Die Praia de la Costelejo (so ähnlich heisst sie, im Moment steht mir nicht der Sinn nach Reiseführern) erklärte ich rasch zu meinem Lieblingsstrand. Mit der ausgebauten Strasse von Bispo leicht zu erreichen. Gestern schon zum zweiten Mal dagewesen, im Discman lief, zwischen zwei Gängen zu den Wellen (eine sehr kräftige Brandung!), „Cease To Matter“ von Burnt Friedman und Daniel Dodd-Ellis. Diese Musik unterläuft mit ihrer schrägen Beats die 4/4-Motorik von Techno, und es passieren bei Burnt Friedman sowieso überraschende Dinge: nichts zirkuliert so lange, dass man sich von einem Loop gefangen fühlt. „I’m wearing my coffin over my head, wrapped in linnen when I’m dead“: solche Zeilen geistern durch dieses spoken-word-Electronica-Album. Der Blick auf die Wellen, und diese Musik – Stoff zum Einssein mit dem Strand (nein, auf keinen Fall was fürs CT, Wolfram!).
Ich schaute mir die Bucht lange an. Vorgestern, gestern, heute. Es gibt drei „Wellenzonen“. Auf die erste triffst du schon früh, wenn du ins Wasser geht. Eine ungeschickte Bewegung, und du landest auf dem Sandboden. Nicht weit rechts und links von dir hockt unangehmes Felsgestein im Wasser, da hältst du dich besser fern. Dir gefällt die Zone zwischen der ersten und zweiten Wellendünung besonders gut. Da musst du mächtig hochspringen, wenn sich die Gischt bricht, sonst wirst du mit Wucht überspült, und rappelst dich wieder hoch. Du achtest darauf, nie tiefer als bis zur Hüft- oder Schulterhöhe im Meer zu sein. Die dritte Zone: faszinierend hoch, da siehst du nur Surfer. Als reiner Schwimmer ohne Flossen, ohne Brett: gute Nacht.
Ich wundere mich, wie wenig Menschen hier baden. Morgens um 11 ist es noch recht leer, Surfer, ein paar Sonnenanbeter, und ich bin rasch wieder hinter der ersten „Zone“: in meinem Element, denke ich. Ich bemerke nicht, wie ich von einer Seitwärtsströmung in einen anderen Raum getrieben werde, mit jedem Sprung über die Gischt etwas mehr, ich vergesse zurückzuschauen, und will nun, die Brandung wird kurztaktiger, was ist hier los, zurück ans Ufer.
Beim Rückwärtsgehen gerate ich in eine Untiefe (es muss doch eigentlich Tiefe heissen), verliere den Boden unter den Füssen. Als ich auftauche, trifft mich eine weisse Gischt, ich bin nicht mehr in meinem Element, und ich werde weiter seitwärts gerissen, schlage auf einem Felsen auf, ich finde keinen Halt, es ist glitschig, die nächste „Tiefe“, ich reisse eine Hand hoch und rufe in den folgenden Sekunden, die bald eine ewige Minute währen, um Hilfe, wie noch nie in meinem Leben!
Ich schlage mich wiederholt an spitzem Fels, rutsche unter die Brandung, schlucke das Meerwasser. Aus den Augenwinkeln sehe ich niemanden kommen. Todesangst. Die nächste Welle erwischt mich und wirbelt mich Richtung Ufernähe. Der Atem rast. Aber ich spüre den Sand unter meinen Füssen. Bleibe eine Weile so stehen, krümme mich, um etwas Atem zu holen, und blute wie Sau. Der „Life Guard“ ist mittlerweile da, mit radebrechendem Englisch begleitet er mich zu seinem Kabuff, und sprüht Desinfektionsmittel über die Wunden. Ich sei schon gestern, sagt er mir, zu weit gegangen.