Es kommt selten vor, dass journalistische Beiträge so hintergründig daherkommen, dass man es erst beim zweiten Lesen entdeckt. Ich mag die Kurzrezensionen in der Jazzthetik und wunderte mich über eine Besprechung, die zur Hälfte aus einer Bewertung der Platte und zur anderen Hälfte aus einem P.S. bestand. Bis ich den Zusammenhang sah. Da hatte jemand tatsächlich die Jukebox entdeckt, über die Peter Handke damals (wir befinden uns im Jahr 1990) vielleicht sein nächstes Buch schreiben wollte. Handke hatte die Jukebox in Linares, Spanien, verortet. Im Altas fand ich den Ort ungefähr 200 Kilometer südlich von Madrid, im spanischen Mittelgebirge. Dort steht die Jukebox, in Marmor gefasst, im Musikzimmer eines Pflegeheims. Sie enthält Arbeiten von Robert Wyatt, Markus Stockhausen, John Zorn, John Cale und ein Frühwerk von Jan Garbarek: “Sart”. Über die Sammlung der Videoaufzeichnungen konnte ermittelt werden, dass immer vor Mitternacht ein alter Mann in gestreiftem Pyjama und mit zurückgekämmtem (um diese Uhrzeit aber ungekämmtem) Haar das Musikzimmer betrat und immer dieselbe Taste drückte. M 15X2. Das heißt: Julee Cruise: „I Remember“, aus dem Album „Floating into the Night“, produziert von David Lynch.
– „I Remember“, der Titel klingt schon ein bisschen sentimental.
– Unterschätzen Sie den Musikgeschmack alter Männer nicht.
– Ich höre gleich am Anfang die Zeile „I remember the sign and the way you sent it to me“. So ein hübscher kleiner Anknüpfungspunkt für jeden, der ein bisschen erinnerungsselig veranlagt ist. Das dürften so ziemlich alle Bewohner eines Pflegeheims sein.
– Nicht so voreilig. Das Stück hat es in sich. Nach ein paar Takten, noch bevor man es sich bequem gemacht hat in einem Erinnerungsbild, wird die Melodie gebrochen, die Tonleitern wechseln, alles wird schräg, es ist wie im Leben. Hören Sie auf die Wandlungen, die Verwandlungen. Is it a dream?