… Dieter Hallervorden ruft also alle Kabarettisten auf, jetzt Stellung zu beziehen. Auch wenn ich kein Kabarettist bin: Das können Sie haben.
Allmählich wird die Sache nämlich lächerlich.
- Böhmermann wird nicht ins Gefängnis gehen (jede Wette), und auch sonst wird niemand wegen eines Satirebeitrages geköpft oder mit Publikationsverbot belegt werden. Böhmermann wird — wenn überhaupt ein Verfahren eröffnet wird — im ungünstigsten Fall mit einer überschaubaren Geldstrafe davonkommen. Danach kann er seinen Job weitermachen. So what.
- Erdogans Klage gründet auf einem Paragrafen, der derzeit noch geltendes Recht ist. Die Kanzlerin kann das nicht ignorieren. Sie kann allerdings, und das hat sie getan, die Streichung des betreffenden Paragrafen noch für diese Legislaturperiode in Aussicht stellen. Mehr kann man im Augenblick wohl kaum verlangen.
- Die Leute scheinen mehrheitlich nicht zu verstehen (oder wollen es nicht verstehen), dass die Kanzlerin gerade dadurch, dass sie die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erlaubt, kein Urteil abgibt und auch keine Bestrafung Böhmermanns fordert oder nahelegt. Hätte sie die Genehmigung nicht erteilt, dann wäre das ein aktiver Eingriff der Regierung in die Arbeit der Justiz gewesen — und das sollten wir uns lieber nicht wünschen.
- Comedians oder wer sich in Deutschland sonst noch für einen Satiriker hält, scheinen seit einigen Jahren zu erwarten, dass sie unter dem Deckmäntelchen „Satire“ nach freiem Belieben herumpöbeln und auf unterstem Niveau sinnfrei beleidigen dürfen (und sich dabei oft noch auf das Zitat „Was darf die Satire? Alles!“ aus einem Tucholsky-Artikel berufen, den sie entweder nicht verstanden oder gar nicht erst gelesen haben).
Nun hat sich halt mal jemand dagegen gewehrt, und prompt geht ein großes Gegreine los. Aber gibt es da nicht auch so etwas wie die Verantwortlichkeit für das eigene Handeln? Böhmermann hat sich seine Suppe selbst angerührt — OK, das soll er von mir aus dürfen, aber er muss dann auch bereit sein, die möglichen Konsequenzen zu tragen. - Leute wie Dieter Hildebrandt oder Lore Lorentz wären in eine solche Situation nie hineingeraten. Die hatten ihren Tucholsky nämlich gelesen — und verstanden.
Alles klar, Herr Hallervorden? Eigentlich sollte man solche Dinge einem bekennenden Liberalen nicht erklären müssen, aber im Augenblick scheinen wohl alle verrückt zu sein.