Er hatte angeblich ein kleines Haeuschen auf Sylt und ein grosses Champagnerstreifenglas. Auf die Insel wuerde er jederzeit zurueckkehren, notfalls auch tot. In Kampen sind diese Gaeste dann alle gleich. Die lila Krawatte und das feine Tuch liegen inzwischen brach, sein Gang nach Zuerich ist gewiss. Ich hoerte mir nach der Lektuere ueber den Tod von Raddatz ein paar Songs von Warren Zevon’s letzter CD THE WIND an. Sie haetten einander gemocht. Die lyrische Ader, das schriftstellerische Talent von Warren haetten Fritz gefallen. Welche Farbe wuerde ich dem Klang dieser Lieder geben? Blau dachte ich, auf keinen Fall lila. Moeglicherweise eine Einwebung von einem Syltersonnenuntergangs ROT. Es waren die Kuenstler vom Bauhaus, die darueber diskutierten: welcher Klang hat welche Farbe. Nach ihren Studien musizierten sie zusammen, bildeten die Bauhaus-Kapelle, in der nur eine Frau spielte: Lotte Gerson. Als der amerikanische Jazz in der Gruppe Gefallen fand, spielte die Amerikanerin Saxophon. Ich kann keine Tonaufnahme von ihr finden. Sie bekommt ein Weiss, weiss ist keine Farbe.
5 Comments
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Uwe Meilchen:
http://www.zeit.de/2015/12/fritz-j-raddatz-nachlass-tagebuch
Seine beiden Buecher mit seinen Tagebuechern sind eine empfehlenswerte Lektuere; ein Blick auf eine kulturelle Welt, die leider lange schon untergegangen ist. Und auch nicht wiederkehren wird.
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Lajla nizinski:
Untergegangen? War die da?:)
Ich habe nur das erste Tagebuch von FJR gelesen und fand seine Offenbarungen ein Genuss. Was er über Grass und Hochhut sagt, ist wirklich schmutzige Wäsche, aber die tragen sie auch.
Ob man sich noch einmal so narzistisch verabschieden muss, wie es Raddatz jetzt in diesem Brief an Fest getan hat? Es passt zu seinem Leben.
Ich werde ihn auf Sylt bezeugen. -
Uwe Meilchen:
Denke schon dass die da war ! :-D
Wenn ich mich erinnere welche Beitraege von Schriftstellern Raddatz in die ZEIT gehoben hat waehrend er Kulturchef war, welche Diskussionen und Diskurse er dort, nun ja, angezettelt hat und wie langweilig der Kulturteil der ZEIT mittlerweile geworden ist….
Dazu passt was DIE ZEIT als Nachruf auf Raddatz ins Blatt gehoben hat: eine Doppelseite bestehend aus Erinnerungen von Herrn Greiner, den Raddatz zur ZEIT geholt hatte und der sein Nachfolger wurde: sehr persoenlich geschrieben; und auf der zweiten Seite ein Auszug aus einem Briefwechsel zwischen Gerd Bucerius und Raddatz als beide sich ueber die Verfilmung von „Das Boot“ zankten. –
Damit nimmt dann DIE ZEIT Abschied von ihm ? Sonst nichts?! Kein komplettes ZEIT MAGAZIN, dass man diesem Mann mit Auszuegen aus seinen Reportagen und Essays fuer die ZEIT fuellt ?
Keine Erinnerungen von anderen Schriftstellern, die Raddatz gekannt haben ?
So schnell also ist „man“ dann vergessen ?
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Lajla Nizinski:
Fuer das ZEITMAGAZIN haette Raddatz eine 15000 Euro Uhr sein muessen,das sind doch mittlerweile deren Themen.
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Uwe Meilchen:
Ja, ganz recht…., diese unsaeglichen Photostrecken, ueber unzaehlige Seiten „gewaelzt“ um teure Uhren vorzustellen. Das ZEIT MAGAZIN stand einmal fuer etwas anderes; fuer guten Journalismus!
Aus dem Gespraech, dass Arno Widmann im Januar mit Raddatz fuehrte:
„Ich glaube nicht, dass die zwanghafte Kürze etwa beim Twittern eine neue Ästhetik hervorbringen wird. Das fördert nur Oberflächlichkeit, die vorgebliche Informationsfülle, der wir heute ausgesetzt sind – dabei wissen wir nicht einmal genau, was zum Beispiel in der Ukraine los ist, oder, um bei der Kultur zu bleiben, wer heute in den USA malt. Wer sind dort die jungen Autoren von heute? Wissen nur wir das nicht? Oder weiß man das nicht, weil sie untergehen in der Überfülle von angeblicher Information? Wir sind heute mit all diesen Medien dümmer, als wir ohne sie waren. Wir leben in einer Zeit des pseudo-informierten Analphabetentums. Was ich in den Medien lese oder höre, ist fast nur noch Schrott. Grass war in der NSDAP, weiß die taz – war er nicht. Tucholsky hat gesagt, die Karikatur darf alles, weiß 3sat – hat er nicht. Etwas „unglaubwürdig“ habe Vasari gelesen, was Roberto Zapperi über die Renaissance schrieb, weiß die Literarische Welt – vielleicht doch eher „ungläubig“? Ganze Sätze, die wir hören oder lesen, geben heute keinen Sinn mehr. „Sonst klingen unsere westlichen Werte nur nach freiem Handeln und Freihandel“ – schreibt die FAZ. Die Deutschen strebten „nach den Unbilden einer Diktatur“ nach Frieden – formuliert Die Zeit; was, bitte sehr, sind „Unbilden einer Diktatur“? (Auch „die Unbill“ wäre eine faule Frechheit). Ich könnte Sie jetzt ohne Probleme mit 50 Beispielen dieser Mischung aus Dummheit und Schlamperei langweilen. Was man wissen könnte, wird weggebürstet durch Schnelligkeit. Schnelligkeit taugt nicht für Kultur. Die braucht Zeit. Zeit, um die „Buddenbrooks“ zu lesen, zu verstehen, nachzulesen: Wie war das mit Tony und mit Herrn Grünlich? Das ist alles weg. Es ist ein ganz großer Radiergummi über das kulturelle Gedächtnis hinweggegangen. Jeden Tag wird mehr ausradiert.
Und der russische Film, der jetzt den Golden Globe bekam?
Sie meinen „Leviathan“ von Andrej Swjaginzew. Er soll sehr interessant sein, aber ich habe ihn nicht gesehen. Kultur ist ein Gewebe. Kultur muss großgezogen werden wie ein junges Kätzlein. Kultur braucht ein Umfeld, das sich um sie kümmert, sie nährt und kritisiert. Geschieht das nicht, dann meint das Publikum zu ernten, in Wahrheit aber ist nichts da. Man hat sich nicht die Mühe gemacht und hat sich nicht die Zeit genommen, etwas wachsen zu lassen.“