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Archives: Dortmunder Geschichten

(1) Ich möchte den unbekannten oder bekannten Leser einladen, die beste Bäckerei des Universums aufzusuchen. Man kann das mit einem Kurzurlaub im östlichen Ruhrgebiet verbinden, wo die Menschen noch „woll“ sagen und Fussball echte Liebe ist. Das Domicil, das Tor zum Sauerland, die wilde Nordstadt, das Abenteuer des Unbekannten! Sie können mich auch als Reiseführer engagieren (ich bin als Life-Coach und ziemlich guter Entertainer allerdings recht teuer, kurz vor unerschwinglich). Jedenfalls kenne ich diese gute Stube seit Ewigkeiten, denn ich komme aus Dortmund, und die Bäckerei Fischer gibt es schon über hundert Jahre. Drei Tage hintereinander war ich nun früh morgens dort, um den Tag  mit dem legendären Salzkuchen mit Mett und Zwiebeln zu starten. Von früh an gehörte es zu meinen Spezialitäten als Liebhaber, morgens nach liebestrunkenen oder auch halb so wilden Nächten Brötchen vom Bäcker zu holen, sei es in Münster, Würzburg, Paris (da waren es Croissants), auf Borkum oder in Dortmund. Das mit dem Universum ist ein wenig übertrieben, genauso, wie die vielen erfolglosen Briefe, die dorthin (ans Universum) verschickt werden: aber es ist ein erstklassiger Familienbetrieb, mit passionierte Bäckerinnen (so wie es es hier passionierte Bloggerinnen gibt), und tollen Produkten. Hören sie sich also mal in Ruhe an was „Brötchen 009“ (so nennen seine Kumpel ihn) HIER zu erzählen hat.

(2) Meine dezenten Einschränkungen sind folgende: Spritzgebäck gehört zu den unbekannten Aphrodisiaka, die ich selbst weitaus besser herstellen kann (mit leichter Zitronennote). Ich erinnere mich, aber lassen wir das. Die normalen einfachen Brötchen sind umstritten: manche lieben sie in ihrer Bauhaus-Schlichtheit, andere nennen sie ein „knuspriges Nichts“, und man weiss nicht so genau, ob das ein sanfter Kritikpunkt ist oder unverhohlene Ablehnung. Ich finde sie 3+. Ich bin kein grosser Fan ihres Apfelkuchens mit Rührteig, aber sonst: die Brotspezialitäten, wow, das Bürli, das Dänenkäsebrötchen, das Müslibrötchen, das Dinkelbrötchen, alles ganz hohe Schule – und dann, oh mein Gott, die Zitronenrolle (letztere ist wirklich die beste des Universums), und der erstklassige Bienenstich, der hier „Friesenkuchen“ heisst! Was mich daran erinnert, dass die Nordsee wieder mal ruft. Den Chiemsee habe ich in Absprache mit Uschi (alles zwischen uns beiden begann, wie so vieles andere, im legendären ersten Statistikkurs für Psychologiestudenten im Wintersemester 1974/75, bei Herrn Rausche) auf das frühe Frühjahr verschoben. Mir fehlen die stürmischen Winde, das raue Meer, das Eisbaden, die Einsamkeit auf der Uwe-Düne morgens um 7. Und der Eiergrog beim Klavierdoktor! Aber bald – bald! („every repetition is a form of change“; Brian Eno, Oblique Strategies – Heraklit, Vorsokratiker)

(3) Nachspiel vom späten November 2011: Kleine Fluchten am Abend – das ist doch mal eine Gute-Nacht-Lektüre: „St. Ives“, der letzte Roman von Robert Louis Stevenson, wunderbar der Stil des alten Schotten, Abenteuer- und Liebesroman in einem (mit jeder Menge psychologischem Feinschliff), spielt zur Zeit der Napoleonischen Kriege. Früher, wusste Wondratschek zu berichten, begann der Tag mit einer Schusswunde, morgen früh allerdings mit  einer kühlen Orange auf dem Weihnachtsmarkt, ich sehe schon die lange Schlange vor der Bäckerei Fischer vor mir!  Wecken wird mich Kate Bush mit „Misty“, später plaudere ich mit der Bäckerin darüber, wie sie über die Jahre ihre Herzlichkeit hinter der Theke kultivieren. Geh, Michael, geh die vertrauten Wege noch einmal, am Sonntag dann eine melancholische Geisterstunde in den Klanghorizonten, Sounds, die zuweilen das Alltägliche in Windeseile drehen (diesmal habe ich „Dis“ ausgegraben, von Jan Garbarek, und, schau an, das griesgrauträumende Meer auf dem Cover!)


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