Vom Suchen und Finden der Liebe (D, 2004) von Helmut Dietl …
… und von deren Verlieren – müsste es noch heissen, denn damit beschäftigt sich der Regisseur (in süddeutschen Landen wohlbekannt durch BR – Serien wie Monaco Franze und Münchner Gschichten), wohl unter dem Eindruck der Trennung von seiner Entdeckung Veronica Ferres, mit der er dann als erstes Schtonk und dann Rossini drehte und die ihm nach neun Jahren davonlief woran er lange knabberte bis er den Komplementärtypus dazu fand und ehelichte und bis zu seinem Ende verdiente Ruhe im Karton hatte. Also auch eine Beziehungsaufarbeitung, das gefällt den Tiefengründlern ja immer.
Neben einigen Knallern drehte er auch einige Rohrkrepierer wie sein grosses Alterswerk Zettl, wohl eine Anspielung auf Arno Schmidts Alterswerk Zettels Traum, wiederum eine Anspielung auf eine Figur aus dem Sommernachtstraum; und im Gegensatz zu Schmidt und Shakespeare hat er sich bei der Flut von Anspielungen und Träumereien gewaltig verzettlt und letztlich konnte trotz Starbesetzung mit diesem Film niemand mehr viel anfangen.
Das Suchen und Finden der Liebe ist sein am wenigsten bekannter Film und floppte in den Kinos, was in der Regel ein Zeichen ist dass man ihn sich – vor allem wenn es in München passiert – unbedingt ansehen sollte, wie der ortskundige Cineast weiss. Der einzige Film übrigens, den ich mir zweimal unmittelbar hintereinander angeguckt habe, das ist auch schon eine Art Diplom.
Der Plot ist eigentlich ein trauriger und im Grunde banal: Ein Liebespaar schafft es immer wieder aufs neue seine Beziehung zu vergeigen und Trennung und Kummer herbeizuführen. Dabei wird der Orpheus-verliert-Eurydike-Mythos mit leichter Hand eingewebt – eine Geschichte über eine Inbesitznahme durch den Blick, hier einen verfrühten Blick, als die Götter noch die Rechte auf die begehrte Frau beanspruchten. Hier in der pfiffigen Variante dass Orpheus beim Verlassen des Hades, wo er durch Suizid gelandet ist, hinter Eurydike herläuft, die ihn wiederhaben will und sie diejenige ist die sich nicht umdrehen darf, aber der Herr sie dann mit uncharmanten Bemerkungen über ihren Hintern letztlich doch dazu bringt und damit die endgültige Trennung herbeiführt.
Der schwule Götterbote Hermes im Goldlamé-Fummel ist hocherfreut, ihn wieder mit in den Hades nehmen zu dürfen und erste Verführungsversuche zu starten (ja, ist nicht woke, ich weiss, aber vor 20 Jahren ging das noch was heute Schreikrämpfe zeitigt, da assen wir ja auch noch Negerküsse ohne Gewissensqualen) – Heino Ferch hier mal nicht tiefernsten pokerfacigen Kommissarenmief verbreitend sondern flott gegen den Strich besetzt und offensichtlich froh über zu betretendes darstellerisches Neuland in dem er sogar mal grinsen darf. Daneben als Buffopaar Uwe Ochsenknecht und Anke Engelke als terminüberflutetes Staranwaltspaar, das sein spärliches Sexualleben nur noch mit Hilfe des Terminkalenders regeln kann, bis es schliesslich gar nichts mehr gibt was man noch regeln müsste. Die Stars kamen wenn Dietl rief, winkte ihnen doch ein kurzer Ausbruch aus manchmal angeranzten Rollenklischees, die man ihnen sonst zum Herunternudeln anvertraute. Ochsenknecht reist sodann als eine Art moderner Odysseus nach Griechenland – wo sich alle Protagonisten treffen, weil da logischerweise der Eingang zum Hades lokalisiert ist. Er strandet bei der Hirtin Kalypso, züchtet fortan Schafe und lernt etwas über die Rolle von Spontaneität im Sexualleben.
Das ist alles frischfröhlich witzig erzählt und eine Erholung für den deutschsprachigen Konsumenten von vorhersehbaren Komödien, ihren Knallchargen von gutaussehenden aber charmant-trotteligen Helden, toughen Emanzen oder Emanzenwerdenwollenden, gschnappigen Kindern und Kreationen von neuen Tiergattungen wie Hasen ohne Ohren und Küken, mit deren zwei sowie anderen Stereotypen und cineastischen Perseverationen – und vor allem den sich dauernd wiederholenden Mustern: Von Exgeliebten, die dem Charmebolzen das gemeinsame Kind vor die Tür stellen, von dem er im übrigen nichts weiss und die jetzt Karriere machen wollen und der Bolzen sich beim Wickeln extrem blöd anstellt und das Kind ihn dann doch zu einem brauchbaren Vater erzieht … was hamwa gelacht!
Und die Konsumentin macht sich nun ein paar warme Gedanken, was wohl eine gute Komödie ausmacht und landet zunächst bei Altmeister Shakespeare … wo denn auch sonst wenn’s um Komödien geht? Der liess nie einen Zweifel daran, dass ein Spiel ein Spiel ist und in der Schlussszene sorgte er dafür, dass der finale Schauspieler oder der Narr das Verweilen in Phantasieräumen beendete und wieder für die nötige Realitätsanbindung sorgte. Da schüttelte man sich dann immer ein bisschen – und der Regen, er regnet jeglichen Tag, wir wissen’s schon, haben’s nur kurz mal vergessen.
Das Liebespaar (wenn sie nicht als mythologische Figuren agieren heissen sie Mimi und Venus) hat sich verloren. Mimi bekommt einen mehrstündigen Ausgang aus dem Hades, wo ihn vermutlich Hermes noch immer mit Beschlag belegt, und trifft Venus – anmutig ergraut – bei einem ihrer Konzerte in dem sie von ihm komponierte Lieder singt: Wohin geht die Liebe wenn sie geht? – eine durchaus berechtigte Frage, denn nach den Gesetzen der Naturwissenschaft kann ja schlechthin nichts so einfach verschwinden, sondern eher seine Gestalt wandeln oder in irgendeiner gemütlichen Entropie enden. Sie erkennen sich, lassen es sich aber nicht anmerken und gehen nach kurzem Smalltalk wieder auseinander – sie haben erkannt, dass von der Liebe nichts mehr geblieben ist als eine milde Sympathie und es nichts mehr aufzukochen gibt.
So weit, so gut – nur: Wie bekommt man diese seltsam schwebende, beschwingte Atmosphäre hin und hält sie während des gesamten Plots durch selbst dann, wenn der Humor platt zu werden droht und es dann doch nicht wird? Wie vereinbart man die Leichtigkeit des Erzählens mit der Schwere einer schiefgelaufenen Liebe, bei Gott kein beschwingtes Thema? By the way bin ich auch ein Fan von Billy Wilder und seinem knallenden Wortwitz, konnte mit der nouvelle vague zuerst nicht so wahnsinnig viel anfangen (inzwischen kann ich’s besser) obwohl ich froh war dass sich etwas veränderte – die hatte auch diese eingewobene melancholische Brechung und sanfte Verzweiflung die mich so anzog – keine grossen Stories, keine Dramen sondern die Komik und Tragik des ganz Alltäglichen subtil herausgearbeitet und auf leisen Sohlen serviert – alles immer nur halb so schön wie man’s gern hätte – aber auch gottlob nur halb so wild, alles nur Maya, wie die Buddhisten sagen würden, ein graues Wölkchen, das auch wieder vorbeizieht. Das Halten dieser Spannung und Ausbalancieren zwischen den Polen ist hier die Kunst und das Sichwiederfinden in der Durchschnittlichkeit und Uneindeutigkeit des Lebens und der Alltäglichkeit des Scheiterns – nicht der grandiosen Beziehungsweltuntergänge, sondern all der kleinen Nadelstiche und subliminalen Gemeinheiten, die das Leben uns und wir uns untereinander zufügen und die eine ganz eigene Komik entwickeln unter einem distanziert, aber wohlwollend betrachtenden Auge. Man muss Menschen mögen wenn man dergleichen dreht, andernfalls gelangt man schnell ins Fassbindern. Ein „Ja-so-ist-der-Mensch-halt-in- einer Kleinheit“ – mir auch schon passiert. Mach was dran …
Eine Erholung vom ganzen Blockbusterkrach mit seinen rauschenden Showdowns, die oft so wenig mit einem selbst zu tun haben und eher erschlagen als auf eine andere Schwingungsfrequenz bringen.
Und so ist alles im Fluss, auf dem die nächste Tragödie dann … auch wieder vorbeischwimmt.