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Archives: Jon Balke

2016 28 Jan.

February, a pleasure!

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Sometimes it is the first light of a cold winter day, sun rays entering the sleeping room, sometimes it is a kiss in the morning, or the last picture of a dream. It may be the first sound of a record, or the first sentence of a thrilling novel. It may be the first time in your life you hear a beautiful record from the 70’s (and you’re asking yourself: why the fuck did it take so long?). Or it is a little philosophical essay full of fine observations that trigger unforeseen thoughts.

„As always“, says Norwegian pianist Jon Balke, „the more you explore and discover, the further you want to go, and things are not so simple anymore. It’s a very interesting process.“ On Feb. 12th, his new solo album Warp will be released, and according to the rules of probability, Gregs, Joey, Rosato and Michael will be listening to that work of excellence on the same weekend.

What begins as a gently exploratory solo piano album gradually acquires an almost hallucinatory aspect. Warp will surely receive great reviews in international music magazines, online and print. The mix of piano and carefully constructed sound images is a peculiar delight. What are the images about? Is it the infamous „cinematic“ element, or much more subliminal?

I digress: in February, you’ll be entering a time capsule here: a collection of antiques & curiosities, of old black and white movies, a late echo of the Rastafari movement in the hills of Jamaica, 50’s noir (an encounter with Richard Widmark), 60’s psychedelia with young Robert Wyatt, 70’s praise of birdsong (Bert Jansch). Further explorations of „minimal winter music“. Time for the unexpected.

 

 
 
 

Jokleba ist das Trio des Pianisten Jon Balke, des Trompeters und Sängers Per Jorgensen sowie des Trommlers und Elektronikers Audun Kleive. Vor Beginn ihrer Europatournee, die morgen in Bristol endet, schrieb mir Jon Balke folgende Mail über das verstörende und widerspenstige Werk eines bereits seit fünfzehn Jahren existierenden Trios:

“Sämtliche Stücke von Outland entstanden aus einem Zustand der Fassungslosigkeit über den Zustand der Welt, der, während unserer Aufnahmen, in direkten Wahnsinn umschlug. Wir nahmen OUTLAND im Frühjahr auf, als all die schrecklichen Dinge aus der Ukraine und Syrien zu uns drangen, und das Barbarentum der islamischen Terrorbrigaden: uns kam es so vor, als würden wir kollektivem Irrsinn direkt ins Auge schauen. Wir haben kein Interesse daran, Programmmusik zu machen, aber diese Realitäten spiegelten sich im Herausströmen der Sounds. Wir versuchten, die Infomationsstücke zu sortieren, mit denen wir gefüttert wurden, und fortlaufend wurden wir von anderen Dingen abgelenkt. Auf die gleiche Weise wird die Klarheit in der Musik, ihr Puls, jedem Mitspieler in kleinsten informationseinheiten angeboten, dabei aber ständig auseinander gerissen von plötzlichen Strömungen paralleler oder gegenläufiger Information. Das Album ist kein Karriereschritt in eine neue Richtung, es ist ein direktes Dokument der Energien, die im Frühjahr 2014 zwischen uns flossen.“

Mit einer Spielweise, die allen Regeln eines groovefreudigen Jazz widerspricht, mit bizarren Sounds, und einer Palette zwischen abgrundtief brüchiger Melancholie und gespenstisch eruptivem Furor ist Jokleba eine so aufregende wie widerspenstige Produktion gelungen: in diesem Jazz fliegen Fetzen, stolpern Rhythmen – und auch wenn Balke, Jorgensen und Kleive auf der Bühne nicht in exotisch Masken schlüpfen, sind gewisse Parallelen zu einigen Stilelementen des frühen Art Ensemble of Chicago alles andere als weit hergeholt. Bei den Chicagoer Pionieren wie bei den drei Norwegern geht es auch da, wo die Musik, surreal, wild, unberechenbar daherkommt, darum, eigene Ideen nicht zu lange in sicheren Zonen zu dulden. Jokleba trauen ihren Kontrasten und Brechungen zurecht emotionale Durchschlagskraft zu: gerade in solch rauen, explosiven energiefeldern gewinnen lyrische Momente eine besondere Strahlkraft (jenseits des gepflegten, guten Tons).

Wenn sich laut Jon Balke bei „Outland“ die Musik nicht zuletzt „um den Verstand dreht, wenn er dabei ist, verloren zu gehen“ – ein Titel lässt den Kinoklassiker „Einer flog über das Kuckucksnest“ anklingen – dann handelt das Album eben nicht nur von der Wut über die Schräglage der Welt anno 2014. Mit OUTLAND legt das Trio das Potential offen, dass der Jazz auch da entfalten kann, wo einzelne seiner sogenannten gesicherten Bestandteile zu kollabieren drohen. Diese Arbeit verlangt vollkommene Konzentration und belohnt sie mit einem nur zu Anfang verwirrenden Klangfarbentheater, mit aufblitzendenden, abtauchenden Ideen der atemraubenden Art, mit lerztlich kinderleichten Drahtseilakten. Der Jazz braucht wueder mehr Chaosforschung, Jokleba bietet dazu ein paar unvergessliche Lektionen. Wehe, wer jetzt an Free Jazz denkt.

Zum Ende des Jahres erscheinen bei ECM einige umwerfende Alben: Keith Jarrett, Charlie Haden und Paul Motian spielen in Hamburg 1972 wie entfesselt (jetzt wird das lang kursierende Bootleg, klanglich überarbeitet, offiziell!), es ist nicht mehr lange hin bis zum „Köln Concert“, und als ich gestern in der Jazzredaktion das erste zwölf Minuten lange Stück des Doppelalbums „Souvenance“ von Anouar Brahem hörte, versuchte ich erst gar nicht, aus dem Staunen herauszukommen. Die Streicher kamen nicht aus Hollywood. Und so ein Cover hat man bei dem Tunesier auch noch nie gesehen: ihn liessen die Unruhen und Gewalttätigkeiten im eigenen Land nicht kalt und scheinen den Stücken eine dunklere Tönung mit auf den Weg zu geben, in der ersten Komposition jedenfalls werden manche Sounds in freier Jazzmanier, von Kontrabass und Blasinstrument, angerissen, kurz in den Raum geworfen: die Violinen besänftigen nicht.

11:45. Der Schmerz, den die Harnschiene beim Urinieren auslöst, bleibt unerträglich. Und hält meist bis zu zehn Minuten danach an, mit ungeheurer Wucht. Ich habe meine Rituale: erst schreien, um dem Schmerz ein Ventil zu öffnen. Dann in den Schmerz hineinatmen. Ich habe meinen wuscheligen weissen Schmerzteppich, Selbsthypnose geht gar nicht. Der Plan ist heute, wenigstens den ersten und letzten Text zu verfassen (der Jokleba-Part, im Moment ist es unklar, ob ich Jon Balke in Köln noch interviewe; hängt davon ob, ob nach der Entfernung des Schlauches am Dienstag mein altes schmerzfreies Ego reibungslos die Geschäfte übernimmt). Die Erschöpfung nach jeder einzelnen „Schmerzarie“ ist so beträchtlich, dass es leicht fällt, ins Blaue zu schreiben, aber schwer, konzentriert zu arbeiten. Das ist wie die Aufforderung, nach einer kleinen Schmerzfolter die Hausaufgaben zu machen. Ich kann defokussieren, aber nicht so gut fokussieren. Ich schreibe dies als Divertimento, und „Tagebuch des Projekts: JazzFacts.“ Als kleine Spannungsgeschichte mit offenem Ausgang. Morgen früh Vorbesprechung in der Anästhesie – keine Scheu zu fragen, ob man mich einen Tag ins künstliche Koma abschiessen kann. Das wäre bis zur OP wie Wolke 7 im Traumland. „Cuckooland“. Ah ja, Robert Wyatts Biografie, ruhig erzählt, gut geschrieben, Karl Lippegaus stellt sie in der Sendung vor.

 

 

 

 

 

ME: Jon, in a rather strange way, your new album, „Say and Play“ (ECM 2245), brings together a kind of „easy listening“, easy in a very thrilling way, and some avantgarde principles. The music is highly accessible, but not in a well-known way. It is groovy, but without ethno-cliches … so, one could call it, with a smile, „easy-avant-music“…

 

JB: The departure point in developing this music is 100% rythm, as it appears in spoken language, poems, drumming, AND in melodic playing. I think the melodic „friendliness“ is a consequence of this approach: the melodies are rythmic tools to propel the music onwards, more than sculptural elements in themselves. We also tried to record and mix everything from this point of view: the melodic phrases as background for the solistic drumming and language. This was the dogma that producer Olav Torget and me reminded ourselves of again and again: rythm and language  is king. 

 

Brian Eno did publish so-called “speech songs“ on „Drums Between the Bells“, his cooperation with Rick Holland. You are also presenting four  spoken-word pieces from a Norwegian poet. Why did you use his original language (your language) – and what was so special to work with the  energy of spoken words? 

 

JB:  If you listen to „Statements“ (the first Jon Balke/ Batagraf album on ECM records; Anm. V. M.E.)  there is a track with a long speech by Miki N´Doye in Wolof. This is a monologue of Miki speaking to someone imaginary that  he meets. As I know very few who speak Wolof, but very many who like the melodics in the voice and language of this track enormously, I felt it right to follow this approach and use the poems and voice of Torgeir in the same manner: his sound, melody and the way he floats over the percussion in a kind of counter-rythm makes musical sense to me. As I hope it does to others … The poems in themselves are a kind of bonus, he is a very playful, subtle writer.

 

Is there, in the way you´re treating these poems, a parallel to African music? 

 

JB: Not in the poems as such, but In all the tracks, as well as in all the music I have made, there is an influence and a parallel to and from Africa, especially West-Africa. But I have painstakingly tried to avoid copying the great music from there. I hope I have not unconciously patched in elements from things I have heard. If I found such things, I would have removed them, as it would feel like stealing … And I don´t like to be a musical thief :-)

 

You are working on several pieces  with Jon Chistensen´s daughter,  using  a very different type of lyrics: riddles, surreal imageries, daydreams … how do they relate to the powerful drum patterns? The record sounds fantastic, by the way.

 

JB: This is actually the main building block in Batagrafs music : original Bakas. The Baka is a term from Wolof meaning short poem-like phrases that say something about life or a person, and these phrases can also be played by percussion groups. So the Wolof drum groups build up a complex system of these bakas that are mixed with grooves and patterns, and bakas serve as breaks to change energy or tempo in the music. I think it is a fantastically interesting way to organize music, so I have started to construct my own universe of Bakas, which is what you hear Emilie speaking or singing, and the percussion choir responding. I hope the listener can be rewarded  by repeated listening to this album, I hope it constitutes a musical universe that you can „travel“ in by using your ear to focus around in  different layers.

 

On some pieces your keyboards/synths are reminiscent (and I´m sure this was intended!) of Joe Zawinul and Weather Report. Nevertheless it sounds totally fresh.  Can you illuminate this element of „hommage“ „or „nordic way“ of  playing with some stylings a la  Zawinul … Is the „Birdland“ now a music club in “Oslo 13”, the non-existent area of Oslo?  (“Oslo 13” the name of an early Jon Balke album; Anm. v. M.E.)

 

JB: I owe enormously to Joe Zawinul, especially from the Weather Report era, but as with the Bakas, I feel like stealing if I go for his sounds. So I try to squeeze other stuff out of what I have, mostly just developing by ear. But in Say and Play the overall use of synths is there to make depth: drums/voice up front, and layers of keyboard sounds floating inwards in the soundscape, from solo lines inwards all the way to „melodic“ reverb layers. Melodically Zawinul is a European, with strong echoes of romantic music and harmonizations. Olivier Messiaen is another important voice, when you speak of sustained keyboard sounds. The vague notion of „Nordic sound“ is an echo of both these voices, as well as  the melodic traditions of the north.

 

Are you making use of some of the old, famous keyboards/synths, some sounds ring a bell … 

 

JB: I accidentally ended up with a DX7 in a theatre performance in 1982, so this has been with me since then. I feel familiar with the inner structure of that instrument. And somehow I have been continuing using Yamahas from different times: AN1x, FS1r, and now the Motif XS. Maybe this also has to do with keeping a distance to old Joe, all the Moogs and Prophets in the world tend to pull towards his sound. I also have an ambivalent relation to synth music: I get easily tired by an overall synthetic soundscape, and feel the need to mix with acoustic sounds that are richer in timbre. There is no ideology in this, I just go for the sounds i like by research and discover.

 

You are making, on this new album, a very careful and thoughtful use of jazz piano playing. But this also adds to the  different textures of the compositions …

 

JB: The piano here is used as a single line solo instrument, in order not to  fill up the soundscape but keep it transparent. So I play very economically and rather add electronic shadows to the lines that blend with the electronics … that is the idea … again depths of melodic and rythmic polyphony punctured by powerful drums phrases and voices …

2011 4 Mai

Jon Balke: Siwan

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Es begann alles damit, dass ich die CD in meinen Player schob, auf dem Weg zwischen Arrecife und El Golfo. 23 Grad, spät nachmittags, und dann kam ein einsames „Wow!!!“
aus meinem Mund, als die ersten zwei Stücke von Jon Balkes neuem Werk vorüber waren. Ich kenne die Musik des Pianisten schon lange, der früher bei „Masqualero“ spielte, später mit „Oslo 13“ Fusio Music und Nordafrikanisches aufregend mixte, und schliesslich mit seinem „Magnetic North Orchestra“ Wege aufzeigte, wie man Neue Musik, Jazz und Afrika ohne akademischen Kunstkrampf & Allerweltsklänge kombinierte.

SIWAN ist Jon Balkes abenteuerlicher Versuch, Parallelen hörbar zu machen zwischen Alter Musik aus Europa (Barock), al-andalusischen Traditionen (9. bis 15. Jahrhundert) und moderner Improvisationskunst. Dazu hat der 1955 geborene Pianist die idealen Spiel-gefährten an seiner Seite: den Trompeter Jon Hassell, den Violinisten Kheir Eddine M-Kachiche, den Trommler Helge Norbakken, ein norwegisches Ensemble mit versierten Kennern des Barock und – vor allem – die Sängerin Amina Alaoui aus Marokko!

Wie freigeistig die muslimische Kultur und Wissenschaft war, die in „Al-Andalous“ in gar nicht so grauer Vorzeit den Ton angab, kann man den alten Texten und Gedichten ablesen, welche die Grundlage bildeteten für diese Kompositionen. Jon Balke erinnert mit dieser Phantasie an eine Ära, die von der Inquistion gnadenlos verfolgt wurde – das „Ende vom Lied“ war, dass diese freizügige muslimische Geisteswelt (fernab der heute den Ton angebenden Fundamentalisten) heuzutage kaum noch erinnert wird. Dabei war ihr Einfluss, etwa auf die Renaissance, immens; die Bibliotheken von Cordoba horteten Wissenschätze ohnegleichen.

Wie sich auf SIWAN diese diversen Klangszenarien durchdringen, ist fabelhaft – die Musik bleibt stets melodisch, auch wenn sie ein Feuerwerk an rhythmischer Energie abfackelt oder einzelne feine Sphären ohne Eile auslotet. Die Wechselspiele zwischen der raumgreifenden Stimme der Marokkanerin und dem „Schlangenbeschwörer-Sound“ von Jon Hassell nehmen gefangen. Die Spiegelungen zwischen arabischen und barocken Figuren öffnen den Raum noch einen Spalt mehr. Seltsam genug, aber Jon Balke spielt nicht mit der postmodernen Trickkiste: SIWAN ist modern, alt, märchenhaft, verwirrend, überfliessend, transparent.

Als ich mit dem Wagen in El Golfo angekommen war – zuende gehört hatte ich die Musik
an diesen berüchtigten Vulkanklippen der Westküste Lanzarotes, deren Name mir gerade entfallen ist – nahm ich Platz im Fischrestaurant meines Vertrauens. Und dann passierte einer dieser sonderbaren Zufälle, wenn man die richtige Musik zur richtigen Zeit am richtigen Ort hört: ich las die beiliegenden Texte von SIWAN (die sowohl arabisch abgedruckt sind – viel Spass beim Volkshochschulkurs! – als auch auf englisch) und musste so sehr schmunzeln, als ich sich die Augen an folgende Zeilen hefteten:

“ A serene evening
We spent it drinking wine.
The sun, going down,
Lays its cheek against the earth, to rest … „

Nun, ich war allein, aber ein Glas Wein stand auf meinem Tisch, und die Sonne bereitete sich gerade auf ihren first-class-„westcoast“-Untergang vor. Ich blieb, bis es kühl wurde, stieg ins Auto und schob SIWAN ein. Die Musik funktioniert auch in Mitteleuropa,
habe ich später rausgefunden. Überall, wo „free spirits“ hausen … unglaublich gute Musik.


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