Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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2023 30 Nov.

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Manafon T-Shirt

 

2023 16 Nov.

10 Konzerte

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    • Sonic Youth @Bizarre Festival, Loreley 1993
    • Yo La Tengo @Pfefferberg, Berlin 1997
    • Elliott Smith & Cat Power @Uni Frankfurt 1998
    • Giant Sand & PJ Harvey, @Kunstpark-Ost, München 2001
    • Lambchop @Mousonturm, Frankfurt 2002
    • Tom Liwa & Low @Robert Johnson, Offenbach 2002
    • Swell @La Maroquinerie, Paris 2008
    • Die Nerven @Festsaal Kreuzberg, Berlin 2018
    • Julia Holter @Funkhaus Nalepastraße, Berlin 2018
    • Neil Young @Waldbühne, Berlin 2019

 

2023 25 Okt.

Positiv überrascht

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Es ist immer das Gleiche. Wenn man viel erwartet, wird man meist bitterlich enttäuscht und wenn man nichts erwartet, ist eine positive Überraschung fast schon vorprogrammiert. So mal wieder geschehen gestern Abend in der Philharmonie in Berlin. Brian Eno was there mit dem Baltic Sea Philharmonic und sie spielten The Ship plus 5 Songs. Sie ließen das Publikum gut 20 Minuten warten, es lag wohl an der langen Gästeliste, die dafür sorgte, dass der Konzertsaal am Ende doch recht gut gefüllt war.

Die Querflötistin führte das Orchester mit hypnotischen Tönen an wie die Rattenfängerin von Hameln. Ganz langsam kamen die Musiker auf die Bühne und spielten bereits beim Einzug. Alle fanden ihren Platz und es hörte sich nun für eine lange Zeit so an, als würden sie ihre Instrumente stimmen ähnlich wie bei indischen Ragas. Es erinnerte mich auch etwas an die beiden Konzerte von Julia Holter, denen ich beiwohnen durfte. In dieser „Stimmphase“, die auch leicht ins improvisiert Freejazzige abzugleiten schien, gab es wunderbare Dissonanzen, z.B. von den Geigen, es war alles möglich zu diesem Zeitpunkt, eine völlige Freiheit lag in der Luft. Der Sprechgesang von Eno und noch mehr anschließend der vom „Chor“ war relativ stark im Hintergrund, was gut so war. Ein flirrender Klangteppich breitete sich vor uns aus. Die Musik schwoll nun dauernd an und ab, ich bin mir nicht sicher, ist das typisch für den späten Eno? Es gab ein wunderschönes Crescendo – Godspeed YBE! ließen grüßen – das in einen akustischen Orgasmus mündete, wo alle Instrumente die volle Lautstärke spielten – insbes. die Blechbläser und natürlich das Becken – und die Bühne zu lodern schien, Hut ab vor der Lichtshow. Also ich muss sagen diese orchestrale organische Live-Interpretation mit einer unglaublichen Energieintensität im Moment des Höhepunkts hat mich ziemlich gepackt. Auf Platte ist The Ship für mich ein eher langweiliges Ambientgewaber.

Dann kam I’m Set Free, für mich der Höhepunkt des Abends, da ich nicht wusste, dass es das letzte Stück von The Ship ist. Und die Orchesterversion wunderbar stimmig war. Brian sang hier mit voller Inbrunst und völlig befreit, man hörte nicht, dass er erkältet war. Zu diesem Lied vom selbstbetitelten dritten Velvet Underground-Album muss man wissen, dass Brian Eno damals einer der wenigen war, die die erste Platte von Lou Reed und Band kauften, die dann angeblich alle später eine eigene Gruppe – nämlich er mit Bryan Ferry Roxy Music – gründeten.

Es ging weiter mit By this River, wo die perlenden Klänge der Harfe das Fließen der Werra Weser heraufbeschwörten. Außerdem gab es schöne Wassereffekte bzw. Rudergeräusche, vielleicht DAS eine unsterbliche Lied von ihm. Es endete mit vier moderneren Stücken, bis auf die von Eno bei sich zuhause aufgenommenen Vogelstimmmen nicht so mein cup of tea, teilweise an der Grenze zum Kitsch (insbes. das letzte Stück There Were Bells), auch die Stimmverfremdung für meine Begriffe Kokolores, aber das waren Kleinigkeiten, insgesamt ein sehr gutes Konzert.

P.S. Auch sehr schön, ich habe endlich den ersten Manafonisten livehaftig kennengelernt! :-)

2023 10 Okt.

Weniger ist mehr

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Gestern ist mir mal wieder etwas aufgefallen, was ich schon wusste, aber etwas verdrängt hatte. Wenn ich in einem Gespräch bin bzw. andere sprechen höre und es läuft gleichzeitig im Hintergrund Musik, die mich in den Bann zieht, dann gewinnt diese Musik noch einmal mehr an Attraktivität. Das hat zwei Gründe. Zum einen bin ich gezwungen genauer hinzuhören, weil der Geräuschpegel die Musik überlagert, ihr also eigentlich einen Teil wegnimmt, den ich nicht zu 100% durchs intensive Hören zurückkriege. Aber gleichzeitig bekommt die Musik dadurch auch eine mystische Komponente, einen Freiheitsgrad, weil mein Gehirn gezwungen ist, sich den Teil der Musik, den ich nicht genau hören kann, selbst nachzubilden. Das hört sich dann besser an, als wenn ich das Stück ganz ohne Störung hören könnte. Das könnte übrigens auch ein Grund sein für die Attraktivität von rauschenden Schallplatten. Außerdem finde ich es unglaublich faszinierend, wenn die anderen Personen bzw. die andere Person im Raum die Außergewöhnlichkeit der Musik nicht hören bzw. hört. Ich sie also quasi in gewisser Weise ganz für mich alleine habe. Gestern der Fall beim Hören von dem Pale Saints-Song Shell aus dem letzten Haikupost. Das nächste Lied in der Playlist, das ich ebenso liebe, war Gun Club’s Idiot Waltz und das wiederum führte dann zu einer Unterbrechung im Gespräch, weil die andere Person ebenfalls die Schönheit des Liedes empfand und es ihr ebenfalls die Sprache verschlug. Ich sollte eventuell noch erwähnen, dass eine Flasche Spätburgunder aus Rheinhessen auch mit von der Partie war.

 

2023 9 Okt.

17 beats, Indian summer edition

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Ich wollte es eigentlich nicht mehr machen, aber es musste sein.
 

Jemanden völlig
aus den Augen verlieren.
Steel guitar heaven.

[Lucinda Williams – I Don’t Know How You’re Livin‘]

 
Zwischen bedeutsam
und banal balancierend
Das ist das Leben

[Held By Trees – The Tree of Life]

 
Sehnsüchtig verträumt
Deck mich zu, leiser Windhauch:
Tenorsaxofon

[Jerry David DeCicca – Lost Days feat. James Brandon Lewis]

 
It is getting dark
In the air there are all those
beautiful noises

[Held By Trees – Nightfall]

 
Hör mal, die Vögel!
Das Instrumentestimmen!
Welche Harmonie!

[Held By Trees – Next to Silence]

 
Eine Musik spielt
zwischen dieser Welt hier und
der nächsten danach

[David Sylvian – I Should not Dare (for N. O.)]

 
Die Sehnsucht nach dir
nahm mit jedem Tag ab, wo
du nicht mehr da warst

[Lloyd Cole – Myrtle and Rose]

 
Mobile im Wind
Gitarrenklänge perlen
Das Saxofon schwebt

[Jakob Bro – Laxness]

 
Jeder macht seins an
Klavier, Bass und Percussion
Blindes Verstehen

[Gary Peacock – Vignette]

 
Aus Saitenklängen
ein luftiges Bett zimmern,
ein dichtes Gespinst

[Wolfgang Muthspiel – Invocation (Album Dance of the Elders)]

 
Die Stille beginnt.
In den Moment einsinken.
Worte, halb verschluckt.

[Mark Hollis – The Colour of Spring]

 
Die Sonne geht auf!
Überstrahlt die ganze Welt!
Eine Trompete!

[Jerry David DeCicca – Angelina]

 
Roll den Teppich aus
Aus Gitarre und Cello
und dem Glockenspiel

[Pale Saints – Shell]

 
Ne Supernova,
Der kleine Bruder von Jim,
Viel zu früh verlöscht

[Gun Club – Idiot Waltz]

 
Keinen Blick haben
für die Menschen links und rechts
auf dem Trauermarsch

[The Cure – All Cats Are Grey]

 
Eine Melodie
ganz genau kennen, doch nicht
mehr wissen woher

[Sverre Gjørvad – If You Were a Melody, Dank an Ingo]

 
Cosmic, astral jazz
Polyrhythms all around
The bass is the boss

[Yussef Dayes feat. Tom Misch – Rust]

 
Ein Fluss aus Saiten
Sprudelnd, plätschernd, (be)rauschend
Zum Meer hinströmend

[Blue Lake – Bloom]
 

Music for Black Pigeons

 

 

Ohne viel reden
gemeinsam Musik machen
Die Welt verschönern

 

 

Vorgestern habe ich mir den Dokumentarfilm Music for Black Pigeons über Jakob Bro und seine Musikerkollegen von Jørgen Leth und Andreas Koefoed im fsk in Berlin-Kreuzberg angesehen. Davon hatte ja schon Henning geschwärmt (s. Filmplakat oben rechts).

Ein phantastischer Film, mit Lee Konitz im Mittelpunkt, der anfangs eine wunde Lippe hat, dann in den Avatar Studios in NYC im Dezember 2012 auf dem von Henning schon erwähnten Album December Song – es war der magische Opener Laxness, wenn ich mich nicht irre – für einen gefühlvoll-lyrischen Altsaxophonton nicht von dieser Welt sorgt und dessen Grabstelle – er starb im April 2020 an Covid – Jakob Bro am Ende besucht. Ein anderer wunderbarer Moment ist das Stück To Stańko, das dem 2018 verstorbenen polnischen Trompeter Tomasz Stańko gewidmet ist, vom 2021er Album Uma Elmo. Neben Bro an der Gitarre sind hier Jorge Rossy an den Drums und insbesondere Arve Henriksen an der Trompete zu nennen, sein unverwechselbarer „nebliger“ Ton, bei dem ich meine, den Wind zu hören, wie er durch einen Bambushain weht. Manfred Eicher verschlägt es vor Emotion die Sprache beim Hören der Aufnahme. Auch toll der geistig-körperlich noch frische Drummer Andrew Cyrille am Ende, der in New York noch so einige Fans zu haben scheint. Bei den Interviews, wo sich die Musiker vorstellen und dann etwas zum Lebensziel bzw. dem Grund, wieso sie Musik machen, sagen sollen, sieht man dem Kontrabassisten Thomas Morgan lange beim Schweigen zu. Seine erste Sprache ist offensichtlich die Musik.

Etwas traurig, wir waren gerade mal vier Leute im Kino und ich habe den Altersdurchschnitt gesenkt. Der Film läuft in Berlin noch bis zum 4.10. um 18h im fsk bzw. um 20h in der Brotfabrik.

2023 21 Sep.

Gehalten von Bäumen

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Spirit of Eden (1988) und Laughing Stock (1991), die mit als die ersten Alben des Post-Rock gelten, habe ich beide erst viele Jahre später entdeckt, der Impact dieser beiden Scheiben auf mein musikalisches Weltbild wurde jedoch dadurch kein bisschen geschmälert. Es wäre generell mal interessant, zu welcher Lieblingsmusik man synchron gelebt hat und zu welcher asynchron, also mit Verspätung und, ob das irgendeinen Unterschied macht, ich kam meist spät zur Party, aber davon eventuell später mal mehr. Danach kam dann noch das Mark Hollis Soloalbum (1998), das natürlich alles andere als ein Soloalbum war, mit dem ich jedoch nie so richtig warm wurde, das mir dann doch etwas zu karg und spröde war mit zu vielen Pausen, dazu ein Gesang, der mich an ein waidwundes Reh erinnerte, durchdringend und nur schwer zu ertragen. Danach wartete man vergeblich auf weitere Musik, alles was noch kam, war das mehr oder weniger völlige Verstummen. Am 25. Februar 2019 starb Mark Hollis dann schließlich. Und damit die Hoffnung, dass es jemals noch mehr von dieser großartigen zwischen Klassik, Jazz, Improvisation, Geräuschen, Stille, Folk und Rock balancierenden Musik geben würde.

Und dann kam Corona und der erste Lockdown. Und David Joseph, ein britischer Multiinstrumentalist und Komponist, hatte die Idee, verschiedene Studiomusiker, die zum Teil mit Mark Hollis und Talk Talk kollaboriert hatten, einzuladen, über seine Rhythmusmuster und Akkordfolgen zu improvisieren. Insgesamt stehen 26 Mitwirkende auf der Rückseite der CD im Pappschuber. Darunter auch Phill Brown, der Toningenieur, sowie James Marsh, der Coverdesigner, die wie auch Martin Ditcham an Drums und Percussion und Robbie McIntosh an der Gitarre schon bei Talk Talk mit von der Partie waren. Was soll ich sagen, das Ergebnis, das Instrumentalalbum Solace von Held By Trees, wie sich die Band bzw. das Projekt in Anspielung auf die letzten beiden Talk Talk Cover nennt, das letztes Jahr erschien, ist ein Kleinod an impressionistischer Kammermusik, die auch durchaus rhythmisch sein kann, mit einem melancholischen Touch. Es ergibt sich eine wunderbare Vielstimmigkeit durch die vielen Instrumente und man möchte förmlich baden in diesem organischen, warmen Sound.
 
Übrigens sind die Tracks recht unterschiedlich. Ein Stück, was mich mitnimmt in eine andere, bessere Welt, ist Rain after Sun, allein schon dieses leichte Quietschen beim Akkordwechsel auf der Gitarre, dieses Hingetupfe der Gitarren, das subtile Klavierspiel, dieses ziellose Schweben. Einziges Manko, das Stück hört viel zu früh auf. Gut, dass man im digitalen Zeitalter so einfach Repeat drücken kann. Immer wieder phantastisch der Einsatz des Harmoniums, das so etwas vage Nostalgisches ausdrückt. Ein weiteres Highlight, The Tree of Life, das einen erst in die Tiefe zieht und dann dem Sonnenlicht aussetzt. Man ist hin- und hergerissen zwischen Schwere und Leichtigkeit. Bösartige Menschen könnten sagen, dass diese Musik kitschig ist. Man muss ihnen kein Gehör schenken. Auch der Album Closer The New Earth ist ganz wunderbar, obwohl oder weil man hier einen starken Einfluss der frühen Dire Straits heraushört, David Knopfler ist auch bei zwei Stücken mit am Start, allerdings laut Mitwirkendenliste angeblich nicht bei diesem. Mein Album des letzten Jahres.

 

 

 
 

Ich habe vorhin zum ersten Mal in diesem Jahr ein Album von Anfang bis Ende durchgehört. Slowdive’s everything is alive, heute erschienen. Allerdings habe ich etwas geschummelt. Ich absolvierte mein 27 Minuten-Programm auf dem Ergometer, konnte also gar keinen Track skippen. Die restlichen 14 Minuten des Albums hörte ich dann hauptsächlich in der Dusche. Die Platte zieht einen rein, Shoegazing at its best. Mit leicht melancholischem Unterstrom, ein ruhiger Fluss, die Computertöne sehr dezent eingesetzt, aber natürlich gibt es auch Gitarren. In alife höre ich den Gitarrenklang von Robert Fripp. Viele schöne, oft süßliche Melodien, there is a harmony in my head. Filler habe ich keinen gehört.

Ein organischer Soundteppich, auf dem man wegschweben möchte aus dieser völlig durchgeknallten Welt. Eskapismus ist zwar auch keine Lösung, aber was bleibt einem im Moment anderes übrig. Neil Halstead, Rachel Goswell und die anderen Mitglieder der Band haben ihr bisher reifstes und wärmstes Album vorgelegt. Ich höre es gerade im 2. Durchlauf und es haut mich immer noch ziemlich um. Eins ist klar, scheint mir. Die Halbwertzeit dürfte recht kurz sein: Every further listen will yield diminishing returns. Wir bewegen uns hier auf dem schmalen Grat zwischen Schönheit und Kitsch. Ich glaube, man sollte es jetzt hören und nicht zu lange damit warten. Anspieltipps: das meditativ-wehmütige prayer remembered, das verspielte alife, das poppige kisses, das lockere skin in the game und das überirdische chained to a cloud.

 

 


 
 
 

Die heutige letzte Etappe kann man mit knapp 10 Km eher als einen Vormittagsspaziergang bezeichnen. Wir gehen recht bald aus dem Ort raus und bewegen uns wie so oft zwischen Wald, Wiesen und Feldern. Der Himmel zieht zu, ein paar Tropfen fallen, der Wind schüttelt die Laubbäume unter denen wir langspazieren kräftig durch. Durch die vielen Niederschläge sprießen dieses Jahr am Wegesrand viele Pilze (Foto Spitzschuppiger Schirmling). In Klein-Hehlen gehen wir am Waldsee vorbei.

Wir kommen nun in die Allerwiesen und stoßen auf einen Baumlehrpfad. Auf einer der Erklärtafeln sitzt eine große Heuschrecke (Foto). Zur Eibe entwickle ich eine Theorie. Sie ist die älteste Nadelbaumart. Im Kampf um Lebensraum mit den später auftauchenden Nadelbäumen hatte sie aufgrund ihres sehr langsamen Wachstums schlechte Karten. Um in der Evolution nicht unter die Räder zu geraten, „entschloss“ sich die Eibe giftig zu werden, so dass sie Tiere nicht fürchten musste. Nur die Früchte selber sind nicht giftig und die Vögel fressen sie und verbreiten die giftigen Samen, indem sie sie ausscheiden.

In Celle überqueren wir die Allerbrücke und machen am Endpunkt des Weges vor der Tafel beim Bahnhof ein Selfie. Wir gucken uns das Schloss und die von Fachwerkhäusern dominierte Altstadt an, die eine große Fußgängerzone darstellt. Auf den Querbalken oben stehen oft religiöse Sprüche und Lebensweisheiten (Foto). Wir probieren Barfußschuhe aus und kaufen uns jeweils ein Paar. Abends essen wir die Celler Rohe Roulade, eine Art Carpaccio in dickeren Scheiben, in Dackels Krohne, wo sie angeblich auch erfunden wurde.

 


 
 
 

Nach einem fürstlichen Frühstück machen wir uns gegen halb zehn auf und gehen an den Kiesteichen vorbei (Foto Seerosen) zurück zum Angelbecksteich, wo wir den Weg gestern verlassen hatten. Dort kommen wir in einer Holzhütte mit Aussicht auf den Teich ins Gespräch mit zwei betagten Brüdern aus der Gegend und der Frau des einen, die überrascht sind, dass wir die ganze Strecke von Hamburg bis Celle zu Fuß machen. Der eine Bruder ist vor 70 Jahren in den Ruhrpott gezogen und hat den Akzent angenommen. Unser Weg durch den Wald ist nun dreigeteilt. In der Mitte die Autopiste, links der geschotterte Weg für Radfahrer und Fußgänger, rechts der sandige Reitweg. Wir gehen meist auf der Piste, da es kaum Verkehr gibt und es dort am wenigsten Mücken gibt.

Wir kommen nun am Dehningshof vorbei, vor dem ein Mann eine Zigarette raucht, den ich aus der Ferne für eine Statue halte, weil er sich kaum bewegt. Wir befinden uns hier auf der im 19. Jahrhundert von Postkutschen viel genutzen Celler Heerstraße und der Dehningshof war eine Ausspannstation, wo die Pferde gewechselt wurden. Am Waldesrand stehen zwei Buchen (Foto), die, weil sie kein Harz enthalten, den Waldbrand von 1975 – bis heute der größte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland – überlebt haben. Der Weg zieht sich weiter durch den Wald hoch zum Citronenberg. Hier ließ der Überlieferung nach ein Kreuzfahrer den Einheimischen seine kranke Tochter zur Pflege und brachte als Dank anschließend Zitronen mit. Nach den Wildecker Teichen kommen wir an einer weiteren Ausspannstation, dem Forsthaus Kohlenbach (Foto) vorbei, das von einem jungen Paar bewohnt wird. Direkt nach dem Krieg hatte sich hier Eichmann unter falschem Namen einquartiert und war als Waldarbeiter tätig gewesen.

Unsere Mittagspause machen wir in einer halboffenen Schutzhütte, die an einer Kreuzung von Waldpisten liegt. Wir sind gerade beim Essen unserer belegten Brötchen, da taucht aus dem Nichts ein Radfahrer auf. Er fängt sofort an, überschwänglich zu reden, guckt auf seinen Tacho bzw. das GPS-Gerät und meint, er hätte jetzt auf den Meter genau die Hälfte seiner Tour, 111 km absolviert. Es stellt sich heraus, dass er an Orbit 360 teilnimmt, einer in der Coronazeit gegründeten Initiative, die gravel Rundtrips vorsieht, die man nachfahren kann. Wer 10 Orbits geschafft hat, nimmt an der Verlosung eines sehr guten Backroadrades teil. Er scheint da ziemlich weit vorne zu liegen. Wir tauschen uns ausgiebig über Radferntouren und Fernwandern aus und nachdem er die Kette geölt hat, schwingt er sich wieder aufs Rad für die nächsten 111 km, die er heute noch vor sich hat. Er wusste übrigens gerade mal, dass er in der Lüneburger Heide war, ansonsten hatte er von der Außenwelt wenig mitbekommen. Ich gebe ihm noch den Tipp mit, in Wilsede zumindest den 1 Km-Abstecher zum Totengrund zu machen.

Kurz nachdem wir wieder auf unserem Weg sind, fängt es an zu regnen und hört bis zum Ende der Etappe auch nur noch kurz für 20 Minuten auf. Wir spannen die Regenschirme auf und stellen uns, als der Regen stärker wird, ein paar Minuten an einem Hochstand unter. Man hört nun in der Ferne großkalibrige Schüsse. Wir gehen direkt auf einen heute privat betriebenen Schießplatz zu. Neben uns ein Standortübungsplatz der Bundeswehr, vor dessen Betreten aufgrund von Blindgängern gewarnt wird. In Scheuen treten wir plötzlich aus dem Wald und stehen vor einer großen, kurz geschnittenen Wiesenfläche, einem Segelflugplatz. Durch eine Siedlung kommen wir – nach gut 20 Km rechtschaffen erschöpft – zu unserer Unterkunft, direkt an der verkehrsreichen Hauptstraße nach Celle gelegen. Eine junge Ukrainerin, die kaum deutsch spricht, öffnet uns unser Zimmer.


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