In der frühherbstlichen Stimmung der letzten Woche gemütlich eingelümmelt vor dem Bildschirm folgte ich spätabends mal wieder den Spuren der Kunst (Prägung, Interesse und permanente Witterungsaufnahme sind hier irreversibel). Zwei Maler waren es, die unterschiedlicher nicht sein könnten und anhand derer man einen Zwiespalt ausmachen kann: Markus Lüpertz und Wolfgang Beltracchi. Wenn nämlich Letzterer sagt, man müsse für das, was sich heute Kunst nenne und sich weder auf Tradition noch auf handwerkliches Können („Vermögen“) stütze, sondern Betätigung sei im Sinne von kreativer Entfaltung und Ego-Performance, einen neuen Namen finden. Beltracchi, der Kopist und Maler ohne Eigenschaften: es sei ein genetischer Defekt, dass er in der Lage sei, sich in die Haut und in die Zeit eines jeden Künstlers hineinzuversetzen. Er berichtet von Zeitreisen in die Historie und ich bekomme eine Gänsehaut. In gelenkten Träumen nachts gehe er auf Wanderschaft, aber lustig sei das nicht: sehr laut und überall üble Gerüche. Ich freue mich jetzt schon auf die geplante Netflix-Serie dieses spannenden Lebensweges. Was der Kunst-Kopist aber nicht abdeckt, hat Kollege Lüpertz um so mehr drauf: sich abrackern in einem schöpferischen, mühevollen und authentischen Findungsprozess, mittlerweile am Stock humpelnd, weil keine Zeit und Lust für eine Knie-OP. Die Kraft des Kunst-Schaffens scheint so gross, dass selbst ein kaputtes Knie zur Nebensache wird. Insofern könnte man jede Hypochondrie auch als Mangel an Lebenssinn interpretieren. Eindrucksvoll auch der Einblick in Lüpertz‘ Malklasse, wo der Meister die Versuche seiner SchülerInnen unter die Lupe nimmt. Ein Deja-Vu, weil: habe ich selbst erlebt als Student. Diese Sicherheit, zu erkennen, was nicht stimmt, wo der Holzweg ist, wo man sich was vormacht. Wie sagte mal ein Prof zu mir: „Wie’s kömmt, so’s frömmt.“ Aus Narzissmus und Idealismus heraus ist noch nie ein gutes Bild entstanden. Ohne eine gewaltige Passage von Frustrationen wird niemand jemals Bildender Künstler. Wenn ich Lüpertz sehe, kriege ich aber wieder Bock zu malen: Wucht, Farbklang, Formkraft. Wen wundert’s: der Mann ist auch gut in Schrift und Wort, zudem musiziert er am Flügel öffentlich mit professionellen Jazzern wie Manfred Schoof („Der direkteste Weg zum Glück“). Und Belzebub Beltracchi, Kunstfälscher im Ruhestand, signiert nun mit eigenem Namen, nach reumütiger Knast-Erfahrung. Gefragt, was er verdiene: er mache ja nicht mehr viel, höchstens fünfzehn Bilder im Jahr. Und? Hunderttausend bis eine Million. Pro Jahr? Nee, schon pro Werk.