Manafonistas

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2016 4 Jul

Gregor öffnet seinen Plattenschrank (117)

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | 6 Comments

Lieder aus grauen Gärten; Nachruf für gestrandete Fische; Im Zeichen des blauen Hundes; Dem kalten Sternwind offen; Das müde Lächeln im Holunderbaum; Zeit der blauen Schatten; Nur eine Bewegung von Licht; Das geöffnete Schneeblatt. Solch wundervolle Titel tragen die Bücher des Schweizer Schriftstellers Joseph Kopf. Das Werk des 1929 in St. Gallen geborenen und 1979 ebendort verstorbenen Schriftstellers besteht hauptsächlich aus Lyrik. 1991 las ich das erste Mal ein Gedicht von ihm. Einer richtigen Langspielplatte war ein strahlend weißes Heft beigefügt (30cmx30cm). Das erste Blatt des großen Heftes war wie das letzte, zehnte, komplett weiß gehalten, nur oben rechts in der Ecke stand in kleiner Schrift geschrieben:

 

ich habe auf den steinernen tisch die blaue mondfrucht gelegt

ich habe die weissen tiere aus ihren wäldern gebeten

sie sind gekommen und haben kein blatt an den sträuchern bewegt

ihre silbernen hufe haben kein gras in der steppe zertreten

 

dies blieb mir als traum oder wie ein verlorenes gesicht

in ihren augen stand noch das wort der schöpfung geschrieben

ich weiss es nicht mehr es war größer und stiller als lieben

sie gingen und alles war wieder nur eine bewegung von licht

 

joseph kopf

 
 
 

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Dieses Heft ist einer wundervollen Schallplatte beigefügt, sie erschien 1991 bei ECM New Series, ist in Oslo in den Rainbow-Studios von Jan Erik Kongshaug aufgenommen worden und wurde von mir kürzlich, nach langer Zeit, einmal wieder auf den Plattenteller gelegt. Es war, als hörte ich die Platte zum ersten Mal. Eine Offenbarung. Die Rede ist von ALPSTEIN, mit Paul Giger (Violin), Jan Garbarek (Tenor Saxophone) und Pierre Favre (Percussion). Ich habe diese Musik nun, als hätte ich eine neue Schallplatte erworben, wirklich neu entdeckt. Plattenseite A, Beginn Zäuerli Violine Solo, man schließt die Augen und befindet sich in der Heimat Paul Gigers, im nördlichsten Ausläufer der schweizerischen Alpen. Stück 2 Karma Shadub Die Violine spielt eine kurze Melodie, die Berge werfen den Hall der Klänge zurück. Dann folgt Alpsegen, Pierre Favre lässt Kuhgkocken erklingen … Diese Musik würde ich `Landschaftsmusik` nennen, eine Musik, die aus der Landschaft geboren wurde – faszinierend.

 
 
 

DSCN4711

 
 
 

Und: immer wieder kann man dankbar sein, dass ECM all diese Werke und mögen sie jahrzehntealt sein, im Katalog behält, alle sechs Platten von Paul Giger sind noch erhältlich: 1988 Chartres, 1991 ALPSTEIN, 1993 Schattenwelt, 2000 Ignis, 2003 Vindonissa, 2007 Towards Silence (alle ECM New Series, bis auf Vindonissa ECM).

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6 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Alpstein kommt in diesem Gespräch auch vor …

  2. Gregor:

    … weiß ich doch, kenn ich doch das Gespräch, habe die Platte bisher nicht gehört …

  3. Michael Engelbrecht:

    Du schon :)

    Im nächsten Frühjahr kommt eine neue Arbeit des Vallon-Trios raus.

    Interessant wäre es, Rosato hätte noch eine alte Kassette meines Giger-Porträts in der Reihe Studiozeit, eine meiner ersten Sendungen im Deutschlandfunk.

    Ich traf den Violinisten in seiner Berghütte, in der er mit seiner Frau lebte. Während des Gesprächs im Freien stetig das Muhen der Kühe aus dem Tal.

    Einen Abend später in Appenzell das Alpstein-Trio, ergänzt vom „Appenzeller Spaceschattel“.

  4. Gregor:

    Mist, die Sendung hätte ich gerne gehört. Hat die noch jemand? Martina?

  5. Rosato:

    Ein Musterbeispiel solch imaginärer Folklore ist auch das Album, das ich jetzt für Sie aufliegen habe. Vielleicht erraten Sie ja das Land, aus dem diese Musik stammt.

    Chuereihe

    Ja, warum so weit in die Ferne schweifen? In die Schweiz entführte Sie diese Komposition ‚Chuereihe‘ des Appenzeller Geigers Paul Giger. Neben Paul Giger und Jan Garbarek war auch der Perkussionist und Trommler Pierre Favre zu hören. Mehr zur Produktion und Entstehungsgeschichte dieser LP/CD ‚Alpstein‘ können Sie am folgenden Freitag in den Jazzfacts des Deutschlandfunks um Viertel nach Zehn hören.

    Diese Rarität aus dem Jahr 1991 habe ich in meiner legendären Compact Cassetten Reihe „Jazz im Rundfunk“ gefunden – leider nicht mehr als diese ca. 17:50 Minuten

  6. Michael Engelbrecht:

    It’s been some time.


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