Manafonistas

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2013 3 Juli

Niemandsverfassung

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | Comments off

Von unten schallt laute Reggaemusik herauf und dichter Marihuanaqualm zieht ins Zimmer. Trotzdem versucht Tschechov sich zu konzentrieren und seinen Text zu lernen. Es wird Shakespeare gespielt werden. Jemand liegt neben ihm auf dem Bett, kuschelt sich an ihn. „Antonio, hör mal! Trifft das nicht auch auf dich zu?“ flüstert die dunkelhaarige Schöne und liest aus einem Buch von Jorge Luis Borge, auf dessen Umschlag nur ein gelber Strich zu sehen ist und auf dem Everything & Nothing geschrieben steht:

„In ihm war niemand; hinter seinem Gesicht … und hinter seinen Worten, die üppig, fantastisch und wildbewegt waren, stand nicht mehr als ein kaltes Wehen, ein Traum, der von niemandem geträumt ward … Als er (Shakespeare) einige zwanzig Jahre alt war, ging er nach London. Instinktiv hatte er sich schon zu dieser Zeit angewöhnt, so zu tun, als sei er ein anderer, damit seine Niemandsverfassung nicht herauskäme; in London fand er einen Beruf, der für ihn prädestiniert war, nämlich den des Schauspielers, der auf der Bühne spielend so tut: als sei er ein anderer, vor einer Ansammlung von Leuten, die spielend so tun, als hielten sie ihn für einen anderen!“

 

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