Klänge umfassen die gesamte akustische Dimension unseres Erlebens, sind ständig in irgendeiner Form da, selbst an den vermeintlich stillsten Orten. Sie geben uns eine räumliche, aber auch eine kontextuelle Orientierung. Gradgenau können wir in unserem ständigen laufenden Surround-Modus einen Klang lokalisieren und an der Art des Geräusches erkennen, ob sich etwas auf uns zu oder von uns weg bewegt oder ob der Ursprung gar statisch ist. Aber die Gesamtheit der Klänge an einem Ort geben uns auch eine wichtige Information, was hier gerade geschieht. Murray Schafer prägte dafür den Begriff einer Soundscape, die wie ein akustischer Fingerabdruck für einen Ort sein kann. Die Stille einer Wüste hört sich anders an als die Geräusche an einer Küste, die Naturgeräusche des Regenwaldes fundamental anders als die Klangkulisse an der Hauptwache in Frankfurt. Jeder Ort hat seine charakteristische Signatur. Doch in der modernen Welt rücken die Klänge, die im Spektrum zwischen akzidentieller und willentlicher Erzeugung entstehen, immer mehr von der Peripherie in das Zentrum unserer akustischen Lebensräume.
Die Gesichte der Zivilisation ist gleichzeitig auch eine Geschichte der damit verbundenen Klänge, bei einfachen Verrichtungen des Alltags, aber auch von Anbeginn jeglicher kultureller Entwicklung in Form von Musik, wobei es evolutionsbiologisch bis jetzt keine gute Erklärung jenseits der üblichen Plattitüden für ihre Entstehung gibt. Viel interessanter ist jedoch die Frage, was als Geräusch und was (schon) als Musik wahrgenommen wird. Dieser geht beispielsweise das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Studien nach, wobei deren wichtigstes Ergebnis zu seien scheint, dass es viel mehr von soziokulturellen Kontexten und musikalischer Sozialisation abzuhängen scheint als von der Klangquelle selbst, ob eine Folge akustischer Ereignisse als Musik erlebt wird oder nicht.
All diesen Fragen, sowie der Herstellung archaischer und archetypischer Instrumente, ihres Einsatzes in rituellen Kontexten, der musikalischen Resonanz mit der jeweiligen Umgebung und der Soundscapes der modernen Welt geht eine Ausstellung im Weltkulturenmuseum Frankfurt nach. Hier werden neben Instrumenten und deren Herstellung und Spielweisen in halb abgedunkelten Räumen auch Klanginstallationen von unterschiedlichen Orten und faszinierenden Experimenten mit Klängen abgespielt. Man kann aber auch an einem äußerst spannenden Experiment des Max-Planck-Instituts zum Musikerleben teilnehmen oder in einer anderen Ecke Klängen nachhören, die überlebt wurden und in unserer Welt nahezu ausgestorben sind. Inspirationen und Anregungen zwischen dem Zirpen der Zikaden, dem sonoren Glucksen afrikanischer Wassertrommeln, Soundscapes und dem subtilen Summen synthetischer Klangerzeuger. Danach ist nichts mehr wie es einmal war und zuvor erklang. Der Heimweg wird zu einer akustischen Dérive, einem Umherirren in der urbanen Soundscape, wobei erst langsam erfahrbar wird, wie sehr all diese vielfältigen Klangquellen letztendlich doch nicht mehr vermögen als die große Stille hinter Allem hörbar zu machen.