Der Bundespräsident sprach vom Völkermord an den Armeniern. 1915. Und das war die schlichte Wahrheit. Da braucht es keine Haarspaltereien. Die Geschichtsschreibung hat auf dem Weg seriöser Forschungsarbeit zu diesem Begriff gefunden. „Es steht heute außer Frage, dass die Massaker und die Massentötung der Armenier in den Jahren 1915 bis 1916 als Völkermord zu bewerten sind“, sagt der Historiker Norman Naimark, Professor an der Stanford University in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Die Forschung ist sich in dieser Frage einig.“
Im Auswärtigen Amt und im Bundeskanzleramt wollte man davon nichts wissen. Die Bundesregierung verständigte sich anfangs mit den Fraktionsspitzen der großen Koalition für die Bundestagsdebatte an diesem Freitag auf einen Entschließungsantrag, in dem das Wort vom Völkermord nicht auftauchte. Denn das hätte ja türkische Empfindlichkeiten verletzen können. Armenische Wahrheiten sind ja nicht so wichtig, oder? Peinliche Suche nach Euphemismen. Manchmal ist eine Stilfrage etwas, das weit über das Formale hinausweist. In New York zogen Tausende von Armeniern durch die Strassen in Erinnerung an die Greueltaten der Türken vor 100 Jahren. Der armenische Blues klingt bis heute durch. Etwa in den Duduk-Klängen von Djivan Gasparyan.