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Archives: Joan Didion

2021 12 Mrz.

Let Me Tell You What I Mean

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Vor fast auf den Tag genau drei Jahren habe ich auf Joan Didions „South and West“ hingewiesen. Das Buch ist heute noch so empfehlenswert wie damals.

Nun liegt ein neues Werk von ihr vor, ein Essayband, der zwölf durchweg bereits veröffentlichte Beiträge aus den Jahren zwischen 1968 und 2000 versammelt. An Werke wie das erwähnte „South and West“, in dem es um die Südstaaten geht, oder „Slouching Towards Bethlehem“, das auf eine desillusionierende Weise die Hippiekultur San Franciscos zerlegt, kommt „Let Me Tell You What I Mean“ leider nicht heran. Dem Buch fehlt der rote Faden, manche der Essays sind für mein Gefühl schlicht langweilig, ließen mich mit der Frage „Warum erzählt sie mir das?“ zurück, und ich glaube, dass sie das manchmal auch selbst nicht weiß. Didions Schreibstil ist nicht einfach, ihre in Teilen sehr langfädige und zerfahrene Erzählweise macht den Einstieg nicht leichter, man muss schon einige Konzentration aufbringen, um nicht aus dem Text zu fallen. Mir ist manches auch zu selbstreflektierend, etwa „Why I Write“ — ja mein Gott, täte sie’s nicht, würden wir halt etwas anderes lesen, und die Welt würde sich noch genau so drehen.

Interessant wird die Lektüre aber dann, wenn sie einen Anknüpfungspunkt an eigene Interessen bietet oder satirisch, ironisch oder einfach witzig ist. Letzteres ist eindeutig nicht Didions Stärke, es kommt aber vor. Ihre Story über Nancy Reagen ist so eine, oder „Some Women“ über die Frauenfotos von Robert Mapplethorpe. Auch der Text über das Gefühl, das sich einstellt, wenn einen das College seiner Wahl ablehnt, ist leicht nachvollziehbar. Alles in allem aber ist mir das aber für ein Buch ein wenig zu dünn.

„Let Me Tell You What I Mean“ schleppt ein 35 Seiten langes Vorwort mit sich herum, das so tun möchte, als sei dies ein unglaublich wichtiges Buch. Zudem steht am Ende des Buches der Hinweis, man habe das Buch in einer alten, wiederausgegrabenen Schrifttype namens „Didot“ gesetzt (zwischen den Zeilen soll man wohl lesen: zu Ehren der Autorin). Die Schrift gehört offensichtlich zur klassischen Bodoni-Familie — eigentlich eine schöne Buchschrift, aber sie darf nicht zu klein sein und braucht viel Luft um sich herum. Dafür hat dieses kleinformatige Büchlein aber zu wenig Platz, und so flimmern einem nach einer Weile die Augen.

Joan Didion bleibt aber, das sei klar gesagt, eine wichtige Stimme, wenn es um Entwicklung und Zustand der USA geht. Sie hat da einen sehr scharfen, sezierenden Blick. Zeit, einmal wieder in „Slouching Towards Bethlehem“, „South and West“ oder „The White Album“ hineinzuschauen.

2018 28 Mrz.

Die DNA der USA

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Für einen Zugezogenen wie mich ist es natürlich immer interessant, die Eindrücke anderer mit den eigenen zu vergleichen. Und obwohl die hier präsentierten Texte schon von 1970 stammen und ich noch nie in den Südstaaten der USA gewesen bin, klingt vieles sehr vertraut.

„From a Notebook“ heißt dieses Buch im Untertitel. Tatsächlich enthält der schmale Band nur Notizen von einer Reise durch die Südstaaten und ein paar Bemerkungen (13 Seiten!) über Kalifornien und San Francisco, gesammelt 1970. Das Ganze sollten Reportagen für den „Rolling Stone“ werden, aus irgendwelchen Gründen wurde daraus aber nichts, und nun hat die Autorin die Notizen von damals mit kurzen Einleitungskommentaren als eigenständiges Buch veröffentlicht.

Der Schreibstil versetzt einen unmittelbar in die Landschaft und das Klima Louisianas, Mississippis und Alabamas im Sommer. Fast bleibt einem beim Lesen das Hemd am Körper kleben, man meint im Hintergrund Songs wie „Born on the Bayou“ aus dem Autoradio zu hören, man sieht die Lethargie der Kleinstadt- und Dorfbewohner vor sich, man meint ihre Sprechweise fast zu hören. Ob es ein Bürgermeister ist, der betont, der KKK spiele nicht mehr die große Rolle wie früher, oder der weiße Besitzer einer Radiostation, die Musik vorrangig für Schwarze spielt, der selbst aber Schwarze nicht zu seinen Freunden zählt, ob es die stumpfsinnig dreinschauende Friseurin ist, die einfach nur geheiratet werden möchte, der Typ, der die Autorin fragt, ob ihr Mann ihr diese Reise überhaupt erlaubt habe: Man meint sie zu kennen und vor sich zu sehen. „The time warp: the Civil War was yesterday, but 1960 is spoken of as if it were about three hundred years ago“, schreibt die Autorin an einer Stelle. Keiner möchte weggehen, wer weggeht, kommt irgendwann wieder. Jeden Tag aufs Neue ist alles, wie es immer war und wie es zu sein hat. True Stories hieß das bei David Byrne.

Die Frage ist, ob das alles wirklich „typisch Südstaaten“ ist. Ich glaube ja, man würde vergleichbare Typen auch in der Provinz von Ohio oder Pennsylvania finden. Und wohl auch in den Tiefen Niedersachsens oder Thüringens. Und 1970 ist wirklich schon lange her. Städte wie Atlanta oder Birmingham dürften sich seitdem verändert haben, auch die von der Autorin besuchte  „Ole Missi“, die Universität von Mississippi, wird nicht mehr die von damals sein.

Niemand würde auf die Idee kommen, die Zeitstimmung, die in deutschen Heinz-Erhardt-Komödien eingefangen ist, als typisch für das heutige Deutschland anzusehen. Sie zeigen aber die DNA deutschen Denkens. Und auf diese Weise zeigt Joan Didions Buch die DNA der USA.
 
 

Joan Didion:
South and West — From a Notebook
ISBN 978-0-525-43419-1
2018


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