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Also, ist ja bekannt, dass wir in der DDR große Probleme hatten, an Schallplatten aus dem Westen ran zu kommen. Wobei, was Popmusik betraf, besserte sich ab den frühen Achtzigern die Lage, da es von manchen Künstlern und Bands Lizenzplatten gab. Natürlich nicht in Massen, aber mit Beziehungen war einiges möglich.

Ich hatte seit den frühen 70ern, neben der Musik, auch noch bei der Post als Zusteller gearbeitet, damals war das ein absoluter Knochenjob, im alten Prenzlauer Berg etwa gab es noch Häuser mit drei Hinterhöfen, sechs Seitenflügen und Quergebäuden – das alles bei Wind und Wetter, voll bepackt treppauf, treppab! Geld umd Rente wurden noch an der Wohnungstür ausgezahlt. Das hatte ich fast 25 Jahre gemacht, für Musiker war das fast ideal, von den Arbeitszeiten betrachet.

Dann hatte ich mich dort, um etwas Kraft zu schöpfen, drei Jahre als Pförtner betätigt, allerdings im Drei-Schicht-System; das hiess, ich konnte viele Bücher lesen, für die Musik arbeiten usw. Ich hatte in meiner Pförtnerbude ein Radio, und hörte nachts oft Rias (Walter Bachauer) DLF, SFB, oder auch Radio DDR 2, was unser Kultursender war, und da gab es durchaus viel Jazz und Zeitgenössische Musik.

Jedenfalls wurde in einer Nacht Brian Enos „Music for Airports“ im Westradio vorgestellt – die Platte war gerade erschienen, und ich glaube, eine Woche später gab es die Rückseite zu hören. Ich war absolut begeistert von Enos erster Ambient-Platte, völlig hin und weg!

Im gleichen Zeitraum sah ich bei einem Bekannten das auch gerade erschienene Buch von Joachim Ernst Berendt, „Nada Brahma“, was mich sehr verblüffte! Vieles, was ich dort nur kurz sah und las, das wusste und fühlte ich schon immer, doch hier wurde es mir nochmals dargeboten, schwarz auf weiss. Beides wollte ich mir besorgen (übrigens auch die LP, die du neulich erwähntest, mit dem „Gesang der Buckelwale“).

Damals war ich noch verheiratet und hatte zwei Kinder, und die Oma meiner Ex-Frau lebte in Westberlin in Schöneberg. Wenn sie uns besuchte, schenkte sie mir stets ein 5 DM-Münze, und genau so sparte ich mir Enos Platte und Berendts Buch zusammen.

Nun hatte ich als Pförtner eine Kollegin, die schon Rentnerin war und oft nach Westberlin fuhr zu ihrer Schwester. Also fragte ich sie, ob sie mir beides mitbringen könnte – beides stand in der DDR damals nicht auf dem Index. Sie hatte auch beides mitgebracht! Und als ich ihr dann mein gespartes Westgeld geben wollte,war es verschwunden! Da konnte nur ein Mensch dran kommen, aber lassen wir das…

Naja, Micha, du kannst dir ja denken, wie peinlich mir das war, dass ich die Sachen nun nicht bezahlen konnte, also habe ich Enos LP und das Buch dann 1:5 in Ostwährung hinblättern müssen. Das waren dann so 150 Ostmark, bei einem monatl. Verdienst von ca. 350 Mark haut das schon ins Kontor.

Und das blöde war auch noch, diese „Music for Airports“ war eine Fehlpressung, auf einem Stück ist ein richtiger Vinyl-Huckel, nun heißt die Platte ja auch „Musik for Airports“, und an der Stelle hebt die Nadel voll ab!

Aber dennoch, die Musik und Buch waren es mir letztlich wert, und ich liebe beides heute noch! Und auch sehr begeistert bin ich bis heute von der Ambient 2-Aufnahme, „Plataux of Mirror“! Ich liebe alle Ambient-Sachen von Eno, es ist stets aufs neue eine Überraschung, seine Musik zu hören, zu erleben – neulich war es die „Lux“ und dann „Plateaux“, es war, als wehte ein leichter Windhauch durch mein Studio.

 

Herzliche Grüße

Fred M

2016 15 Mai

Das Lied vom Tramper aus der DDR

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Ich bin nie in einem Trabi gefahren. Aber ich kenne ein paar Leute, die ihre Kindheit oder Jugend lang in diesen Autos aus Pappe gereist sind. Ich lernte S. in einem Schriftstellerseminar kennen. Zu den Treffen brachten wir unsere aktuellen Texte mit, kopierten sie mit Hilfe eines elend langsamen Kopiergerätes, lasen sie vor und diskutierten darüber. S sprach im Seminar nicht viel, deshalb konnte ich sie nicht so einschätzen wie sie mich. Einmal kamen wir näher ins Gespräch und sie lud mich zu sich zum Abendessen ein. Es war Januar oder Dezember und ein Wintereinbruch war vorhergesagt. Ich fuhr trotzdem mit dem Rad zu ihr und es begann tatsächlich wie verrückt zu schneien. Ihre Wohnung lag ganz oben, sie war unglaublich gemütlich beleuchtet und wunderbar verwinkelt, (in einem Autorenseminar würde man jetzt bemängeln, das sind zu viele Adjektive, vor allem sind es wertende Adjektive, die no-go sind, und keine beschreibenden Adjektive, die nach strenger Prüfung im Einzelfall erlaubt sind, und ich würde dann sagen, ich weiß das, aber ich will sie jetzt einfach trotzdem). S. zeigte mir alle Räume, und ich hatte so ein Gefühl von Nachhausekommen und dem Beginn von etwas. Sie hatte ein unkompliziertes Essen gekocht, das nebensächlich ist. Wir redeten über das Seminar, die düsteren Gedichtbände des Seminarleiters und wie sie in Bezug zu seinem Leben stehen könnten. S. schrieb ausschließlich Liebesgedichte, die zwischen Euphorie und Melancholie schwebten. Alle waren hingerissen von diesen Gedichten, die so wirkten, als ob sie einen autobiographischen Kern hatten, aber nicht ganz autobiographisch waren. S stammte aus Thüringen, die Wende hatte ihrem Leben eine völlig neue Richtung gegeben, ihre Ausbildung war zu nichts mehr zu gebrauchen. Sie fand die Stimmung im Westen sehr anstrengend, ständig hatte man sich darzustellen und zu definieren, vor allem beruflich. In der DDR hatte das keine Rolle gespielt, die sozialen Beziehungen waren völlig frei davon, man traf sich und erlebte etwas gemeinsam. Wir trafen uns öfter und begannen, unsere Texte außerhalb des Seminars zu besprechen. S lud mich zu ihrer Geburtstagsfeier ein, bei der auch viele ihrer Freunde aus der DDR waren. Ihr Bruder hatte seine Gitarre mitgebracht und sie sangen Lieder, die ich nicht kannte. Der Abschlusssong des Abends war eine Komposition ihres Bruders, das Lied vom Tramper aus der DDR, so geheim, dass es nicht verboten war. Und ich schob mein Rad den ganzen Weg zurück durch den leuchtenden Schnee.


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