Dieses alte vergilbte Adress-Register ist mir vor wenigen Tagen in die Hände gefallen. Dass es noch vorhanden ist, hätte ich nicht gedacht. Freilich habe ich darin geblättert und unter den vielen, längst nicht mehr passenden Adressen und Telefon-Nummern, einige gefunden, die – wenigstens mir – eine kleine Geschichte erzählen. Ich klappe auf bei Buchstabe E.
Darin steht die immer noch aktuelle Telefon-Nummer des Café Einstein, darunter die private Nummer von Walter Bachauer. Hm, ich war ganz selten in Berlin, im Café Einstein nur ein einziges Mal. In Kronach kannte man das Café Helbig, aber das Berliner Café Einstein doch nicht! Ich wusste von seiner Existenz aus Bachauers RIAS-Sendungen Musicarium und Avantgardemagazin. Ja, ich erinnere mich, ich muss im Einstein wohl nach Bachauer gefragt haben. Man hat meine Adresse notiert und mir über viele Jahre das Kultur-Programm des Caféhauses zugesandt.
Der Name des Hauses hat weder etwas mit dem Physiker Albert Einstein noch mit dem Berliner Schriftsteller Carl Einstein zu tun. Er wurde gewählt in Anlehnung an Philip Glass’ Oper Einstein on the Beach. Das habe ich in einem Buch über die Geschichte des Kaffeehauses gefunden (Autorin Kirstin Buchinger). Zudem habe ich die Tage Internet-Suchportale befragt. Bei Focus Online wurde ich fündig.
So richtig alt ist das Café Einstein in Berlin gar nicht. Aber wer die Villa aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts betritt, wird sofort in die Ära der großen Kaffeehäuser in Wien versetzt. Eine Zeit, als Künstler und Intellektuelle in Cafés heiß die neuesten Nachrichten diskutierten und man ungestört ganze Tage dort verbringen konnte – wohlgemerkt ohne den Druck, ständig ein neues Heißgetränk bestellen zu müssen.
Dabei ist das Einstein eher das Zufallsprodukt eines Spaziergangs. Die Legende geht so: Das Ehepaar Ursula und Walter Bachauer aus Graz spazierte in den 70er-Jahren die Kurfürstenstraße entlang und verliebte sich in die verwahrloste Villa, dem einstigen Haus des Stummfilmstars Henny Porten. Der letzte Besitzer dieser Residenz war ein jüdischer Bankier gewesen, der sich angesichts der drohenden Enteignung umbrachte. Und weil das geteilte Berlin keine guten Cafés besaß, kaufte das Paar zusammen mit einem dritten Österreicher das Haus, renovierte es liebevoll und eröffnete ein Kaffeehaus. Stilecht mit lederbezogenen Bänken, Thonet-Stühlen, Marmortischchen auf gusseisernen Dreifüßen und einer langen Theke wurden die hohen, lichten Räume ausgestattet.
Leider habe ich keine der Veranstaltungen im Café Einstein besucht. O ja, da gab es viel zu versäumen, etwa Terry Riley. Ein paar RIAS-Mitschnitte sind mir geblieben …