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2022 26 Jul

Euphoria, die Zweite

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Wer meint, amerikanische Filme seien prüde, der hat Euphoria noch nicht gesehen. Junge nackte Frauen, die in den Pool kotzen, jede Menge Blut, jähe Gewaltausbrüche – okay, wer Quentin Tarantino kennt, die anarchischen Motorradrocker (sons of energy) oder Breaking Bad, der weiss: Tonnen von heinz tomato ketchup gehörten zur Staffage. Aber diese Menge an Penissen ist ist neu und arg gewöhnungsbedürftig dazu, weil: nicht jeder Mann’s Sache, ausgenommen natürlich das eigene Prachtstück. Immer wieder in den letzten Jahren, ja fast Jahrzehnten, konnte man feststellen, dass gewisse Fernsehserien Schallmauern durchbrachen: Dinge zeigten, die man so noch nicht gesehen hatte. Es hat sich also auch eine Art von Emanzipation innerhalb des Televisionären ereignet, indem gesellschaftliche Tabus thematisiert und ebenso überschritten wurden. Und auch das Formale hat damit Schritt gehalten: heutige Produktionen sind oft ein raffiniert synenergetisches Gesamtkunstwerk aus Erzählung, brillianten Bildern und Soundtrack. Vielleicht deshalb der grosse Hype um Euphoria, angeblich auf dem Podium der Publikumsgunst alleine noch von Game of Thrones verdrängt, was die Zuschauerzahlen betrifft. Nun ist dies aber keine Fantasy, eher Reality-TV, genau deshalb für unsereins der Grund, am Ball zu bleiben. Die Handlungsstränge sind, wie bei vielen anderen Serien auch, dabei gar nicht so wichtig. Vielmehr zeigt sich eine ureigene, stimmige Gesamtatmosphäre, die auch eine Tiefenschau von Seelen ist. Eine der Hauptfiguren, die irrlichternd schöne Jules, wird gespielt von Hunter Schafer, einer Transsexuellen. Als ich recherchierte, dass die junge Schauspielerin, aus gutem Hause kommend, der Vater Pastor, unter Dysphorie litt, googelte ich fragend, was das sei. Na klar: Dysphorie und Euphorie, live together in perfect … .  Dysphorie als Alternative zur Depression wäre ein Wort, das passte für manche Hölle in Jugendtagen (oder später), auf der Suche nach Identität abseits repressiver Normen. Auf diesem gut gedünkten Boden gedeiht jegliche Empathie, die dann auch Treibstoff wäre, sich mit Figuren zu identifizieren, mit ihnen mitzugehen, mitzufühlen. Wer zudem die fiebrig energetische Faszination, Teil eines Schauspielteams zu sein, aus eigener Erfahrung kennt, wird sich im Schlussakkord dieser Serie bestätigt sehen: auch hier findet sich Euphorie. Und er wird sich einmal mehr wundern über all diese jungen Akteure, die so glaubhaft ihre Rolle spielen, als seien sie es selbst.

2022 18 Apr

Euphoria

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Bekannt ist der Begriff vom „inneren Kind“. Schaut man sich die Serie Euphoria an, kommt man in Tuchfühlung mit dem „inneren Jugendlichen“: etwas kommt in Schwingung, das du selber warst, zum Teil. Du wirst teilhaftig, haftest an: Spiegelstadium. Auch ein Senior im Strom der Zeit erinnert sich, mit einem Restbetrag an Einbildungskraft begabt, wie weit der Zukunftshorizont einst war, wie bedrückend Ängste, Zwänge und wie gross die Lust an Selbstentdeckung. Das Biotop norddeutscher Jugendjahre unterschied sich allerdings von der heutigen high school reality der von Drogen, Sex und Internet affizierten Teenager in einem Vorort von Los Angeles, mit dem enormen Druck permanenter Selbstdarstellung. Leicht verfügbare Opiate und eine beständige Online-Parallelwelt via Smartphone waren auch nicht gerade Gegenstand eines Lebensgefühls, als man dereinst in Landkommunen beschaulich unter Apfelbäumen Bücher las, während aus strohdachgedeckten Bauernhäusern Klänge von Codona, John Martyn und Andreas Vollenweider kamen. In der Serie Euphoria ertönt vorzugsweise Hiphop-Musik, leichte Assoziationen zu Fellinis La Dolce Vita, zu Quentin Tarantino, diese typisch mit Eros und Gewalt vermengte dralle Bildästhetik, auch zu Stanley Kubrick kommen auf. Ein synergetischer Einklang aus Handlung, Charakteren, Optik und Soundtrack scheint mittlerweile Standard guter Serien zu sein. Ein durchgehender Handlungsstrang fehlt weitestgehend in Euphoria, Situationen und Sensationen spriessen ekstatisch auf wie Blüten, man berauscht sich an Momenten, teilweise überkoloriert wie visuelles LSD: eine Serie, die von Drogen handelt, und selbst wirkt wie eine solche. Man muss es mögen, vor allem aber muss man dort hinein gelangen. „Dieser Zugang ist allein für dich bestimmt!“ würde Franz Kafka sagen. Über dem Eingangstor stände in grossen Lettern „Empathie“ geschrieben.


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