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Archives: Kürzestgeschichte

In Das große Rauschen ist der Hype um das Berlin der Nachwendezeit noch deutlich spürbar, auch wenn das Buch im Jahr 2012 erschienen ist. Vor allem die Twenty- und Thirtysomethings bevölkern die Kürzestgeschichten von Verena Postweiler, die durch jeweils vier Comiczeichungen von Dieter Jüdt illustriert werden. Fahrradkuriere, Drogenhändler, die ihre Ware bei der ahnungslosen Freundin verstecken, Jungs, die Besuch von ihrer kleinen Schwester bekommen, Schlaflosigkeit und wie die Stadt dabei spricht, der Moment vor dem Weggehen am Abend, die Erinnerung an ein Gesicht, „glänzend russisch irgendwie und helle Augen“. Ein intensiver Moment an der Ampel, die Betrachtung der Stadt und wie der Sommer immer mit dem Geräusch der Flipflops in die Wohnung kam. Meist sind es kleine Augenblicke, Episoden, die im besten Fall etwas anderes, eigenes beim Betrachtenden auslösen. Die Texte sind knapp und auf Pointe geschrieben, die Grundstimmung ist melancholisch. Die Zeichnungen wirken mit ihren fast holzschnittartigen Strichen kühl, auch wenn sie als einzige Farbe einen Orangeton verwenden. Wie die Zeichnungen dem Text eine weitere Ebene hinzufügen und ihn interpretieren, zeigt die short short Story „Frau aus Glas“: Über dem ersten Pannel heißt es lapidar: „Sie wurde durchsichtig, über Nacht.“ Passanten sind in der Stadt unterwegs und unter ihnen eine Frau, die innehält. Sie ist schwächer gezeichnet, also ist sie sichtbar und nicht sichtbar. Im zweiten Pannel wird die Präsenz dieser Frau für eine Gruppe von Freunden beschrieben. Und dies ist der dritte Pannel:

 
 

 
 

Bemerkenswert an dieser Zeichnung ist, dass die Frau zweifach zu sehen ist, einmal sichtbar-unsichtbar, wie sie ein Getränk hält, und dann im Hintergrund in einem Top, was bedeuten würde, dass die Frau eine Doppelexistenz führt. Oder sieht die Frau im Hintergrund der Frau, die über Nacht durchsichtig wurde, nur auffällig ähnlich? Im vierten Pannel heißt es: „Wenn sie durch die Küche lief, konnten wir ihre Schritte nicht hören, nur die Gläser im Schrank, die leise klirrten.“ Die unsichtbar gewordene Frau, die eine Metapher darstellt, für vieles, sie wirkt weiter.


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