Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Gestern war ein großes Interview mit dem ehemaligen Bandmitglied, Kurt Bartos, in der Rheinischen Post. Aus unmittelbarer Nachbarschaft konnte ich die Zerstrittenheit dieser Band seit Jahren beobachten. Leider scheint sich daran auch nichts mehr zu ändern. Bartos erzählt zunächst von den “glorious days”, von den Begegnungen und Verhandlungen mit Elton John oder Michael Jackson. Nach ihrer Welttournee 1981 hätten sie das Album “Techno Pop” geplant, kamen aber nur sehr langsam voran. Gründe hierfür waren das Schauen auf die Anderen und das vom Fahrradfahren müde Gehirn von Ralf. “Unsere Musik war eingefroren. Unsere Musik klang wie der Eiffelturm aussieht. Es ging um die Ästhetisierung der Technologie. Auch wir wollten das Wesen der Technik erkennbar werden lassen … Die Digitalisierung war dann der Todeskuss. Der Mensch blieb weg, es blieb die Maschine.“

Das Buch von Kurt Bartos erscheint jetzt auch auf Englisch: The Sound of the Machine. My Life in Kraftwerk and Beyond (Omnibus Press).

 

KRAFTWERK spielen am 28.8.22 in Bonn.

 

 

… an Alle, aber besonders für den fernen Hamburger …

 

 

 

2022 18 Juli

Die Form der Freiheit

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Wer heutzutage wirklich gute Kunst ansehen möchte, fährt entweder nach Amsterdam ins Stedelijk oder ins Museum Barberini in Potsdam – aber nicht auf die Documenta. Wer sich näher mit der Geschichte der Documenta beschäftigen will, empfehle ich das Buch: Der Kunstkrieg von Heiner Müllmann. Darin wird geschildert, wie die CIA-MoMA Connection die Kunst als Waffe im Kalten Krieg einsetzte. Die amerikanischen Maler, Rothko oder Pollock, wurden besonders von der CIA gefördert. Jetzt sind sie zusammen mit anderen Künstlern in der großartigen Ausstellung über internationale Abstraktion nach 1945 im Barberini in Potsdam zu sehen.

Es ist eine außergewöhnliche Schau. Die Hängung der riesigen Tableaux ist fantastisch gelungen. Sie vermittelt dem Besucher die Weite der amerikanischen Landschaft. Selten hängen mehrere Kunstwerke an einer Wand. Mit Raum wird großzügig umgegangen.  Jedes Gemälde ist anders und doch ist ihnen eins gemeinsam: sie bilden nicht die Wirklichkeit der 1940er Jahre ab. Die künstlerische Avantgarde drückte mit Farbklecksen, Feldschlieren, großen Farbflächen oder nur “Schwarz auf Schwarz“ (Ad Reinhardt) ihre Gefühle aus.  Sie verstanden ihren Malstil als Ausdruck ihrer künstlerischen Freiheit. Neben den bekannten Künstlern wie Jackson Pollock, Mark Rothko, Barnett Newman oder Willem de Kooning als Vertreter des amerikanischen Expressionismus, gab es einige Neuentdeckungen für mich, die dazu führten, dass ich mehrmals das Barberini besuchte.

Wenn ich mal hier für die Listenliebhaber eine Aufstellung meiner five faves machen darf:
 
 

1. Winfried Gaul

2. Maria Helena Viera da Silva

3. Hans Hartung

4. Jean Degottex

5. Iaroslav Serpan

 
 

An meiner Liste lässt sich leicht erkennen, dass die amerikanischen Expressionisten nicht zu meinen ganz großen Lieblingen gehören. Tatsächlich interessierten mich stets mehr die Maler des Informel. Ihre Formen waren auch sehr frei, der Umgang mit Farbe manchmal über den Bildraum hinaus. Wirklich schade ist, dass meine Fotos der großen Color Field Paintings nur einen schwachen Ein /Abdruck geben können. In Helen Frankenthaler’s BLAUE BLASE versinkt man vollkommen, ebenso bei Lee Krasner: DURCH BLAU.

 
 

 

 

 


 
 

Für mich ein Rätsel- oder Geheimnisbild ist in dieser Ausstellung das Werk N.Y.#7 von Hedda Sterne. In diesem Kunstwerk habe ich mich vollkommen verloren. Ein Gefühl wie es Neil Young besingt: in the desert you don’t remember your name.

 
 

2022 11 Juli

Am Caputher See ohne Bobbie Brown

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2022 6 Juli

Im blauen Paradies

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In Caputh verbrachte Albert Einstein drei sonnige Jahre in seinem Holzhaus und im blauen Paradies. Von der Havel aus konnte er mit seinem kompakten Segelboot über riesige Wasserflächen segeln.

 

“Das Schönste und Tiefste, was der Mensch erleben kann, ist das Gefühl des Geheimnisvollen. Es liegt der Religion sowie allem tieferen Streben in Kunst und Wissenschaft zugrunde … zu empfinden, dass hinter dem Erlebbaren ein für unseren Geist Unerreichbares verborgen sei, dessen Schönheit und Erhabenheit uns nur mittelbar und in schwachem Widerschein erreicht, das ist Religiosität. In diesem Sinne bin ich religiös. Es ist mir genug, diese Geheimnisse staunend zu ahnen und zu versuchen, von der erhabenen Struktur des Seienden in Demut ein mattes Abbild geistig zu erfassen.“

 

Einstein war nicht nur ein herausragender Wissenschaftler, er war auch ein Frauenverschlinger. Was hat er bei seinen Musen gefunden? Heidegger fand bei ihnen Inspiration, Bertold Brecht die Vorlagen für sein dichterisches Werk, ebenso Picasso für seine Malerei. Einstein lebte mit seiner Cousine hier in Caputh bei Potsdam. Eigentlich wollte er die Tochter von seiner Cousine heiraten, nachdem er seine Ehefrau samt Kindern mit dem Geld des Nobelpreises scheinbar zufrieden stellte. Das war bitter für Mileva. Diese Zeugnisse finden sich nicht in der Einstein Ausstellung. Aber etwas Anregendes für unseren Manakreis. Also setzt Euch mit Euren Lieben zusammen und versucht, das Logik-Rätsel nach Albert Einstein zu lösen. Er behauptete damals, dass nur 2 Prozent der Weltbevölkerung imstande seien, es zu knacken. Hier das im Einstein Haus abfotografierte Rätsel. Bis Sonntag könnt Ihr Eure Logikfähigkeit trainieren. Am Sonntag besichtige ich Einstein’s Sommerhaus. Dort frage ich nach der Lösung.

 

Bis Sonntag

Den ungeheuren Vorwurf des ukrainischen Botschafters Melnyk, dass sich die Ukrainer von den Deutschen nicht willkommen geheißen fühlen, hat nun Peter Sloterdijk entschieden öffentlich zurückgewiesen. Auch aus meinem Umfeld kann ich berichten, dass die aufgenommenen Ukrainer dankbar sind und sich aufgenommen fühlen.

Die französische Philosophin Barbara Cassin hat ein Buch zu diesem Thema vorgelegt. NOSTALGIE. Es beschäftigt sich mit der Frage: Wann sind wir wirklich Zuhause? Sie definiert Nostalgie mit den deutschen Wörtern „Heimweh“ und „Sehnsucht“. Heimweh ist der Wunsch zurückzukehren. Sehnsucht ist das Begehren, der Trieb, überall und nirgends zuhause zu sein. „Ein solcher Trieb kann Philosophie nur sein, wenn wir, die philosophieren, überall nicht zuhause sind. Überall zu Hause sein heißt: jederzeit und zumal im Ganzen sein.“ (Heidegger / S. 99)

Barbara Cassin schreibt über Hannah Arendt, dass trotz wechselnder Wohnorte in verschiedenen Ländern, Arendt immer auf die deutsche Sprache geachtet hat. Sie verstand sie als ihr Zuhause.

Das lesenswerte Buch endet mit der schon erwähnten Frage: „Wann sind wir wirklich zuhause? Wenn wir selbst, unsere Nächsten und unsere Sprache willkommen sind.“

 

 

Die Timple ist eine Kleinstgitarre, sie ist das  „Hausinstrument“ der Kanaren. Sie hat 5 Saiten und einen abgerundeten Rücken, der für den vollen Resonanzklang sorgt. Gestern war der „Tag Der Kanaren“, sie befeiern ihre Autonomie vom Festland, die sie seit 1983 innehaben. Und Alle Alle kamen zu dem großen Konzert ihrer talentierten Meister an der Timple. Allen voran Benito Cabrera, weltbekannter Musiker, Komponist, Professor für Musikwissenschaft und Psychologe. Gefolgt von Domingo Rodriguez aus der Riege der Royal Classics, der Folklore und Klassik zu mischen weiß. My fave was Germán Lôpez, ein junger Timplespieler mit absolviertem Jazzstudium.

 

 

Wie er da sitzt in seinem auberginefarbenen Anzug mit hellem Strohhut und schwarzen Samthandschuhen. Zweifelsohne ein Modell für Picasso. „Canela y Limon“ heißt das Stück, das mir so gut gefällt. Ungewöhnlich für die Inseln des ewigen Frühlings war der heftige Regen, der die Veranstalter zwang, die wunderbar unterhalb einer Basalthangwand gelegene Arena gegen den bedachten Gemeindefestplatz einzutauschen. Der neu auszurichtende Soundcheck zog sich in die Länge, Zeit genug, um die Gäste zu inspizieren. Es hatten sich etwa 300 Musikfreunde versammelt, die Meisten festlich gekleidet; es galt die Unabhängigkeit zu würdigen und großen Musikern ihrer Inselwelt die Ehre zu geben.

Etwa 20 Musiker waren auf der geräumigen Bühne versammelt. Zwei Klaviere, vier Violinen, ein Saxophon, ein Bass, ein Schlagzeug und eben 5 Timples. Ungewohnt, aber einzigartig,  wie das Orchester den Einspieler vorgibt und dann der Dirigent den Einsatz den Timplespielern  zeigt. Es sind zunächst einfache marschähnliche Melodien, leicht und beschwingt. Das Orchestrieren wird zunehmend unübersichtlicher, von ganz hinten bläst ein Saxophonspieler nach vorn zu Germán Lôpez, quasi als Einladung zum Duett. Dann setzen die Geiger zur Begleitung ein. Wieviele Saiten werden da gerade bespielt, my goodness, what a mixture on stairway to heaven. What a high quality music Event and what a joy for us transvulcano people.

 

2022 29 Mai

Frieden im Krieg (Unamuno)

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Der spanische Philosoph, Schriftsteller, Dichter und Universitätsgelehrte Miguel de Unamuno (1864-1936) war so etwas wie das Gewissen von Spanien. Mutige, scharfe und intelligente Stimmen wie die seine fehlen derzeit leider in der öffentlichen Debatte über den Ukrainekrieg. Zwar melden sich zunehmend Intellektuelle wie beispielsweise Herfried Münckler („Die Ukraine ist im Begriff, den Krieg zu verlieren …“), Henry Kissinger (er überlegt öffentlich über die Möglichkeit ukrainischer Gebietsabtretung) oder der klare Verstand des hier schon zitierten Klaus von Dohnanyi, aber leider hört man keine scharfen Töne aus der Ukraine oder aus Russland.

Ich bin auf Fuerteventura, weil ich mich mit Unamuno beschäftige, er lebte hier kurz. Wie sehr es unerschrockene Geister braucht! Auch wenn sie nicht mehr unter uns weilen, sollten wir bei ihnen nachlesen. Unamuno schwankte ähnlich wie Heidegger, als verkappte Diktatoren eine gesellschaftliche Veränderung versprachen. Unamuno merkte sehr schnell, was um ihn herum mit den Intellektuellen passierte. Mutig bot er dem Militär die Stirn:

 

“General Millán Astray ist ein Krüppel. Ich sage das ohne den leisesten Unterton. Er ist ein Kriegsvalide. So auch Cervantes. Aber Extreme geben nicht die Regel, sie entziehen sich ihr vielmehr … Er möchte Spanien neu schaffen – eine negative Schöpfung – nach seinem eigenen Bilde. Und deshalb wünscht er Spanien verkrüppelt, wie er uns unzweideutig klargemacht hat … Sie werden gewinnen, aber Sie werden nicht siegen. Sie werden gewinnen, weil Sie die nackte Gewalt besitzen, aber Sie werden nicht siegen, denn um zu siegen, muss man überzeugen. Und um zu überzeugen, müssten Sie besitzen, was Ihnen fehlt: Verstand und Recht zu diesem Kampf. Ich erachte es als sinnlos, Sie zu ermahnen, an Spanien zu denken.“

(aus der Rede von Unamuno als Rektor der Universität in Salamanca 12.10. 1936)

 

Unamuno wurde für 4 Monate nach Fuerteventura verbannt, weil er immer wieder gegen Unfreiheit und Unrecht aufbegehrte. Um 1920 war die Insel Fuerteventura alles andere als ein Ferienparadies. Es herrschte Armut und Elend. Schnell erkannten die Einheimischen, wofür Unamuno kämpfte: für freies, selbstbewusstes und gerechtes Leben.  Er wurde ihr Held. Überall auf der Insel gibt es Denkmäler, die an ihn erinnern. Unamuno hatte hier wenig Möglichkeiten, auf Medienbasis zu kommunizieren. Trotzdem gelang es ihm, seine mutigen Gedanken zu transportieren. „Ich komme nicht mit meiner Freiheit zurück, die ist unbedeutend, sondern mit Eurer.

 

 

In seinem Buch Frieden im Krieg (1897) findet sich die eindringliche Überlegung: „Nicht draußen, sondern mitten im Kriege tief drinnen in ihm, in seinem eigenen Schoße sollen wir den Frieden suchen: den Frieden im Krieg.

 

 


 
 

 
 

Seit ein paar Tagen hängen große Fotografien in meinem Ort. Zunächst irritierte mich die Nähe der augenscheinlichen Antikriegsbilder zum Karneval. Ich erkannte unter der Schminke locals, Freunde des Künstlers. Als ich Dorfbewohner nach ihrem Eindruck fragte, sagten sie, ihr Alexis W sei ein großer Fotograf, aber die Fotos gefielen ihnen nicht, da seien sie ja nicht drauf. Ich fragte auch ein paar Aussteiger. Der Eine sagte, die Fotos seien ihm gar nicht aufgefallen, ein Anderer meinte, der eine Clown sei wohl Merkel. Ich denke, jede Kultur drückt die Eigenheiten ihres Landes anders aus. Hier auf Hierro hängt keine einzige ukrainische Fahne. In Neapel hingen überall große Transparente und Fahnen mit den ukrainischen Nationalfarben. Vollkommen sichtbar, auf welcher Seite die Neapolitaner stehen. Hier ist der Krieg kein öffentliches Thema. Deswegen finde ich es gut, dass der Künstler die großen Fototücher aufhängen ließ. Yoko Ono hat vor vielen Jahren ein Imagine Peace Tower bei Reykjavik aufstellen lassen. Er leuchtet John Lennon zu Ehren jeweils von Oktober bis Dezember. In 24 Sprachen steht „Imagine Peace“ darauf. Die deutsche Übersetzung lautet: Stell dir vor, es ist Frieden. Mein Eindruck von hier aus ist, dass in Deutschland hauptsächlich über Waffenlieferungen und Aufrüstung diskutiert wird. Ist unser früherer Demoruf „Frieden schaffen ohne Waffen!“ in eine gefährliche, bequeme Haltung gelangt: Frieden schaffen mit Waffen? Waren die bed-ins, das stop war – you can do it, Johns Songs „Imagine“ und „Give Peace a Chance“ nur Träumereien? Für mich nicht. Ich bin über die Antikriegsbilder hier auf Hierro sehr froh.

 

 

 


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