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Archives: Laurie Anderson

Erinnert sich noch jemand an das Zeitalter, als CD-ROMs als die Zukunft der Bildungsvermittlung galten? Als allenthalben von „virtueller Realität“, „digitalen Opern“ und „interaktiven Filmen“ geschwärmt wurde? Die dann allerdings alle miteinander kaum je entstanden, weil niemand so recht wusste, wie man diese neuen Möglichkeiten halbwegs sinnvoll nutzen könnte? Die wenigen Beispiele, die es gab, waren meist wie ein Restaurant, in dem man selber kochen musste (mit freundlichen Grüßen an den damaligen RTL-Chef Helmut Thoma, von dem dieser Vergleich stammt).

Schon wenige Jahre später war die CD-ROM vergessen. Das Internet war einfach schneller, ließ viele Mitwirkende zu, und konnte — anders als die CD-ROM — aktualisiert werden.
 
 

 
 
Es gab auch Kunst auf CD-ROMs. Laurie Anderson brachte 1995, basierend auf einem Song ihres Albums Bright Red, die CD-ROM Puppet Motel auf den Markt. Eine virtuelle, interaktive Tour durch die Räume eines Motels, entwickelt zusammen mit dem taiwanesischen Künstler Hsin-Chien Huang. Es war kein Erfolg und obendrein ein kurzes Vergnügen: Die Firma, die die CD-ROM auf den Markt gebracht hatte (The Voyager Company), ging sehr bald pleite. Die CD-ROM ließ sich nur auf einem bestimmten Apple-Rechner abspielen, den es schon bald darauf nicht mehr gab. Heute gibt es schon lange keine kompatiblen Geräte mehr.

Nun hat sich wohl doch einmal jemand in ein Computermuseum begeben und sich den Spaß gegönnt, eine Tour durch alle Räume des Puppet Motel aufzuzeichnen. Zur Besichtigung bitte hier entlang. Laurie Anderson ist auch heute noch eine virtuelle Reise wert.

 

 
 
 
I first ignored this book for cost reasons ($75!) and because I thought it would only be an addition to Laurie Anderson’s album Landfall with Kronos Quartet (see here). But when I found a used copy for less than half the amount, I couldn’t resist.

And I was wrong; this book has much more to offer than just Landfall. „All the Things I Lost in the Flood“ (left: book cover, right: slipcase) is Laurie’s personal retrospective — not on all her works (that would be too much), but on many of them. As the subtitle says: „Essays on Pictures, Language and Code“. She lost a lot of things when her basement got flooded, but she doesn’t whine after them, she takes the misfortune as an opportunity to look back, sometimes with a touch of irony, sometimes with a touch of melancholy, usually not deadly serious. She offers views on her life and family background and her start as an artist, and what we get here is more than Roselee Goldberg’s Anderson biography from 2000 had to offer. Laurie speaks about the first-person narrative in her performances which, as she puts it, might be personal but never private. We hear about some important collaborators without whom she wouldn’t have been able to design and assemble several of her technical works — like sound designer and technician Bob Bielecki who built several of Laurie’s modified violins and other stage gadgets, the Headphone Table (1978) or the Talking Statues; or Hsin-Chien Huang who collaborated for the interactive virtual room installation Aloft (2017). She talks about how and why she uses projections and stage gadgets.

Every chapter starts with a short text in a computerized phonetic alphabet Laurie developed herself. She writes about and documents not only the works itself in essays and pictures, she also gives some information about their making, sometimes spiced up with nice little anecdotes. In one of her earliest performances, Duets On Ice (1975), she played a modified violin while her shoes where frozen into two blocks of ice; the performance ended when the ice was molten away. She performed this at some public places in a couple of Italian cities. An Italian guy obviously traveled after her and was always present at her appearences and unaskedly and rich in gesture explained to the (usually small) audience what she was doing and why she probably did it. Must have been an early fan.

She tells how at the Nova Convention in 1978 she met William S. Burroughs who, with his unforgettable voice, later appeared in „Sharkey’s Night“ on her album Mister Heartbreak. A sample from this track (the lines „listen to my heartbeat“) were transformed into a tune in the film Home Of The Brave (where she also slow dances with him across the stage). Alas, she does not tell us why this film was never released on DVD although it was announced. However, on Youtube you can watch a full version, technically perfect because obviously taken from the laser disc. The Nova Convention was also the place where Laurie discoverd the harmonizer which she used to transfer her voice into a sort of male voice, „the voice of authority“, as she calls it. Later, Lou Reed gave this character the name „Fenway Bergamot“. Other parts of the book are about the „United States“ performance, her works as artist in residence at NASA, her latest film Heart Of A Dog.

I have to admit that not everything Laurie did becomes completely clear to me, but that might be my problem. Her concerts for dogs, to name an example, doesn’t make much sense to me. But obviously it was her beloved rat terrier Lolabelle who put this idea into her brain. Laurie’s increasing connection to Buddhism is a permanent companion in the book. In the end, after the passing of Lolabelle, in the chapter „Time To Go“, she fills several pages with chalk drawings of her dog’s way through all stations of the Bardo (a topic she dealt with earlier already, see here).

The book, it has to be said, is physically heavy and formatted in square, which makes it unpleasant to hold; the text in small print makes it even worse … well, you can’t have it all. The best idea probably would be to put it on a table to read it. It’s a very nice book, 320 pages, I enjoyed it, and probably it would also make a great Christmas gift, in case you still need one.

 

Laurie Anderson
All the Things I Lost in the Flood
Rizzoli Electra, 2018
ISBN-10: 9780847860555
ISBN-13: 978-0847860555

Vor einiger Zeit hatte ich hier in einem Kommentar nebenbei die Frage aufgeworfen, ob Laurie Anderson schon immer Buddhistin war oder erst seit neuerer Zeit. Sie hat, wie ich inzwischen weiß, erste Fühlung bereits in den Siebzigern in den Künstlerkreisen von SoHo aufgenommen, sich dann aber nicht weiter darum gekümmert. Erst in den Neunzigern scheint sie dann ernsthaft in den tibetischen Buddhismus eingestiegen zu sein; offenkundig unter dem Eindruck Lou Reeds, John Cages und Philip Glass‘ (letzterer ist u.a. Mitgründer des buddhistischen Tricycle-Magazins). Ebenfalls in den Neunzigern sprach sie Texte des Dalai Lama für ein Hörbuch.

Und nachdem schon Lauries zurückliegende Alben Heart of a Dog und Landfall recht jenseitig orientiert waren, geht es nun um buchstäblich die letzten Dinge — beziehungsweise die Dinge zwischen Ende und Neuanfang.
 
 

 
 
Das Projekt Songs from the Bardo ist 2014 live aufgeführt worden und liegt nun als Studioeinspielung vor. Über einen durchgehenden, sich laufend verändernden Klangteppich spricht Laurie Anderson die Unterweisungen des „Bardo Thodol„, auch bekannt als das „Tibetische Totenbuch“. Sie selbst spielt Violine, begleitet wird sie von Tenzin Choegyal (Gesang, Gongs, Lingbu, tibetische Bambusflöte, Dranyen, Klangschalen), Jesse Paris Smith (Klavier, Gongs und Klangschalen), Rubin Kodheli (Cello) und Shahzad Ismaily (Perkussion).

Der Begriff „Bardo“ steht für „Zwischenzustand“ oder „Übergang“. Beschrieben werden im Totenbuch (sehr vereinfacht gesagt) in drei Stadien die physischen und psychischen Ereignisse im Sterbeprozess, im Moment des Todes und des Danach. Eine Reihe von Unterweisungen sollen dem Sterbenden vorgelesen werden, um ihn durch die Tage nach dem Tod zu führen und ihm den Weg durch die Erscheinungen zu weisen, mit denen er zu rechnen und auf die er gegebenenfalls zu reagieren hat: die Wahrnehmung des Klaren Lichts, die karmischen Illusionen, die sich als friedvolle und zornige Gottheiten und als sich aufbauendes Mandala zeigen, und die Ereignisse beim Eintritt ins Nirvana oder eine Wiedergeburt — immer begleitet von dem Hinweis, dass es sich bei allem, was zu sehen oder zu hören ist, um Projektionen des eigenen Geistes handelt. (Es verwundert nicht, dass Timothy Leary diese Teile des Tibetischen Totenbuches vor vielen Jahren einmal in eine Art Reiseführer umgearbeitet hat, der lange Zeit als Raubdruck kursierte.)

Man kann die Songs from the Bardo unmöglich im Hintergrund laufen lassen. Die Platte zieht den Hörer in ihren Bann. Lauries (inzwischen deutlich gealterte) Stimme und ihre hochkonzentrierte Sprechweise zwingen zum Zuhören — auch dann, wenn man vielleicht mit der Thematik des Albums wenig anfangen kann. In letzterem Fall sind die 14 Tracks zumindest eine Reise in eine faszinierende Gedankenwelt. Es ist auch sicher kein Zufall, dass die Platte nicht bei Lauries Hauslabel Nonesuch erschienen ist, sondern bei Smithsonian/Folkways. Das Booklet enthält umfangreiche Texte über das Projekt und die Ausführenden, leider allerdings nicht den von Laurie gesprochenen Text, den man eigentlich gerne mitlesen würde. Man findet den Wortlaut des Totenbuches aber in verschiedenen Übersetzungen im Web.

Alsdann: Awakened One, listen without Distraction.

Hartes Brot, aber es lohnt sich.

Ich wundere mich ja schon seit einiger Zeit, dass zu dieser Neuerscheinung noch nichts auf diesem Blog zu lesen war. Dabei ist das ein so wunderbares Werk! Ich werde mich hüten zu sagen: „Laurie Andersons bestes Album seit langem“ — das relativiert sich erfahrungsgemäß nach einer Weile, aber es ist erstklassig, und das wird es bleiben.

Dass sich die Märchenfee Laurie Anderson und das fabelhafte Kronos Quartet irgendwann finden würden, war mir eigentlich immer klar. Warum es so lange gedauert hat? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich haben beide Seiten gewartet, bis es passt. Und nun hat es gepasst. Der Auslöser war der Hurrikan „Sandy“, der 2012 Zerstörungen historischen Ausmaßes in New York und Umgebung hinterlassen hat. Das ist kein heiteres Sujet. Laurie Anderson macht daraus eine dunkle, aber nie in Depression verfallende Suite über Verlust, Trauer und Weiterleben. Und sie wäre nicht Laurie Anderson, würde sie das Thema nicht in scheinbar abgelegene Randbereiche und persönliche Reflektion über dieses und jenes ausweiten. Aber irgendwie passt es immer. Irgendwo im Hintergrund spukt da auch wieder Lou Reed herum, nicht als Sample, aber spürbar.

Landfall besteht zu weiten Teilen aus Instrumentalmusik. In der Live-Aufführung werden dazu Texte projiziert, die man in der CD-Version im Booklet mitlesen kann. Teile der Erstauflage enthalten im übrigen — wie auch schon ihr letztes Album — einen von Laurie signierten Druck.
 
 
 

Brooklyn Academy of Music presents Landfall, a new piece by Laurie Anderson for Kronos Quartet at the BAM Harvey Theater on September 23, 2014.
Kronos Quartet (L To R)
David Harrington, violin
John Sherba, violin
Hank Dutt, viola
Sunny Yang, cello
Photo Credit: Stephanie Berger

Die Frauen meines Lebens habe ich nicht allzu selten in Fahrstühlen entdeckt. Eine wurde meine Verlobte (sowas gab es in der alten BRD), eine sah aus wie 5000 DM pro Nacht, und kostete ungefähr auch so viel. Ich bekam die Nacht geschenkt, weil ich sie in Erziehungsfragen beriet. Man spricht Frauen besser nicht in vollbesetzten Fahrstühlen an, sondern, kurz nachdem sie den geschlossenen Raum verlassen haben, und die Frage nach einer Tasse Kaffee nicht als Bedrängnis wahrgenommen werden kann. Sex in Fahrstühlen hatte ich nur zweimal, aber auch in Wolkenkratzern ist ein Quickie in normaler Rauschefahrt kaum machbar, es sei denn, man liebt des Thrill des Entdecktwerdens. Andrea und ich hatten uns darauf geeinigt, in einem Kölner Hotel leicht gehobener Klasse, um Mitternacht, nach einem Laurie Anderson-Konzert, den Fahrstuhl zwischen dem vierten und fünften Stock anzuhalten, und es voll durchzuziehen. Ich finde das Vögeln im Stehen an sich nicht besonders prickelnd (trotz einschlägiger Filmszenen, in denen besonders gerne Küchenmobiliar ins Blickfeld rückt), aber Andrea war leicht erregbar und kam schnell, ich musste dennoch das Kopfkino einschalten (dieses Surren der Elektrik, der blinkende Notknopf!), und so schlief ich virtuell mit zwei Frauen. Aber ich wollte etwas anderes erzählen. Meine liebste Fahrstuhlerinnerung (unter den apollonischen) hat überhaupt nichts mit Sex zu tun, sondern mit Lyrik. Eines Tages stand der ehemalige Chef der Hörspielabteilung des Senders mit mir im Fahrstuhl, nur er, und ich, sein treuer Leser. Es war Jürgen Becker, und in der Zeit, als ich noch mehr Gedichte las, und weniger Thriller, kaufte ich mir jeden seiner schmalen Gedichtbände. Jürgen Becker war ein Chronist der alten Bundesrepublik, seine im Grunde stocknüchterne Sprache hatte, verkappt, verborgen, jenen leisen Swing, der aus einer kahlen Baumgruppe etwas anderes machte als eine kahle Baumgruppe (aber eben nichts Symbolisches). Es war ein Sinne schärfender Hyperrealismus, bei dem pro Gedicht eine Zeile ins Irreale verrutschte, aber nahezu unmerklich, nicht als Pointe. Seine Gedichte waren pointenfrei. Jetzt macht dieser Text langsam doch Sinn, handelt er doch vom Schärfen der Sinne.

2016 18 Mrz

Laurie Anderson

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Live, yesterday night at The Late Show with Stephen Colbert, talking about her movie and performing music for dogs.
 
Ich hoffe, der Clip ist außerhalb der USA nicht gesperrt.

2016 16 Jan

Heart of a Dog

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Mit der Oscar-Nominierung für Laurie Anderson (sie stand auf der Shortlist für die Kategorie Documentary Feature) hat es nun leider doch nicht geklappt.

Dafür gibt es einen speziell gefertigten Dreiminutenausschnitt aus ihrem Film noch bis Ende Januar jeden Abend um 23:57 in den Midnight Moments auf allen Videoscreens des New Yorker Times Square zu sehen.

Der ganze Film feiert seine Fernsehpremiere in den USA am 25. April auf HBO. Bis dahin kursiert er weiterhin durch ausgewählte Kinos.

2015 23 Okt

Ein Hundeleben

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Erster Höreindruck: Laurie Anderson macht das, was sie schon immer am besten konnte: Geschichten erzählen.

Heart of a Dog ist der Soundtrack zu ihrem gleichnamigen Film, co-produziert von HBO und Arte, der dieser Tage in ausgewählten US-Kinos erschienen ist. Lolabelle, Laurie Andersons verstorbener klavierspielender Rat Terrier, ist der rote Faden. An diesem entlang meditiert die Künstlerin in 27 durchweg eher kurzen Tracks über den Terroranschlag vom 11. September 2001 (mit dem Laurie, wie überhaupt sehr viele Amerikaner, noch immer nicht durch ist), über den Tod ihrer Mutter, über aktuelle politische Themen, über die Absurditäten des Alltags, und überhaupt über Geburt und Tod und alles, was dazwischen ist.

Es gibt nur wenige gesungene Stücke, dafür viel Text, der über musikalische Hintergründe, Klangcollagen und O-Töne gesprochen wird. Zum Soundtrack gehören Ausschnitte aus Laurie Andersons früherem Programm Homeland, aus den Alben Bright Red und Life on a String sowie aus Landfall, ihrer Zusammenarbeit mit dem Kronos Quartet. Einige der Stücke scheinen Livemitschnitte zu sein.

Das letzte Wort hat Lou Reed, dessen „magnificent spirit“ die Platte auch gewidmet ist.

Late Night Music, zum Zuhören.


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