Manafonistas

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Archives: Brasilien

 

Kultur und Temperament des Landes sind vertraut, in diesem Sprachklang hält man sich zu gerne auf. Brasilia, die futuristische, auf dem Reissbrett nach der Form eines Flugzeuges entworfene Stadt hat ein ganz besonderes Flair. Dort lebt auch Pedro Martins, wechselweise mit seiner Wahlheimat Los Angeles, in der seine Lebenspartnerin lebt, die Jazzsängerin Genevieve Artadi. So switchen sie zwischen zwei Metropolen, stets umgeben von jungen Künstlerfreunden, einem Pool junger Talente. Der nun dreissigjährige Gitarrist, Multiinstrumentalist, Komponist und Sänger galt früh als Wunderkind, begann bereits mit drei Jahren, sich für die Beatles zu interessieren, deren Songs für ihn die Basis seiner musikalischen Entwicklung waren. Abseits jeglicher Leistungsathletik hat seine Musik einen landestypischen, aber auch idiosynkratisch ganz eigenen Zauber, der vielfältige Anklänge erlaubt an die Musica Popular Brasileira. Milton Nascimento, Caetano Veloso, Djavan und Maria Bethania waren ja auch jene, die einst meine Sehnsucht weckten, dieses Land zu entdecken. Seit Joao Bosco vor mehr als fünfzehn Jahren sein unglaubliches Livealbum Obrigado Gente vorlegte mit einer Wahnsinnsband, zu denen Schlagzeuger Kiko Freitas, Gitarrist Nelson Faria und Percussionist Armando Marcal gehörten, hat mich brasilianische Musik nicht mehr so begeistert wie nun Pedro Martins frisch entdeckte Kompositionen und Performance. Wenn man etwas liebt, erkennt man sich auch darin wieder: es ist auch eigene Heimat. So wie einst die Diamanten (as pedras preciosas) auf dem Verkaufstisch eines Edelsteinhändlers am Marktplatz in Ouro Preto verheissend funkelten, so tun es nun die verspielt perfekten Songs des jungen Pedro Martins. Sie eröffnen Räume auch für die eigene Phantasie. Es war wie in einem selbstgeschaffenen Kopf- und Herzkino investigativer Recherche: ein Mix aus Flow und Grip ist das Interesse, wenn es denn Fuss fasst – und ab geht die Post. Da gibt es das Konzert mit der Frankfurt Radio Bigband, in dem sich die frühreife, ausgewogene Vielfalt seiner (auch gesanglich begleiteten) Kompositionen zeigt und Erinnerungen wachruft an Antonio Carlos Jobim in den kongenialen Orchestrierungen von Klaus Ogerman. Ein aufschlussreiches Gespräch mit dem Pianisten Pablo Held gibt interessante biografische Details preis, wie sie wohl nur Musiker untereinander austauschen können. Der Wunderknabe blickt leicht verpennt (weil wohl eine Nachteule) in seinen Laptop und plaudert los in typischer brasilianischer Lockerheit: beispielsweise seine ersten Treffen mit Kurt Rosenwinkel schildernd, seinem vertrauensvoller Förderer und Mentor. Gemeinsam absolvierten sie eine Welttournee in dessen Caipi-Projekt. Noch nie habe ich einen brasilianischen Gitarristen erlebt, der so viele unterschiedliche Facetten von Musik in so virtuoser Form vorträgt, dabei die vielfältige hybride Tradition mit dem Horizont der Digital Natives verbindend, die früh globale Vernetzung als selbstverständlich sehen und in vielen Musikstilen beheimatet sind. Allein der eigentümliche und höchst delikate Sound seiner E-Gitarre eröffnet einen eigenen Kosmos. Dazu singt er noch, auf Rosenwinkels Anregung hin stellte er sich der Herausforderung, eigene Lyrics zu schreiben: the birth of a singing songwriter. Die Gitarre klingt zuweilen nach Cavaquinho, kleine Fingerstreiche lassen sekundenweise Sitarklänge erklingen und die Kompositionen führen in Alices Wunderland. Man kann hier zuhauf Nuggets finden im Internet, wenn einen erst die Neugier treibt. Und hoffen, dass eine ihn in kommerzielle Bahnen lockende Plattenindustrie bis auf Weiteres verschont und er das Basteln kleiner Kastanien-Männchen dem groß herausposaunten Mainstream vorzieht. Diese Musik erzählt Geschichten: die seines Landes, seiner Welt und auch seiner Generation. Sie klingt wie Neuland, klingt wie Hoffnung und eine sanfte Brise schwingt immer mit.

 

2024 22 Feb

clipes da semana

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2022 26 Okt

canção do dia

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2022 5 Aug

Borghetti & Yamandú

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2022 11 Feb

song of the day

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Steve Gadd – Larry Goldings:

„No More Blues / Chega No Saudade“

 
 

2022 21 Jan

Ein Morgen im Pelourinho

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An diesem Vormittag war es in der Altstadt von Salvador im brasilianischen Bundesstaat Bahia besonders heiss. Der Karneval war vorbei, trotzdem Trubel in der Cidade Alta, dem afrikanisch geprägten Stadtteil, in dem es vor Zeiten noch Sklavenhandel gab. Die Sonne brannte und die Luft war seltsam stickig schon am Morgen. Es dröhnten Ghettoblaster, ja sie krähten geradezu schrill aus nahezu jedem Fenster der alten barocken Häuserfassaden. An einer Strassenecke tanzten Capoeira-Tänzer Flick-Flacks, begleitet von Congas, Bongos und Berimbau. Bewundernswert durchtrainierte Körper, ehrfürchtiges Staunen. Peter hatte auf dem Randstein des grossen Brunnens Platz genommen, inmitten des historischen Zentrumplatzes, um erst einmal Orientierung zu gewinnen, so früh am Tag. Eine junge Prostituierte setzte sich zu ihm, er kannte sie vom Sehen, sie wohnte unweit seines Hotels am Praça da Sé. Die beiden beobachteten das Treiben ringsum und plauderten, soweit sein holpriges Portugiesisch es zuliess, begleitet vom Plätschern der Fontäne des Brunnens. Er zog es dann aber vor, der verlockenden Einladung dieser hübschen Mulattin nicht zu folgen, mit auf ihr Zimmer zu kommen. Am Ende ohne Hose dastehen und schlimmer noch: auch ohne Schecks und Passport? Das erste Mal auf einem anderen Kontinent, wollte er sich lieber nicht gleich zum Idioten machen. Ausserdem war da seine Freundin Monica, auch wenn es gerade kriselte. So schlenderte er ein wenig ziellos weiter. Vielleicht links hinunter nun, den bekannten Weg, dann mit dem Fahrstuhl herab zum Mercado Modelo? Direkt vor vor ihm diese prächtige Kathedrale, die Tür der Kirche stand offen, der Innenraum lockte mit Stille und Kühle. Eine kleine Gemeinde hatte sich zur Andacht versammelt, die vorderen Plätze waren gefüllt. Peter setzte sich behutsam in die Bank dahinter, nahm kontemplierend teil. Nach dem Gottesdienst erhob sich die Dutzendschar der Einheimischen, die Reihe vor ihm drehte sich geschlossen zu ihm um, nacheinander reichte man ihm freundlich die Hand. Voller Erstaunen fühlte er sich angenehm geerdet und gar nicht wie ein Tourist aus Europa: man hiess ihn hier auf wohltuende Weise willkommen. Am gastfreundlichsten waren jene, die wenig hatten, das lernte er auf dieser Reise immer wieder kennen. Und wo man am wenigsten „ich“ war, dort kam man oft unverhofft zu sich. Er trat vor die Kirchentür, blinzelte in die Sonne, eine Brise wehte vom Meer her. Der Tag hatte eine frische Färbung bekommen.

 

 

Ein Blick aus dem Fenster in den regenverhangenen Himmel signalisiert: bleibe besser im Haus, setze dich hin … und schreibe eine Notiz zu Vinicius Cantuaria! Konzerte mit diesem Musiker, der aus Manaus stammt, in Rio aufwuchs und mittlerweile in der Musikerszene New Yorks seine zweite Heimat fand, waren immer eine Delikatesse gewesen. Als Sideman gab er der Performance jeweils die besondere Note. Musik und Rhythmus stecken ihm im Blut – auf subversiv anstachelnde und gleichsam melancholische Weise, wie das für brasilianische Klänge nicht ungewöhnlich ist: tristeza nao tem fin – die Traurigkeit nimmt kein Ende. Cantuaria gehört zu jenen, die aus dem Fundus der Vielfalt heimischer Traditionen greift, um sie zu veredeln. Sein Gitarrespiel ist sehr rhythmusbetont, seine Gestalt hat etwas Diabolisches dabei, wenn er spielt, singt oder trommelt – und er scheint dabei auf der Spur zu sein nach einer Lücke, die der Teufel lässt.

 

Vinicius Cantuaria: „Look the Sky“ (from the album Horse and Fish ©2009)

 

2012 23 Jul

Upa!

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„Virge! Que coisa mais linda!“ müssen die Passanten ausgerufen haben, als sie 1969 eine singende brasilianische Schönheit in ihrer Stadt erblickten. Elis Regina in London, was für eine schöne Sache. Noch schöner: ein Dokument dieser Begegnung ist jetzt bei Soul Jazz Records wiedererschienen – fully remastered, featuring complete original artwork.

In Brasilien werden Musiker wie NationalheldInnen gefeiert. Elis Regina ist eine von ihnen. Was ihren Mythos noch steigert, war ihr früher Tod. Mit sechsunddreissig Jahren wurde sie Opfer der Unverträglichkeit von Kokain, Alkohol und Benzodiazepam.

Ihr Gesang hatte eine exzessive und später auch dunkle Note, und gab dem oftmals recht handzahmen Bossanova ein radikales Flair, das ich sehr, sehr schätzte, als mir 1986 erstmals ihre Musik offenbart wurde. Besonders in Erinnerung ist eine Aufnahme ihres furiosen Auftritts beim Montreux Jazz Festival, durch das sie wie ein Feuerwerk fegte.

Gut zwanzig Jahre lang prägte die Militärdiktatur das Land, von 1964 bis 1985. Natürlich war die Musica Popular Brasileira auch eine Bewegung gegen das Regime – zu ihnen gehörten Chico Buarque, Caetano Veloso, Gilberto Gil, Gal Costa … und Elis Regina. Trotz kritischer Worte („ruled by gorillas“), das Gefängnis blieb ihr erspart: sie war zu populär.

Wer könnte dem auch widerstehen: „Patapa tri tri tri tri – tri Badabá!“

 

Upa Neginho – Elis Regina/ Komp. Edu Lobo

 

2012 7 Jul

Nana Caymmi

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A Film by Georges Gachot

Bereits in frühen Jahren wurde die brasilianische Sängerin Nana Caymmi mit der musikalischen Tradition ihres Landes vertraut. Eine Hommage an Brasiliens musikalische Ikone. Sie ist die Tochter des bekannten Komponisten Dorival Caymmi, war Kindheitsfreundin des Pianisten Nelson Freire und die Muse des Komponisten, Sängers und Instrumentalisten Milton Nascimento. Außerdem war sie mit dem Musiker und Politiker Gilberto Gil verheiratet. Doch die Sängerin hat das musikalische Erbe nicht nur angetreten, sondern führte es als eigenständige Musikerin fort. Sechs Jahre lang begleitete der Schweizer Filmemacher Georges Gachot die 1941 in Rio de Janeiro geborene Sängerin in ihrer Heimat Brasilien. Die Aufnahmen führen mit sehr persönlichen Begegnungen in die melancholische Welt Nana Caymmis. Gespräche mit brasilianischen Musikgrößen wie Maria Bethânia und João Donato erlauben eine weitere Annäherung an die Karriere und Kunst der Sängerin. Anhand von Archivaufnahmen erzählt der Film auch ein wichtiges Kapitel der Musikgeschichte Brasiliens. (3Sat)

 

2012 18 Mrz

João Bosco – ein Sänger aus Minas Gerais

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João Bosco hat über die Jahre hinweg auf einem spannenden Entwicklungsweg Verblüffendes hervorbracht. In einer Mischung aus afrikanischen, arabischen, fusion-jazzigen, stimm- und rhythmusakrobatischen Elementen – und der dazu gehörigen Portion Bossa Nova e Samba, zauberte er ein Gesamtwerk, das bei einer Konzertaufzeichnung in São Paulo im Jahre 2006 seinen reifen, meisterlichen Höhepunkt fand: „Obrigado, Gente!“ – mit hervorragenden Begleit- und Gastmusikern an seiner Seite.

Die Songs des Sängers stehen auch in der Tradition versierter brasilianischer Gitarrenkunst (Baden Powell, Gilberto Gil). Sie sind grossenteils in Zusammenarbeit mit dem Dichter und Psychiater Aldir Blanc entstanden. Märchenhafte und tiefenpsychologische Bilder verbinden sich mit Alltagsgeschichten, eine üppige Sprache verwebt sich mit Strassen-Slangs

In Boscos Heimat Minas Gerais, dort wo man Edelsteine (pedras preciosas) findet und verkauft; in den Gassen Ouro Pretos mit barocken Kirchen, Häuserprachten; in einer atemberaubenden bergigen Landschaft; wo die Mittagshitze brennt wie in einem Western on high noon – dort träumt man gerne auch mal vor sich hin.

Ein Lied aus João Boscos aktuellem Album ist das meditativ-minimalistische und afrikanisch akzentuierte „Tanajura“, im Sieben-Achtel-Takt, mit wunderbar dezenter Perkussion. Der Titel der CD verkündet: Não Vou Pro Céu, Mas Já Não Vivo No Chão – „Im Himmel bin ich noch nicht angelangt, doch aus der Gosse bin ich raus“. Das ist wohl weniger biografisch als vielmehr humorvoll und emphatisch gemeint. Doch es stimmt: so manche Vergangenheit sollte man besser hinter sich lassen. Der Himmel hingegen kann warten. 

 

João Bosco: ”Tanajura”


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