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2023 16 Okt

Homestory mit Haim

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Ein Film, eine Frau, eine Gegend. Bin ein bisschen verliebt in alle drei. Licorice Pizza heisst der Film mit Kultpotential („Lakritz-Pizza“ ist eine Umschreibung für die Vinylschallplatte). Die brünette junge Lady heisst Alana und man möchte ihr folgen, so wie der 15-jährige dickliche Schuljunge es tut auf einem Schulhof im Fernando Valley, unweit von Hollywood, in den Siebzigern. „Wie alt bist du, zwölf?“ „Geh mit mir essen, wir sind füreinander bestimmt.“ „Ganz gewiss nicht, du bist ein Kind!“ Sie kommt dann doch in die von ihm vorgeschlagene Location, setzt sich am Bartresen neben ihn, den Blick starr nach vorne gerichtet. Ihr Körper explosiv, mit dem Ausdruck Was-um-Himmelswillen-tue-ich-hier-überhaupt. „Starr mich nicht so an, hör auf zu atmen …“. Grinsend, locker und milchgesichtig bestellt er zwei Coke. Befürchte, ich werde mir diese Szene noch zigmal reinziehen, so gut ist das gespielt. Alana kommt mir merkwürdig bekannt vor, ein leichtes deja-vu. Freute mich nach dem Film, den ich in drei abendlichen Etappen auf Amazon Prime genossen hatte, auf die Hintergrund-Recherche, wie so oft. Zunächst hier auf dem Blog, wo er ja schon besprochen wurde, dann im Netz. Wollte alles wissen, dabei kommt es raus: die Attraktive ist Teil einer Band, mit ihren zwei Schwestern, die im Film eine Familie spielen, mit deren leibhaftigen Eltern. Vielleicht wirkt vieles deshalb so frisch, weil es aus dem echten Leben gegriffen ist. Das gesamte persönliche Umfeld der Darsteller und des Regisseurs Paul Thomas Anderson ist involviert: Freunde, Nachbarn, der kalifornische Lokal-Kolorit. Die Band jedenfalls heisst Haim, wie der Nachname der drei jewish siblings. Sie ist gerade mit Taylor Swift auf Welttournee und ein Video der Band auf Youtube verzeichnete mal eben 22 Millionen Klicks. Vor ein paar Jahren entdeckte ich ihren Song „Gasoline“, spielte auf Gitarre mit, weil er mir gefiel. Die Mädchen wirkten very tough. Daher also die Vertrautheit. Tief im Hippocampus war es abgespeichert: im Jahre 2012 haute mich kurz nach Mitternacht in der geliebten Harald Schmidt Show eine Frauenband vom Hocker, mit Alana an den Keyboards und der Gitarre. Den Film Licorice Pizza schaute ich nun nochmals an und von Haim ein paar Videos dazu. Old Sugardaddy auf Nabokovs Spuren? Vielleicht, aber die Musik ist wirklich gut, mit ganz viel Herzblut. Und wenn ich solche Filme sehe, dann bin ich gerne wieder zwanzig.“

 

 

„One of the joys of Licorice Pizza is the way that things just happen – bizarre incidents that seem to go nowhere, elaborate set-ups for punchlines that never come – yet they leave you hooked from start to finish. Anderson depicts ’70s Californian suburbia as the last hurrah of ’60s naivety, and the soundtrack – Taj Mahal, Wings, yet another sublimely counter-intuitive Jonny Greenwood score – adds to the sometimes perplexing magic. It’s a joy, and the sort of film that like a great LP – it’s named after a Californian record store – you’ll want to play over and over.“

(Jonathan Romney)


Am besten den Film sehen, ohne sich vorher „schlau“ zu machen. Wäre eher doof, sich nicht überraschen zu lassen. Und wie leicht könnte man sich verzetteln, im Vorfeld, bei all den Verweisen und Anspielungen. Hintergrundinformationen können das Erleben torpedieren. Wer nur auf den Subtext aus ist, verliert den Thrill aus den Augen. Ein neuer Lieblingsfilm? Viellecht – abwarten auf das zweite und dritte Sehen. Aber – was für ein Sog! Und doch die alte Story: boy meets girl (or woman.) In altem Breitwandformat gedreht, was auch nicht mehr viele Kinos zeigen können,  und eine grossartig verwirbelte Geschichte. Wir sind in den Siebziger Jahren. Im Valley. Und, meine Güte, es ist eine ganz besondere Welt mit vielen Details aus der damaligen Zeit. Eine Inspiration fraglos „American Graffiti“. Und wie hat sich wohl die enorme Menge des Materials auf den Schreibprozess augewirkt? 

 

„Hier geht es definitiv nicht darum, zu schreiben und zu sehen, wohin es einen führt. In diesem Fall habe ich tonnenweise Munition und einzelne Teile, über die ich lange, lange Zeit nachgedacht habe, und ich habe versucht, lange darüber nachzudenken, bevor ich anfing, etwas darüber zu schreiben, was ein ziemlich gesunder Weg sein kann, wenn man die Geduld aufbringen kann. Normalerweise will man an Heiligabend einfach nur seine Geschenke aufreißen. Ich war diszipliniert und habe mit der Niederschrift gewartet, bis ich es mehr oder weniger durchdacht hatte. Der Trick dabei ist, dass man immer noch einen gewissen Spielraum für Entdeckungen haben muss, denn was nützt das sonst? Ich würde mich langweilen. Ich skizziere es nicht wirklich und setze mich hin und schreibe. Ich arbeite aus dem Gedächtnis und in Gedanken. Ich erinnere mich daran, was passieren muss: Ich muss von hier nach hier kommen, es gibt diese Episode, die ich interessant finde. Worauf steuere ich zu?“

(Paul Thomas Andersen)


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