„This is actually not my music. It‘s a combination of different experiences, different cultures and different composers that evolve the music we‘re playing together …“
Schon sehr früh hörte sich Maxwell Sterling durch die Plattensammlung seiner Eltern (nicht unbedingt nur ein Klischee, sondern oft inspirierende Realität vieler jüngerer Musiker) und entdeckt dabei seinen Zugang zum Jazz. In seiner Jugend begann er als Bassist, erst E-Bass, dann Kontrabass und schließlich auch Exkursionen auf dem legendären Octabass, der mit seiner tiefsten Saite Abstiege bis 16 Hz unter die Hörgrenzen des Normalsterblichen ermöglicht. Als Komponist machte er bereits früh von sich zu hören und zog bald nach LA, um dort Filmmusik zu entwickeln. Als Metavision seines Schaffens für Hollywood debütierte er 2016 mit Hollywood Medieval, einem höchst bemerkenswerten, vielschichtigen und musikalisch originellen Album.
Im Auftrag von Nottingham Contemporary komponierte er Musik, die zu einer Ausstellung von Moki Cherry, Penny Slinger und einer Sammlung statischer Musikinstrumente den klanglichen Kontrast liefern sollte und schuf dabei etwas ganz Neues. Eine Art meditativer, psychedelischer und unaufdringlich vor sich hin pulsierender Jazz, der leise zitiert, in Laced auch ein paar Don Cherry-Samples subtil verarbeitet, daneben ein Harpsichord und vogelähnliche Klänge, die über leisen Drones schweben. Ganz langsam und hochkomplex ohne sich damit auch nur einen einzigen Augenblick aufzudrängen und sogartig hypnotische Tiefen ganz beiläufig zu entfalten. Dabei entfaltet jedes der über 10 Minuten langen Stücke eine ganz eigene Trance in den geisterhaften Vexierspielchen aus Hörerfahrungsversatzstücken. So beginnt With Rumour mit an die Endlosschleifen alter Brian Eno-Alben, am ehesten an Discreet Music erinnernde Loops, in die sich ganz nebenbei kleine Geräusche und ein altes Piano einschleichen und jegliche Zeit vergessen machen. Eine verhallte Bassklarinette unduliert in der Nebelhaftigkeit dieses ungemein faszinierenden Postjazz. Dann eröffnet ein leises Klavier (ein bisschen an Michael Nyman’s Decay Music erinnernd) Loud-Speaker, zu dem sich bald ein noch leiserer Subbass und das murmelnde Ziehen von gequälten Streichinstrumenten unirdischen Ursprungs gesellen, die halluzinatorische Möbiusschleifen in hochdimensionalen Räumen verwinden ohne jemals dabei aufdringlich zu werden. Sogar das Bodenlose verliert seine räumliche Orientierung und wird fast unbemerkt ein Teil des psycholytischen Ambientes. Of Truth beginnt mit grummelnden synthethischen Klängen, zu denen sich wie zufällig dazu improvisiert akustische Klangfragmente einfinden, die den Fluß des surrealen Erlebens noch einmal verlangsamen und in dunklere, aber warme Gefilde führen. Selbst bislang ungehörte Klangformen hören sich hier ganz natürlich an, verschachteln sich und entziehen sich fast unbemerkt einer geordneten Musikwahrnehmung, ohne aber der der wohligen Verlorenheit in dieser fein versponnenen Komplexität den Boden zu nehmen. Und nicht zuletzt scheint dieses außerordentliche Album ein Eigenleben zu entwickeln, sich hintergründig zu verändern und bei jedem Hören wieder in neuen Variationen zu präsentieren. Es infiltriert meinen Geist mit den wenigen Klangtupfern, die erforderlich sind, um die große Stille erfahrbar zu machen, gleichzeitig musikalisch zwischen allen Genres sich bewegend. Bislang das bemerkenswerteste Album dieses Jahres, das zudem seit langem endlich wieder einmal eine mandalaartige Handarbeit Moki Cherry’s auf dem Cover ziert.