Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Im Banne des Musculus constrictor cerebri: Der Testsieger, Double-Take. Wir holen aus Allem das Beste raus. Besonders aus Dir. Void, big void. Hat da wer Weiterentwicklung gesagt? Triff Dein Zunkunfts-Ich! Wir wollen, dass ihr den Richtigen findet. Oder gleich Viele. Doppelgänger. Wo bist Du, schöner Unbekannter? Ein netter Begleiter? Erzähl mir, was Du weißt! Der hippe Chinese sonnt nur seinen Rücken und träumt von Manifestation. Die Magie von Freiheit, Luxus und Eleganz. Porn. It‘s just porn, Mum.

 
 

 
 

Food Porn? Or a seriously better trip? Cannibal‘s Delight. The World‘s one and only finest chopped Brain Masala – hot and spicy. Cast the net and look out for your world wide favourite Brain Masala receipe. I‘m not kidding, dear reader. Just say hello to a bright future and excessivly enjoy your personal Brain Masala till your darkest expectations have exceeded.

Note: May contain nature-identical happiness hormones and several strong mascones. Excessive intake can lead to spontaneous mutations.

 

2024 30 Mai

Japanese Jewels (22) Double Take: Kuniko

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Movement 0 – Prelude
 

Eine junge japanische Ausnahmeperkussionistin reiste einst nach Belgien, um mit dem Ensemble ICTUS Stücke von Steve Reich aufzuführen. Ihre extreme Präzision, die selbst mit Schlagzeugern wie Jaki Liebezeit und Billy Cobham, die den Ruf hatten selbst ein Metronom an die Wand spielen zu können, problemlos mithalten kann, und ihr elegantes und leichtes Spiel prädestinierten sie in besonderer Weise für die Musik Steve Reichs. Als dieser sie bei Proben und Aufführungen erlebte, war er tief beeindruckt von ihrer Spielweise. Seine komplex rhythmische Musik ließ sie aber nicht mehr los und als sie sich nach einer längeren Phase des Tourens mit dem Ensemble ICTUS ihrer Solokarriere zuwandte, waren Kompositionen Steve Reichs die Ersten auf ihrer Agenda. Dazu mussten sie aber neu arrangiert werden, da Kuniko Kato die Idee hatte, diese Ensemblestücke auch solo aufführen zu können. In enger Rücksprache und unter Supervision mit Steve Reich gelangen ihr kongeniale Interpretationen, die ein neues Licht auf die Kompositionen werfen und sie in beeindruckender Weise transparent, ja fast luzide aber auch kraftvoll erscheinen lassen. Immer wieder erhielt Kuniko Kato für ihre einzigartige Performance bedeutsame Preise und Auszeichnungen.

 
 
 

 
 
 
Movement I – Fast
 

2011 erschien dann ihr Debütalbum Kuniko Plays Reich mit höchst originellen, atemberaubenden Interpretationen von Electric Counterpoint für Steel Pans, Vibraphon und Marimba, Six Marimbas Counterpoint und Vermont Counterpoint für Vibraphon. Hierbei spielte sie sämtliche Parts vorab auf Tapes ein, um dann die Soloparts live dazuspielen zu können. Die entspannte Präzision und rhythmische Stringenz trägt mit höchster Konzentration und tänzerischer Leichtigkeit durch diese komplex polyrhythmischen Stücke, die Synkopen und Phasenverschiebungen, die schon für jedes Percussion Ensemble zu den schwierigsten Herausforderungen moderner Musik gehören. Ein Debüt, das Maßstäbe gesetzt hat und bis heute solitär unter den Interpretationen der Musik Steve Reichs dasteht.

 
 
Movement II – Slow
 

Danach wendete sie sich zunächst der Musik Arvo Pärts zu und versteckte aber auf dem Album Cantus ihre Version des New York Counterpoint und spielte 2018 dann Drumming (hier auch visuell sehr eindrucksvoll: live zu Steve Reichs 85. Geburtstag) ein. Dazwischen lagen ein Tribut an den japanischen Komponisten Akira Miyoshi und perkussive Annäherungen an Iannis Xenakis und mit Solo Works For Marimba an Johann Sebastian Bach.

 
 
Movement III – Fast
 

Doch die Kompositionen Steve Reichs sind nahezu prädestiniert für eine so originelle und talentierte Musikerin wie Kuniko Kato und ihre Kreativität im Umgang damit scheint keine Grenzen zu kennen, zumal der Komponist selber zwar recht präzise Vorstellungen vermittelt, aber auch immer wieder positiv überrascht vom Ideenreichtum Kuniko’s ist. So erschien Ende April Kuniko Plays Reich II, das mit Four Organs eröffnet wird, bei dem über das ganze Stück ein und derselbe Akkord mit unterschiedlicher Akzentuierung und zunehmender Länge in Begleitung einer ganz regelmäßigen Maraca intoniert wird, was bei den ersten Aufführungen zu heftigen Tumulten führte, da das Publikum sich durch die schlichte Einfachheit offensichtlich provoziert fühlte. Ein Stück, das aber in sensibler Weise den Übergang von perkussiv gedachten Orgeltönen in einem graduellen Prozess zu fast ambienthaften langsamen Schwebungen durchläuft und bei jedem Hören zu neuen Entdeckungen anregt. Dann folgen Piano Phase version for Vibraphone, Nagoya Marimbas und das Mallet Quartet als jüngstes Stück, die durch die von Steve Reich als maschinenhaft beschriebene graduelle Phasenverschiebung eine subtilste Lebendigkeit und Vitalität gewinnen und die Aufmerksamkeit bis in die letzte Minute hinein bannen. Steve Reich hat als ausgebildeter Perkussionist die Minimal Music am tiefgründigsten in ihren rhythmischen Potenzialen ausgelotet, die trotz scheinbar vordergründiger Monotonie eine maximale hypnotische Kraft entwickelt. Kuniko Kato hat mit ihren überragenden und zutiefst faszinierenden Interpretationen diese Musik in neue Dimensionen gehoben.

 
 
 

   

 

2024 19 Mai

Opus

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Stille. Der schwarze Yamaha-Flügel steht verlassen da, davor ein leerer Klavierhocker und eine Stehlampe, die jetzt ins Leere strahlt. Gerade eben bewegten sich noch die Tasten des Flügels wie von Geisterhand bewegt, ohne Spieler, aber das Spiel geht weiter. Das letzte Konzert, leise und sehr intim. Nicht mehr vor anwesendem Publikum, denn dafür hätte die Kraft nicht mehr gereicht. Schwarz-weiß, ein Spiel mit Licht und Schatten, mit Perspektiven und Reflexionen auf der blanken Oberfläche des Konzertflügels, eine große Diskretion und eine Liebe zum Detail, der den Pianisten noch einmal ganz nahe heranholt. Die hagere Gestalt, die konzentrierten bis angestrengten Gesichtszüge, ganz fein und die großen Augen hinter der Brille. Die Hände, die zwischen den Stücken in fragile Gesten fließen. Die Hände, die in geübten Bewegungen über die Tasten gleiten, mit dem scheinbar geringsten Aufwand die bekannten Stücke spielen. Impressionistisch, manchmal ganz ruhig romantisch mit feinen japanischen Untertönen, so verschieden die Stücke aus allen verschiedenen Schaffensphasen einmal gewesen sind, so ähnlich sind sie nun bei dem leisen Finale, formal verhalten und auf eine sehr subtile Ebene gebracht. Man spürt das Abschiednehmen, das Andächtige, das, was es noch zu sagen gäbe. Man sieht das Scheitern, wenn die Konzentration einbricht, die Müdigkeit den Pianisten einholt, er die Brille absetzt, sich vorsichtig über das Gesicht streicht, man sieht die leise Freude wenn eine Passage gelingt. Vielleicht wäre diese Nähe, diese leise Intimität nie möglich geworden, wenn nicht der Sohn des Pianisten, Neo Sora, die Regie geführt hätte, seinem Vater in diesem Film ein künstlerisches Denkmal gesetzt hätte. Ryuichi Sakamoto starb am 28. März 2023 und mit diesem Film gelang es mir wirklich Abschied von einem Musiker, der mich Jahrzehnte meines Lebens begleitet hat, zu nehmen. Danke!

 
 
 

 
 
 
Playlist:
 

  • Lack of Love
  • BB
  • Andata
  • Solitude
  • for Johann
  • Aubade 2020
  • Ichimei – small happiness
  • Miau no Naka no Bagatelle
  • Bibo no Aozora
  • Aqua
  • Too Pong
  • The Wuthering heights
  • 20220302 – sarabande
  • The Sheltering Sky
  • 20180219 (w/prepared piano)
  • The Last Emperor
  • Trioon
  • Happy End
  • Merry Christmas Mr. Lawrence
  • Opus – ending

 

2024 11 Mai

All Life Long

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Fahles Licht fällt durch die staubigen Fensterscheiben der Chapelle Notre-Dame-de-L’Immaculée-Conception. Die Zeit ist längst stehen geblieben als sich die Stimmen des kleinen Chors erheben und sie sollte für lange verloren bleiben. Passage Through The Spheres erinnert gleich am Anfang an die Polyphonien der Spätrenaissance, aber aus der Zeit gefallen, langsam bis an die Grenzen des Atems gezogen und des Sakralen in seiner Schlichtheit beraubt, in unfassbarer Schwere schwebend. Die schwedische Komponistin Kali Malone wechselt auf Ihrem Album All Life Long die Atmosphären zwischen Chor, verschiedenen historischen Orgeln, die durch ihre umhüllende Wärme betören und einem Bläserquintett ohne je diese getragene Stille, die schon ihr Album Living Torch in ergreifender Tiefe getragen hat, auch nur einen Augenblick zu brechen. Die Orgelversion von All Life Long endet so viel langsamer als das ebenfalls als Chorversion dargebotene Stück mit einem minutenlang gehaltenen warmen Orgelakkord, der jede zeitliche Wahrnehmung seiner Grundlage beraubt. So sind die Orgelstücke, oft gemeinsam mit Stephen O’Malley eingespielt sehr viel langsamer als die schon entgrenzenden Vokal- oder Bläserversionen, die noch die Banden des unendlich getragenen Atems in sich tragen. Doch selbst diese werden in der Umkehrung wie in Retrograde Canon durch undefinierbare Hebungen und Schwebungen einer virtuellen inversen Zeitdilatation – je scheinbar langsamer, umso weiter wird der Raum – unprätentiös und konsequent unterzogen. Bei den Orgelstücken wird dieser Effekt durch die Verwendung historischer Orgeln in Meantone-Stimmungen noch besonders verstärkt, die im Gegensatz zu der bei uns inzwischen üblichen temperierten Stimmung, Zwischenräume und diskret entfremdete Harmonien entstehen lassen, die scheinbar unendlich lange stehen bleiben und  in nicht mehr definierte Zeiträume führen. So endet das Album dann konsequenterweise auch mit einer Unification Of Inner & Outer Life, einem Punkt ohne Wiederkehr in der absoluten Zeitlosigkeit. Seit dem Frühwerk Arvo Pärt’s habe ich keine Musik mehr gehört, die so eigenständig und verhalten intensiv in eine absolute und tief berührende Stille hineinführt. Eine wunderschöne dunkle Rose im Schnee …

 
 

 

2024 16 Feb

New Blue Sun

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Lautlos schieben sich die Blätter des virtuellen Dschungels auseinander und ein paar Augen mit länglichen Pupillen werden im phosphoreszierenden Dunkel sichtbar. Hyperfuturistisch archaische Flötentöne und scheinbar zufallsgenerierte Trommeln schlagen durch den aufkommenden Nebel. I Swear, I Really Wanted To Make A „Rap“ Album But This Is Literally The Way The Wind Blew Me This Time bekennt der Musiker während die milchsonnigen Blätter zu hyperboliodem Staub zerfallen und ein pulsierendes Licht sich zwischen den knorrigen Stämmen hindurchschlängelt. Leise unaufdringlich und dennoch ganz nah The Slang Word P(*)ssy Rolls Off The Tongue With Far Better Ease Than The Proper Word Vagina. Do You Agree? Kein Ausweichen, der virtuelle Dschungel ist tief, die Songtitel bizarr, plakativ und anschaulich und der verhaltene Beat würde in jedem Rap-Song bestens als Intro oder Bridge funktionieren. Aber diesmal stand der Wind anders, weiter in das Weglose hinein. That Night In Hawaii When I Turned Into A Panther And Started Making This Low Register Purring Tones That I Couldn’t Control … Sh¥t Was Wild. Die Glühwürmchen schimmern in zunehmender Größe wie helle Lampions, drängen sich in das Bewusstsein, öffnen sich weit in die vermeintliche Monotonie der Virtualität und lassen Geister der Parallelwelt ihre fließenden amorphen Tänze in leuchtenden kortikalen Bahnen, die nach warmem, feuchten Boden riechen und den Hörer freundlich umschließen, irgendwo im Zeitlosen durchschweben. Dreams Once Buried Beneath The Dungeon Floor Slowly Sprout Into Undying Gardens. Exzellente Fourth World Music, da gibt es nicht mehr zu sagen, nur zu hören!

 
 

2024 11 Feb

Ein Rückblick auf 2023

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Das Jahr 2023 war spannend und es ist viel passiert. Nicht nur hier auf dem Blog, sondern auch in der Kulturwelt. Es entstanden viele wunderbare und innovative Klänge und Ideen, so dass ich hier nur eine kleine, sehr subjektive Auswahl präsentieren will, von denen aber jedes Album, jedes Buch eine besondere Rolle für mich gespielt hat. Besonders berührt hat mich Ryuichi Sakamoto’s 12 als letzte Skizzen, die doch so vollendet erscheinen, vor seinem Ableben. Immer wieder habe ich über ihn geschrieben und er war musikalisch ein wichtiger Begleiter über wenigstens vier Jahrzehnte. Seine Musik hat mir das Tor zur japanischen Pop- und Ambientmusik mehr geöffnet als jeder andere japanische Musiker.

Von meiner Bestenliste will ich drei Alben noch einmal besonders hervorheben: Da ist einmal die englische Percussionistin Bex Burch, die mit ihrem überwiegend in Chicago eingespielten Debütalbum ein beeindruckendes und sensibles, tiefgründiges Werk vorlegt. Dann ist da Volker Bertelmann a.k.a. Hauschka, der mit Philantropy seinen schon auf früheren Alben eingeschlagenen Weg in der Arbeit mit präparierten Konzertflügeln eine höchst eigenwillige Musik zu kreieren konsequent fortsetzt. Man hört hier die jahrelange Erfahrung in der Produktion von Filmmusik, für die er ja auch 2022 einen Oskar (Im Westen nichts Neues) erhielt. Seine Klangräume sind bilderzeugender, intensiver, cineastischer, ohne dass die Musik in Eigenwilligkeit und Originalität auch nur die geringsten Abstriche zeigen würde. Wunderbar. Und schließlich gibt es eine Reunion (ich stehe Wiedervereinigungen alter Bands gerne skeptisch gegenüber, weil das Reproduktionsbedürfnis hinsichtlich des alten Oeuvres meist verstörend hoch und die innovative Qualität oft eher bescheiden ist) der Krautrockband Agitation Free, die sich nur mit einem neuen Bassisten und sonst in alter Besetzung, neu erfinden und Raum für die zwischenzeitlichen musikalischen Entwicklungen der einzelnen Bandmitglieder gibt. Ein überraschendes, komplexes und vielschichtiges Album im Flow des Augenblicks – Momentum.

 
 

    1. Ryuichi Sakamoto – 12
    2. Biosphere – Inland Delta
    3. Brian Eno – Top Boy
    4. Bex Burch – There’s Only Love And Fear
    5. Midori Takada & SHHE – MSCTY V&A Dundee
    6. Hans Joachim Roedelius/Arnold Kasar – Zensibility
    7. Vince Clarke – Songs Of Silence
    8. Hauschka – Philantrophy
    9. Agitation Free – Momentum
    10. Fabio Anile/Stephan Thelen – Music For Piano And Strings
    11. Kayhan Kalhor/Toumani Diabate – The Sky Is The Same Colour Everywhere
    12. Ami Dang – The Living World’s Demands
    13. Eivind Aarset & Jan Bang – Last Two Inches Of Sky
    14. The Gurdjieff Ensemble, Levon Eskenian – Zartir
    15. Fred Again.. & Brian Eno – Secret Life
    16. Sonar – Three Movements
    17. The Pitch & Jules Reidy – Neutral Star
    18. African Head Charge – A Trip To Bolgatanga
    19. Raz O’Hara – Tyrants
    20. Nils Økland/Sigbjørn Apeland – Glimmer
    21. Craven Faults – Standers
    22. Sebastian Rochford/Kit Downes – A Short Diary
    23. Alva Noto – Kinder Der Sonne
    24. Kai Schumacher – Tranceformer
    25. Ensemble 0 – Jojoni (Made To Measure, Vol. 49)
    26. Laurel Halo – Atlas
    27. John Cale – Mercy
    28. Peter Kruder/Roberto Di Gioia – “- – – – – – – – – -“
    29. Penguin Cafe – Rain Before Seven…
    30. Trees Speak – Mind Maze
    31. Grandbrothers – Late Reflections
    32. Eraldo Bernocchi/Hoshiko Yamane – Sabi
    33. Lol Tolhurst/Budgie/Jacknife Lee – Los Angeles

 
 

      

 

Dieses Mal muss es aber noch einen Unterpunkt zu meiner Best-Of-Music-Liste geben: Female Voices. Einige bemerkenswerte Alben mit sehr unterschiedlichen weiblichen Stimmen off the beaten Track … von sehr leise und intim über die wunderbare reife Stimme von Dorothy Moskowitz bis hin zu exzentrischen, sehr verwaschenen und unter die Haut gehenden Alben. Und über das Erste wurde hier schon zurecht ziemlich viel geschrieben …

 
 

    1. Arooj Aftab, Vijay Iyer, Shazad Ismaily – Love In Exile
    2. Dorothy Moskowitz & United States Of Alchemy – Under An Endless Sky
    3. Yara Asmar – Synth Waltzes And Accordion Laments
    4. Marta & Tricky – When It’s Going Wrong
    5. Niecy Blues – Exit Simulation
    6. Lucinda Chua – YIAN
    7. Youmna Saba – Wishah
    8. Kate NV – WOW

 

      

 

 

Bei den Reissues machen die Japaner einmal wieder das Rennen, allen voran das Ambient-Album Surround von Hiroshi Yoshimura, der in seinen Liner-Notes vorschlägt, man solle es hören wie Luft, die uns umgibt, in die man eintauchen kann, irgendwo zwischen Klang und Musik, irgendwo zwischen den Geräuschen von Schritten, einer Klimaanlage und dem Klappern eines Teelöffels in einer Tasse. Nur unendlich viel schöner. Und dann mal wieder Ryuichi Sakamoto mit Ongaku Zukan, der Musikenzyklopädie, die als Illustrated Musical Encyclopedia hier im Westen 1984 erstmalig veröffentlicht wurde, damals noch mit einigen anderen Stücken wie Field Works mit Thomas Dolby. Immer noch ein Meilenstein.

 
 

    1. Hiroshi Yoshimura – Surround
    2. Ryuichi Sakamoto – Ongaku Zukan
    3. David Sylvian – Do You Know Me Now?
    4. Satsuki Shibano – Wave Notation 3: Erik Satie 1984
    5. Don Cherry, Dewey Redman, Charlie Haden, Ed Blackwell – Old And New Dreams
    6. Nana Vasconcelos – Saudades
    7. Soft Cell – Non-Stop Erotic Cabaret
    8. Tricky – Maxinquaye (Reincarnated)
    9. Pauline Anna Strom – Echoes, Spaces, Lines

 

 

      

 

 

Schließlich bleibt die Liste meines bevorzugten Lesestoffs im letzten Jahr, wobei ich Metzingers Bewusstseinskultur auch nach kontroverser Diskussion hier auf dem Blog für die wichtigste und bedeutendste Veröffentlichung halte. Doch auch alle anderen Titel berühren Punkte in der öffentlichen und kulturellen Diskussion, die drängend und zum Wohle aller noch möglichst ausgiebig durchdacht und diskutiert werden wollen.

 
 

    1. Thomas Metzinger – Bewusstseinskultur
    2. Kohei Saito – Systemsturz
    3. Manfred Spitzer – Künstliche Intelligenz
    4. Gregor Hasler – Higher Self
    5. Thomas Metzinger – Der Elefant und die Blinden
    6. Helena Barop – Der grosse Rausch
    7. Lisa Feldman Barrett – Siebeneinhalb Lektionen über das Gehirn
    8. Markus Rüther – Sinn im Leben

 

 

Die Welt ist dunkler geworden. Gewalt, Terror und Tod bestimmen vielerorts das Leben der Menschen, oft aussichtslos und verzweifelt ist ihre Situation. Angst treibt sie vor sich her, sie versuchen zu entkommen, wobei viele dann auf einer oft waghalsigen Flucht ihr Leben lassen und als namenlose Tote auf den Grund des Mittelmeeres sinken. Wir vergessen sie nur zu gerne, aber der Schmerz darüber bleibt in unserem kollektiven Bewusstsein bewahrt. Was würden diese toten Seelen uns sagen wollen, wenn wir ihnen begegneten?

Ankoku Butoh, kurz Butoh, wörtlich der Tanz der Finsternis entwickelte sich in Japan Ende der 60er Jahre und wendet sich mit drastischen Darstellungsformen gegen die „grauenerregende artifizielle Harmlosigkeit und Biederkeit“, die sowohl die klassischen japanischen, wie westlichen Tanztraditionen im Wesentlichen ausmachten. Fast nackt, weiß geschminkt und in Haltungen des Schmerzes und des Schreckens, kontortische Verrenkungen und expressive Spasmen provozierten das Publikum von Anbeginn bis an die Grenze des Erträglichen. Bereits die erste Aufführung von Tatsumi Hijikata, Kinjiki (Forbidden Colours) nach dem gleichnamigen Roman von Yukio Mishima endete in einem handfesten Skandal. Butoh ist eine seltsame Mischung aus Elementen des Nō, des Kabuki, des westlichen Ausdruckstanzes und fiktiven schamanistischen Ritualen, wobei durch den Einsatz des „dunklen Körpers“ entstellter Haltungen das Absurde und Groteske dem banalen Alltag des Betrachters einen bizarren Spiegel ketzerisch vorhält, der kein Ausweichen, kein Bagatellisieren, kein Zurück zum normalen Alltag mehr erlaubt.

 
 

 
 

Die toten Seelen kehren zurück. Was würden sie uns sagen wollen, wenn wir ihnen begegneten? Aus dem primordialen Raum erscheint langsam die Gestalt von Tadashi Endo, sich langsam verdichtend und das Unsagbare in beklemmenden Figuren seines Körpers ausdrückend. Die konzentrierte Spannung in seinem Körper, die kontraintuitiven Bewegungen, die stummen Gesten der Leere und Verlorenheit. Disruptiv, in gebrochenen, präzisen Bewegungen tanzt sich Tadashi Endo in eine rituelle Trance. Nein, er tanzt nicht, er wird getanzt. In einer magischen Choreografie der Finsternis bannt er die Schattenwelt, wird selbst zum Schatten und holt langsam so die Geister der toten Seelen in den dunklen Raum seiner Performance, stellt sich den Abgründen, hypnotisch den Bannkreis tief ins Publikum ziehend. Und wenn wir mit jedem Toten ein Stück unseres Glücks verwirkt hätten, entledigt sich der tanzende Schamane seiner Hüllen und teilt final einen leisen Augenblick des Glücks in einer Befriedung, einem zur Ruhe kommen, einem Gefühl endloser und unfaßbarer Stille.

 

2024 14 Jan

Die, My Love

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Die Rudra Veena ist ein seltenes Instrument, welches in der nordindischen Dhrupad-Musik, die über den großen Sänger Pandit Pan Nath viele westliche Musiker, wie Jon Hassell, Terry Riley und LaMonte Young beeinflusst hat, gespielt wird. Es ist eine Art Basszither mit zwei bespielbaren Saiten, ein großes Instrument mit ungewöhnlichem und mächtigem Klang und großem Resonanzraum. Nun hat die junge, sehr passionierte Rudra-Veena-Spielerin Madhuvanti Pal in einer kongenialen Interpretation des Raag Charukeshi mit Jimmy Sudekum an Gitarre und Surbahar, Peter Jacobson am Cello und Derrick Elliott am Bass einen zeitlos genialen Track geschrieben (to be listened loud):

 
 

D I E,  M Y   LOVE

 

2024 4 Jan

Klangquellen

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Klänge umfassen die gesamte akustische Dimension unseres Erlebens, sind ständig in irgendeiner Form da, selbst an den vermeintlich stillsten Orten. Sie geben uns eine räumliche, aber auch eine kontextuelle Orientierung. Gradgenau können wir in unserem ständigen laufenden Surround-Modus einen Klang lokalisieren und an der Art des Geräusches erkennen, ob sich etwas auf uns zu oder von uns weg bewegt oder ob der Ursprung gar statisch ist. Aber die Gesamtheit der Klänge an einem Ort geben uns auch eine wichtige Information, was hier gerade geschieht. Murray Schafer prägte dafür den Begriff einer Soundscape, die wie ein akustischer Fingerabdruck für einen Ort sein kann. Die Stille einer Wüste hört sich anders an als die Geräusche an einer Küste, die Naturgeräusche des Regenwaldes fundamental anders als die Klangkulisse an der Hauptwache in Frankfurt. Jeder Ort hat seine charakteristische Signatur. Doch in der modernen Welt rücken die Klänge, die im Spektrum zwischen akzidentieller und willentlicher Erzeugung entstehen, immer mehr von der Peripherie in das Zentrum unserer akustischen Lebensräume.

Die Gesichte der Zivilisation ist gleichzeitig auch eine Geschichte der damit verbundenen Klänge, bei einfachen Verrichtungen des Alltags, aber auch von Anbeginn jeglicher kultureller Entwicklung in Form von Musik, wobei es evolutionsbiologisch bis jetzt keine gute Erklärung jenseits der üblichen Plattitüden für ihre Entstehung gibt. Viel interessanter ist jedoch die Frage, was als Geräusch und was (schon) als Musik wahrgenommen wird. Dieser geht beispielsweise das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Studien nach, wobei deren wichtigstes Ergebnis zu seien scheint, dass es viel mehr von soziokulturellen Kontexten und musikalischer Sozialisation abzuhängen scheint als von der Klangquelle selbst, ob eine Folge akustischer Ereignisse als Musik erlebt wird oder nicht.

 
 

 
 

All diesen Fragen, sowie der Herstellung archaischer und archetypischer Instrumente, ihres Einsatzes in rituellen Kontexten, der musikalischen Resonanz mit der jeweiligen Umgebung und der Soundscapes der modernen Welt geht eine Ausstellung im Weltkulturenmuseum Frankfurt nach. Hier werden neben Instrumenten und deren Herstellung und Spielweisen in halb abgedunkelten Räumen auch Klanginstallationen von unterschiedlichen Orten und faszinierenden Experimenten mit Klängen abgespielt. Man kann aber auch an einem äußerst spannenden Experiment des Max-Planck-Instituts zum Musikerleben teilnehmen oder in einer anderen Ecke Klängen nachhören, die überlebt wurden und in unserer Welt nahezu ausgestorben sind. Inspirationen und Anregungen zwischen dem Zirpen der Zikaden, dem sonoren Glucksen afrikanischer Wassertrommeln, Soundscapes und dem subtilen Summen synthetischer Klangerzeuger. Danach ist nichts mehr wie es einmal war und zuvor erklang. Der Heimweg wird zu einer akustischen Dérive, einem Umherirren in der urbanen Soundscape, wobei erst langsam erfahrbar wird, wie sehr all diese vielfältigen Klangquellen letztendlich doch nicht mehr vermögen als die große Stille hinter Allem hörbar zu machen.

2023 26 Dez

Songs of Silence

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Zuerst ist da Raum, weit und leer. Als ob es da etwas zu antizipieren gäbe, was diese Stille nicht stören will, sich ihr nur leise zur Seite stellen, sie sichtbar machen und und den Raum subtil erweitern möchte. Den Blick nach innen gerichtet und sich doch jeder Nuance der Außenwirkung bewusst öffnet sich aus dem Nichts Cathedral in die Weite, ganz einfach, schwebend und dennoch vielschichtig. Ambientmusik vom Feinsten von einem Meister, von dem man dies als Debütalbum am allerwenigsten erwartet hätte. Vince Clarke gründete Depeche Mode mit, stieg dort aus, als die Band Fahrt aufnahm, spielte kurzzeitig mit Alison Moyet als Yazoo und dann aber 1985 mit Andy Bell in dem erfolgreichen Langzeitprojekt Erasure. Synthie-Pop also, charttauglich und kommerziell. Und jetzt ein stilles, subtiles und diskretes Album nach 53 Jahren Bühnenpräsenz in dem die Erfahrung auch mit leisen Tönen große Bilder zu erzeugen ohne dass er irgendjemanden noch etwas beweisen müsste, zum Tragen kommen. White Rabbit ist ein von einem leisen analogen Sequenzermotiv getragene Tranceinduktion, die in dem dazugehörigen Videoclip eine psychedelisch-dystope Gesellschaftskritik am Leben der immer mehr zunehmenden smombiehaften Mutanten langsam eskaliert. Auch jedes folgende Stück eröffnet eine sehr eigenständige Perspektive, schwebt durch das feinste Gewebe des weiten Raumes fast wie ein Nebel, Imminent, oder entführt in ferne Welten des Red Planet, atmosphärisch inspiriert von den Soundtracks zu den Blade Runner-Filmen. Zweifelsohne der Höhepunkt des Albums ist aber The Lamentations of Jeremiah mit Reed Hays am Cello, das zeit- und schwerelos wie ein urzeitliches Klagelied erklingt. Auch der Rest des Albums, bis man von Last Transmission sanft abgesetzt wird, birgt eine Ambient-Miniatur nach der anderen, die in fast cineastischer Intensität in stets neue akustische Landschaften entführen, deren Pastelltöne wie Vielschichtigkeiten das Bewusstsein in einen Raum einsaugen, den Ambient noch nie zuvor betreten hat. Dagegen wirkt das aktuelle Album seiner früheren Mitstreiter von Depeche Mode Memento Mori kommerziell und flach, muss man hier doch erst einmal die Hälfte durchhören, bis langsam auch einmal spannendere und gewagtere Stücke kommen.

 
 
 

 


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