Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

Er schreibt grosse kleine Romane, in denen nicht viel passiert. In der Regel ist schon alles passiert, wenn der erste Satz geschrieben wurde. Mit Louis Malle schrieb Patrick Modiano das Drehbuch zu „Lacombe Lucien“, und sein autobiographisches „Familienstammbuch“ beginnt mit einem Zitat von Rene Char: „Leben heißt, beharrlich einer Erinnerung nachzuspüren“. Meist spürt er den Geschichten von Fremden nach, vor allem den Löchern in diesen Geschichten, den verwischten Spuren. Manche wurden Opfer der Nazis, manche verschwanden ungeklärt. In seinen schmalen Büchern entwickelt sich ein sanfter flow, ein Modiano-Sound, der die Trauer daran hindert, auf der Stelle zu erstarren. Eine robuste Beharrlichkeit ist da am Werk. „Modianos Beschreibungen lesen sich, als würde die schwebende Melancholie von Miles Davis‘ Trompete in Louis Malles ‚Fahrstuhl zum Schafott‘ immer mitklingen“, schrieb Wolfgang Schneider mal in der FAZ.

Am 3. März jährt sich das letzte Lebenszeichen von Julius Hirsch zum 70. Mal. Hirsch wurde über Dortmund nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Seine letzte Postkarte mit dem Text „Meine Lieben. Bin gut gelandet, es geht gut. Komme nach Oberschlesien, noch in Deutschland. Herzliche Grüße und Küsse euer Juller“ war in Dortmund abgestempelt – offenbar hatte er sie aus dem Zug geworfen. Wäre Patrick Modiano Dortmunder, er könnte aus dem Leben des Fussballers eine Erzählung schaffen. Aus den Löchern, den Brachräumen und Bruchstellen.

Hirsch war als Fußballer für den Karlsruher FV und die SpVgg. Fürth aktiv. Zwischen 1911 und 1913 bestritt er sieben Länderspiele für Deutschland und nahm an den Olympischen Spielen 1912 teil.

Zu Ehren Hirschs hat die BVB-Fanabteilung gemeinsam mit dem Fan-Projekt Dortmund, dem Jugendring und der Jüdischen Kultusgemeinde eine Gedenkfeier am Dortmunder Südbahnhof organisiert. Am 3. März 2013, 12 Uhr.

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1 Comment

  1. Gregor Mundt:

    In dem Buch „Dora Bruder“ von Modiano geht es um genau das „beharrliche Nachspüren von Erinnerungen“. Die Geschichte handelt von einer Suche nach einer vermissten Frau. Modiano hat in einer alten Zeitung vom Dezember 1941, dem Paris-Soir, eine Suchanzeige gelesen. Vermisst wird Dora Bruder. Modiano macht sich auf eine jahrelange Suche. Davon handelt dieses wunderbare Buch. Ergänzend möchte ich hier „Das rote Fahrrad“ von Agnes Zsolt dringend empfehlen. War in „Dora Bruder“ das Thema, dem Schicksal einer Jüdin nachzuspüren, geht es in diesem Büchlein um ein Tagebuch, es ist das Tagebuch des 13-jährigen ungarischen Mädchens Éva aus dem siebenbürgischen Várad, die in Auschwitz ermordet wurde.Das Büchlein erschien im letzten Herbst im Nischenverlag. Dieser wurde in Wien im letzten Jahr gegründet. Der Verlag hat sich auf die Fahnen geschrieben, Bücher zu veröffentlichen, die in größeren Verlagen keine Chance auf Publikation haben. Eröffnet wurde das Programm des neuen Verlages mit genau diesem Buch „Das Rote Fahrrad“.


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