Damals, als ich noch „Bravo“ las und 12 Jahre jung war, war ich immer scharf darauf, Neues von meinen Helden zu lesen, den Kinks. Sie verfassten einen Wahnsinnssong nach dem andern, und ich erinnere mich genau an späte Abende, an denen ich zum ersten Mal unter der Bettdecke, auf einem Transistorradio (einmal war es ein silbernes, einmal ein graues), „All Day And All Of The Night“ und „Mr. Pleasant“ hörte. (Ich wollte seinerzeit unbedingt die ganze Nacht und den ganzen Tag mir Manuela verbringen.)
Seltsamerweise weiss ich nicht mehr, wann ich das erste Mal jene beiden Songs hörte, die seitdem nie mehr aus meinen „Top Twenty aller vergänglichen Zeiten“ herausgefallen sind, „Sunny Afternoon“ und „Waterloo Sunset“. Man vergisst solche ersten Male wohl, weil sie überwältigend sind. All dieser Magie zum Trotz konnte ich in der „Bravo“ lesen, dass die Jungs sich gerne auf der Bühne prügelten, betrunken Konzerte abbrechen mussten, und offensichtlich jede Menge privaten Irrsinn mit sich rumtrugen. Die Rivalitäten zwischen den Brüdern Ray und Dave traten zunehmend zutage, und ich musste früh um den Bestand meiner Lieblingsband bangen.
In den Jahren darauf wurden die Ewigkeitslieder, seltener, die Alben kleine, skurrile Gesamtkunstwerke. Ray Davies stimmte nie gross in den „Summer of Love“ ein, lebte fast zurückgezogen, sang Lieder über den „five o’clock tea“ bei seiner Oma, schrieb Songs und das Verschwinden der Dampflokomotiven und Grünflächen in alten Stadtvierteln. Er porträtierte die Restbestände der englischen Arbeiterklasse, bevor Maggie Thatcher ihr den Rest verpasste. Er überstand den Blues, als Chrissie H. ihn verliess, und eine Schussverletzung in New Orleans.
Und jetzt feiert er in London, am 9. August oder September, in der Royal Albert Hall (oder da in der Nähe, auf jeden Fall an der South Bank, gegenüber von Waterloo Station), sein 50-Jähriges Bühnenjubiläum. Und mein alter Freund Ed aus Bad Windsheim hat drei Karten erstanden, für Frau, Sohnemann und sich. Ich überlege, aus purer Lust und Sentimentalität, mich ihnen anzuschliessen, und von Schwarzhändlern vor Ort ein masslos überteuertes Ticket zu kaufen. Ich glaube, das muss sein. Ich wäre doch blöd, wenn ich da nicht auftauchte.