Festival Berlin, 1974 & 1976
 
 
A lost treasure, truly, denn bei einem Gang über die Marktplätze des Internets werde ich nicht fündig. Hinter einer verriegelten Tür – in Heidelberg – könnte man einen Blick darauf werfen.

Gut, dass das Buch schon eine Zeit lang in meinem Bücherschrank steht, ist es doch ein rares Dokument, in dem ab und an zu blättern und zu lesen sich lohnt. Walter Bachauer war Initiator dieses Festivals.

 

Metamusik

 

Nein, der Begriff ist keine Etikette für eine neue Schublade im musikalischen Sortiment der Zeit. Metamusik ist das genaue Gegenteil von Genre-Begrenzung, das „Meta-“ steht für „Über-„griff, für ein kasten-und kästchenloses Musikbewußtsein, dem die „Querlinien über der Weltmusik“ wichtig geworden sind. Als Titel über eine Serie von Konzerten bedeutet Metamusik nicht weniger als ein Programmkonzept, das thematischen Variationen unterliegt. 1974 war es der Einfluß Asiens auf Euroamerika, manifestiert in Meditationsklängen und mantrischen Melodieformeln, 1976 ist es die musikalische Kraft, die auf der Kehrseite des Meditativen wirkt, der geschlagene Rhythmus, die Percussion.

 

Walter Bachauer in: Metamusik-Festival 1 und 2, Berlin 1974 und 1976

 
 


 
 
 
1974 – Terry Riley / Tibetische Mönche des Gyuto-Klosters
 
 
 

 
 
1974, 15. Okt. – Steve Reich and Musicians
 
 
 

 
 
 
1976, 8. Okt. – Steve Reich “Music for 18 Musicians” (Europ. Erstaufführung)
 
 
Wie kommt es, dass Tibetische Mönche in Europa auftreten?
 

Die Fahrt beginnt in Pathankot, einer staubigen Stadt noch in der Ebene. Der bunt bemalte Bus, unterteilt von harten Holzbänken, windet sich im ersten Gang durch die Vorberge des Himalaya. Manchmal hält er an einem Wasserrohr, das aus dem Felsen ragt. Man sieht die Straße ganz hoch oben in einer Wand und kann sich nicht vorstellen, jemals dort anzulangen. Wenn Kurven auf künstlichen Trassen aus dem Berg hängen, sieht man, daß die Stützmauern, längst verwittert wie der Stein rundum, nur noch eine begrenzte Zahl bunter Busse verkraften werden. Daß sie diesen noch passieren lassen, indische Denkart wird daran nicht zweifeln. Nach acht Stunden kommen wir in Daramsala an. Es sind zwei Orte. Am Fuß des Berges wohnen Inder, auf dem Gipfelplateau Tibeter. Unten Hindus und Moslems, oben Buddhisten. Auf dem zentralen Platz von Upper Darashala drehen sich jede Stunde des Tages die bronzenen Gebetsmühlen mit der Prägung OM MANI PADME HUM. Jeder, der vorbeikommt, versetzt einen der Metallzylinder in Drehung. Hier residiert der Dalai Lama, weltliches und geistliches Oberhaupt aller emigrierten Tibeter, auf einem vorgeschobenen Hügel, außerhalb der Siedlung. Im Hotel Kailash, dem einzigen hier, miete ich ein Zimmer. Es ist von anderen Zimmern durch Bretter mit großen Fugen getrennt. Man wirft sich gutnachbarliche Blicke zu. Eine Woche warte ich auf die Audienz beim Dalai Lama. Ich will ihn bitten, Mönche des Gyuto-Klosters nach Europa reisen zu lassen und ihre esoterischen wie geheimen Rezitationen fremden Ohren preiszugeben. Der Dalai Lama entscheidet zu Gunsten der Reise und entläßt mich mit einem weißen Schal, der dem Bittsteller Segen verspricht. Das Gyuto-Kloster liegt in einem anderen Himalaya-Tal, nur auf dem Umweg über die Ebene zu erreichen. Oben in Dalhousie stehen Hotels im viktorianischen Stil, gebaut von Engländern, die das Wüstenklima der Gangesebene nicht ertrugen. Doch das Gyuto-Kloster bleibt unauffindbar in dieser Siedlung auf sieben verschiedenen Hügeln, deren Flanken in steile Täler führen.
„Die Klöster liegen höher in den Bergen, aber wir wissen so gut wie nichts über ihre Bewohner“, erzählt ein Inder, der sich ausnahmsweise zu einer Auskunft herabläßt. Der Weg führt in dichte Wälder. Wenn sich die Bäume lichten, sieht man im fernen Violett die schneebedeckten Berge der vorgeschobenen Himalaya-Kette. Ich erkenne das Kloster an kleinen ausgeblichenen Fahnen, die im Winde wehen. Der Abt Tara Tulku und die Ältesten versammeln sich und bewirten mich mit Keksen und gesalzenem Tee, auf dem eine Schicht Butter schwimmt. Die potentielle Reise wird in Klausur beraten. Dieweil reicht mir der Klosterarzt einen großen Karton mit deutschen Medikamenten, die ein Tiroler Chirurg gespendet hat. Ich soll dem tibetischen Mediziner übersetzen, wofür die Pillen taugen. In langen heiteren Debatten verständigen wir uns über die anatomische Lage von Organen, oder vielmehr Begriffen wie „Leber“ oder „Niere“, die die tibetische Heilkunde nicht ganz so exakt definieren will wie die westliche. Mehr als die Hälfte der Präparate sind gegen Blutdruckkrankheiten, an denen Tibeter grundsätzlich nicht leiden. Nach Ende der Klausur fällt Tara Tulku sein Urteil. „Wir sind ein aussterbendes Volk und wollen unsere Lehre weitergeben. In Europa werden wir Freunde gewinnen, auch wenn sie Text und Musik unserer Zeremonien nicht verstehen können. Und überdies schützt uns ihr Unverständnis vor dem Verrat jener wahren esoterischen Geheimnisse, die mit uns vergehen werden.“
 

Walter Bachauer in: Metamusik-Festival 1 und 2, Berlin 1974 und 1976


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