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Archives: Kit Downes

 

North Sea Round Town festival Rotterdam: photos of release concert of guitarero Teis Semey’s „Midnite Mess“ -performed at Oude Kerk in the Rotterdam borough Charlois

 
 


 
 

w/Liva Dumpe, Vera Morais, Sanem Kalfa, Marta Arpini (vocals), Kit Downes (church organ).

 
 


 
 

Participating Amsterdam musicians originate from all four wind directions, East, West, North, South.

 
 


 
 

Striking: the high number of excellent female vocalists in the present Amsterdam-Rotterdam scene.

 
 


 
 

It resulted in establishing the 9-piece vocal ensemble AUGUST 38th that will soon come up with its debut album

 
 


 
 

Also striking: these young(er) generation musicians are NOT bound to a fixed direction or style of music. They are able and eager poly- and multivalent musicians

 

 

Rotterdam’s North Sea Round Town Festival, spread over the whole city, is on now for 8 days

and will last another week with its 300 concerts 

many at special sites 

 

a truly wild thing every day and night 

 

 

with its highest light SANEM KALFA’s INVISIBLE COLUMNS 

at industrial monument Van Nelle Factory 

w/

 

Sanem Kalfa – voice, electronics

Alice de Maio – dance 

Jan Bang, voice, sampling, electronics 

Ambrose Akinmusire, trumpet

Kit Downes, organ 

 

something was in the air that gave leeway to this wonder of confluence of kindred spirits 

a n d 

it turned out a launch for furthermore 

 


Die liedhaften, andeutungsweise hymnischen, Kompositionen diese aussergewöhnlichen Albums entstanden sehr kurz nach dem Tod des Vaters und Lyrikers Gerard Rochford, in heimischer Umgebung. Man kennt Rochford von seiner Gruppe Polar Bear (deren bestes Album in der Mohave-Wüste entstand), von den jungen, wilden Sons Of Kemet und dem ultramelodiösen Trio Libero. Hier nun
 wollte er den Sound  seiner Kindheit und Jugend einfangen – und Trost finden zugleich. Etwas wachrufen. 

Bei den fünf Stufen der Trauerarbeit ist die Akezptanz nach Kübler-Ross die abschliessende fünfte. In einer Besprechung des Albums bringt Oliver Coates die „sechste Stufe“ der Trauerarbeit ins Spiel, und zitiert diese „Ergänzung“ von David Kessler: „Meaning“. Rochford und Downes seien noch nicht ganz bereit, nach dem Sinn zu suchen, schreibt Coates. Stattdessen „sässen sie in trauter Zweisamkeit zusammen, an dem Ort, an dem die Abwesenheit am stärksten zu spüren ist.“ Als wären sie noch nicht bereit,  im Prozess der Überwindung der Krise neue Einsichten zu gewinnen, und dadurch ihr Leben reicher zu machen. Eine psxhologische Prozessbeschreibung einem Kunstwerk überzustülpen, ist oft genug ein wenig platt, und in diesem Fall darüberhinaus deplatziert.

Die „Bedeutung“ liegt doch gerade im  schöpferischen Akt des Erinnerns. Die Haus der Kindheit erhält seine Dämmerung, seine alten  Schwingungen gleichsam gespiegelt und verwandelt zurück. Mehr „meaning“ geht nicht. In diesem Sinne ist „A Short Diary“ eindringlich-elementare Musik, welche man zwei anderen aussergewöhnlichen „home recordings“ des Labels ECM an die Seite stellen kann, den Solo-Piano-Werken „At Home“ von Misha Alperin, und „The Melody At Night With You“ von Keith Jarrett. Alle drei Werke belegen eine von jedem Überschwang befreite Innerlichkeit.

P.S. – … und, a propos „meaning“ – „Bedeutung“, schreibt ein Mr. Harris die perfekte Ergänzung: „The tracks feel unhurried but concise enough not to be just drifting along, and as a meditation on memory / mortality it works at a high level in its efforts to convert sound into meaning.“

 

 

Das Piano ist ein ganz spezielles Instrument für mich. Es ist das erste Instrument, das ich lernte, und mein Vater und meine Mutter waren verliebt in den Klang. Die Lieblingsmusik meines Vaters waren Glenn Goulds Bach-Interpretationen, und für meine Mutter überwiegend Bill Evans, Keith Jarrett und Nina Simone. Ich wuchs auf mit dem Klang des Pianos, meine Eltern spielten darauf, und obwohl ich bislang nie Musik für ein Klavier geschrieben hatte, war mir dieser Sound des „Zuhause-Seins“ unheimlich vertraut.

Was das „Drumming betrifft, gab ich mir die Freiheit zu spielen oder nicht zu spielen, je nachdem was das jeweilige Stück verlangte. Im wesentlichen sollte es eine Art Solo-Piano-Album sein, mit unserem alten Hausklavier, und ein paar Spuren des Schlagwerks. Eines meiner Lieblingsalben – auch da spielt der Raum eine besondere Rolle – ist Thelonious Monks „Alone In San Francisco“. Mich störte die Idee nicht im geringsten, für diese Arbeit nur wenige eigene Klänge aktiv beizusteuern. Mit Kit Downes sprach ich lange über den Umgang mit den Pedalen, und dass die Musik nie über eine bestimmte Dynamik hinausgehen sollte, um idealerweise  in einer besonderen Schwingungszone zu verweilen. 

Das Stück „This Tune Your Ears Will Never Hear“ war das letzte Stück, das ich schrieb, aber es sollte den Anfang des Albums markieren. Ich sehe das Stück als eine Art Torweg, fast wie eine Begleitung meines Vaters auf seiner nächsten Etappe. Zugleich spielte diese andere Empfindung hinein: wenn du ein Elternteil verlierst, kann es sich anfühlen, als wäre man ein kleines Kind, das in den Abgrund ruft … so there are some lines in the tune that represent that to me.

Obwohl wir geplant hatten, das Album gemeinsam abzumischen, entwickelte es sich so, dass Manfred Eicher die Aufnahmen allein mischte, und im Grunde war es wohl genau das, was ich wollte. Ich war so nah dran an der Musik, und fühlte, dass er sich ihr auf eine Weise annehmen konnte, zu der ich nicht fähig war. Nicht nur technisch, auch aufgrund der fehlenden Aussenansicht. Als ich mir seine Abmischungen anhörte, war es fast so, als würde ich das Album zum ersten Mal hören. Als hätte ich bis dahin gar nicht realisiert, was ich wirklich gemacht hatte. Er brachte alles auf den Punkt und steigerte die Intensität vieler Details. Es erschien mir wie die stärkste Version der Musik.

Was die Raumcharakteristik des Klanges angeht, nun, wir hatten bei den Aufnahmen auch einige Raummikrofone benutzt. Zum Beispiel platzierten wir ein altes ACR-Mikrofon im Kamin, um etwas von der Resonanz des Steins hinter dem Feuerplatz einzufangen. Und das ist ein anderer Aspekt der nachträglichen Bearbeitung von Manfred, dass er dem Sound des Raumes treu blieb, ohne je darin gewesen zu sein.

Und, ja, das Stück „Silver Light“ kam mir in den Sinn, als ich im Hausflur stand … ich erinnere mich daran, wie ich nach meinem Phone greife, und die Treppe hinauf gehe Richtung Schlafzimmer … ich singe in das Phone hinein, die ganze Zeit über, während ich die Treppe hinaufgehe, und die Melodie nimmt im Nu ihre fertige Gestalt an. Ich habe die Aufnahme gespeichert, und wenn ich sie mir anhöre, klingt sie genauso wie auf dem Album. „Silver Light“ repräsentiert für mich den Moment, in dem ich mit meinem Vater zusammen war, als er starb.

 

Vor vier Wochen war ich auf dem ersten Konzert in diesem Jahr, meinem zweiten seit März 2020. Auf der kleinen Insel Lonna, per Fähre in 10 Minuten vom Stadtzentrum Helsinki aus zu erreichen, veranstaltete das finnische Label WeJazz Records das zweitägige „Odysseus“ Festival, weitgehend Open-Air. Zufällig passten die Daten in unsere Ferienplanung, so kaufte ich am 09. 12. 2020 drei Karten (nachdem ich mich vorher versichert hatte, dass man einen Hund mit auf die Insel nehmen durfte). Danach war ich lange Zeit skeptisch, ob ein Konzertbesuch klappen könne, ja eine Einreise überhaupt möglich sei – doch dann kamen wir am 24. 7., dem ersten Konzerttag, morgens um 8:00 mit der Fähre in Helsinki Vuosaari an, konnten gegen 11:00 unsere Airbnb Wohnung beziehen und waren dann nach einem Treffen mit Freunden und Bummel durch die Stadt gegen 16:00 auf der Insel.

 

Uns empfing eine relaxte Atmosphäre, in dem durchmischten Publikum war von einer Pandemie wenig zu spüren. Das war ungewohnt, ebenso wie es etwas seltsam war, überhaupt wieder unter vielen Menschen zu sein; nach sehr wenig Zeit konnten wir uns aber darauf einlassen. Eine große Bühne war zwischen zwei alten Lagergebäuden aus rotem Backstein aufgebaut, die Musiker spielten vor Bäumen, dahinter funkelte das Wasser. In einem der Gebäude war noch eine kleine Bühne für intimere Konzerte, die zum Teil parallel, zum Teil versetzt zu den Open-Air Gigs stattfanden.

 

Als wir ankamen legte das Timo Lassy Trio los: Bass, Schlagzeug, Saxophon, energiegeladen, konzentriert und funky. Anschließend spielten Y-Otis, die mir zwar gefielen, aber auch ein bisschen überfrachtet vorkamen. Otis Sandsjö war dann in der Lagerhalle Gast bei der Zugabe des sehr guten Kit Downes Solo Sets und die beiden zauberten einen Höhepunkt des Festivals: Instrumente gegen den Strich gespielt, durch Mark und Bein fahrend; auch die zweite Zugabe mit der Sängerin Lucia Cadotsch war wunderschön. Der Rest des ersten Tages ging ein bisschen an mir vorbei, wir waren reisemüde und für den abendlichen Ostseewind zu sommerlich gekleidet, so dass wir gegen 20:00 die Fähre zurück nach Helsinki nahmen.

 

Um dann am nächsten Tag um 15:00 wieder auf der Insel zu sein, pünktlich zum Auftritt von Lucia Cadotsch (die auch etwas zu frösteln schien). Sie spielte gemeinsam mit dem Y-Otis Rückgrat Otis Sandsjö (Saxophon) und Petter Eldh (Bass) als Speak Low Interpretationen von bekannten Songs. Bei der Mehrheit der Stücke war wieder Kit Downes an der Orgel dabei, eine willkommene Zutat in der zerklüfteten Klangwelt. Danach ging es träumerisch und traumhaft mit Verneri Pohjola weiter, Trompete in sanft elektronischer Umgebung, gute Kombination. Anschließend brachten die omnipräsenten Kit Downes und Otis Sandsjö  gemeinsam mit dem finnischen Drummer Joonas Leppänen eine unerhörte Musik ohne Ufer, in die man tief versinken konnte, auf die Bühne. Zum Abschluss dann die von mir sehr geliebten 3TM (endlich weiß ich, dass es nicht „three“, sondern „kolme“ TM heißt). Die Freude, die die Musiker, vor allem Schlagzeuger Teppo Mäkynen, versprühten, war ansteckend, die rhythmische Musikalität beeindruckend; die drei strichen dann den meisten Applaus ein. 

 

Was bleibt? Na klar, Erinnerung. Lust, im nächsten Jahr wieder ein solches Festival zu besuchen (und vorher hoffentlich viele andere Konzerte zu erleben). Lust auch auf eine Veröffentlichung von dem Downes-Sandsjö-Leppänen Projekt. Und die Erkenntnis, dass Konzerte eher nichts für Hunde sind.

Eigentlich sollte diese Musik nicht „Musik für verstimmte Klaviere“ sondern genauer „Musik für besonders gestimmte Klaviere“ heißen. Der englische Musiker, Instrumentenentwickler und Komponist Max de Wardener hat in den vergangenen beiden Jahren mit Hilfe des Klavierstimmers Laurence Fischer eine Reihe sehr eigenwilliger und tiefgründiger Stücke realisiert. Dabei verwendete unterschiedliche Stimmungen: die Pianola-Tunings von James Tenney, eine tonal eingeschränkte Stimmung in der Naturtonleiter nach La Monte Young und in den unheimlichsten und atmosphärisch dichtesten Stücken des Albums Deranged Landscape und Doppelgänger eine spezielle Stimmung nach Harry Partch. Dazwischen gibt es für die „familiäre Perspektive“ auch einige Stücke in temperierter Stimmung, die aber durch den Kontrast etwas durchaus befremdliches bekommen. Teils überlagert er verschiedene Tunings wie bei Spell und setzt gelegentlich auch ganz dezente elektronische Akzente. Das hört sich manchmal an wie ein Gamelanorchester im Nebel, wie die Geisterhände eines verstorbenen Pianovirtuosen auf einem verstaubten Klavier in einem verlassenen Haus irgendwo an der englische Küste oder dem Versuch einen Entwurf von Steve Reich auf einem kaputten Barpiano zu realisieren. Alle Stücke werden von dem großartigen Kit Downes gespielt, der souverän verhindert, das sich auch nur bei aller Obskurität für einen Augenblick der Eindruck von Dilettantismus oder Defektbewältigung einschleichen kann, sondern ganz im Gegenteil diese sonderbaren, musikalisch hochorginellen Miniaturen ganz selbstverständlich, fast so als ob es diese Schwebungen, Dissonanzen und Verzerrungen nicht gäbe, erklingen können. Dabei entsteht ein Flow, der mit einer fast ambienthaften Leichtigkeit durch das ganze Album trägt. Eines der originellsten und musikalisch bemerkenswertesten Alben dieses Frühlings. Dann wäre nur noch die Cover-Art zu erwähnen, die von der Künstlerin Penelope Umbrico mit Smartphone-Apps geschaffenen fragmentierten und abstrakten Bergsilhouetten, die optisch umsetzt, was die exzentrische Musik an Entfremdung entfaltet.

 
 


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