Innerhalb von vier Jahren waren also, zwischen Januar 1974 und Sommer 1977 (ten years, after the summer of love, Mr. Whistler!) die vier „Songalben“ von Brian Eno erschienen. Und, bei allem Respekt, hatte mich Roxy Music nur am Rande interessiert. In den ersten zwanzig Jahren eines Lebens ändert sich selbiges mitunter über Nacht, mit bestimmten Platten, später schafft das Musik nur selten. Die Tigerbergmusik war so ein Ding, wie Sgt. Pepper, eine Einstiegsdroge, und die Instrumentalalben verzauberten mich nicht weniger. Was aber die Songs angeht – da war, nach Ray und John und Paul, nach Neil Young und Leonard Cohen und Joni Mitchell und Robert Wyatt, eine neue Lieblingsstimme aufgetaucht, DIE Stimme, eingewickelt in fantastische Klänge.
Nun kam „der fünfte Streich“ (der mir gespielt wurde), das lange Schweigen der Stimme. Ich weiss heute noch, wie ich als Stadtkind, im einsamen Furth i. W., an einem trostlosen Kiosk, ein Interview von Harald InHülsen mit Eno las, der nach New York umgezogen war, und verkündete, keine Lust mehr an weiteren Songalben zu haben. Ich lebte mein erstes Psychotherapeutenleben an der tschechischen Grenze, und bekam ab und zu Besuch von einer Motorradfahrerin. Da fehlte etwas, alles Glück dünnes Eis, Heimat ein Wort aus dem Erdkundebuch, ich lebte in „a fucking village called Bergeinöden“, John Lennon wurde erschossen, und zwei Jahre lang lief eine sehr begrenzte Zahl an Schallplatten (Seelenfutter!) „on high rotation“, neben den üblichen Verdächtigen auch „Scary Monsters“, „Northern Song“ „Common One“ und „Colossal Youth“. Allison Statton war eine weitere Lieblingsstimme, die noch schneller verschwand als sie kam. Damals ging meine kolossale Jugend kolossal zuende. Crash & crack & break.
Im folgenden Jahrzehnt wurde ich zum Jäger der verlorenen Stimme, und fand mich damit zurecht, Eno als notorischen „background singer“ zu erleben. Das Highlight im Bayerischen Wald war natürlich „Remain In Light“, ab und zu dann hörte ich ihn bei U2, die mich musikalisch überhaupt nicht packten, ein pathetischer irischer Katholik war wirklich das letzte, was ich brauchte. Einmal sang Brian Eno einen Coversong für einen Jonathan Demme-Film („Ring of Fire“), viel kam da nicht zusammen, bis er, irgendwann nach London zurückgekehrt, beim Staubsaugen die Lust am Singen wiederentdeckte, und sich mit John Cale ein Album lang das Singen der Lieder teilte. Das war der eigentliche „fünfte Streich“, nach den vier bereits erzählten „Streichen“ der vier Alben aus den Siebzigern, das Album „Wrong Way Up“. Damals traf ich Brian zum zweiten Mal, es wurde ein sehr langes Gespräch über Songs und Stimmen und Kindheit. Eine schöne Pointe, dass er in den letzten Jahren fast so viel singt wie einst in jungen Jahren. Damit endet die kleine Textreihe der „fünf Streiche“ – Kristiansand is calling!