Ich habe Angst
in der Unmenge gleicher Nächte herum zu irren
im Deodorant ihrer Achselhöhlen,
wo es von durchsichtigen Wesen wimmelt …
(aus dem Gedicht JETZT von Iona Nicolaie)
Welche Bilderwelten öffnen sich, welche Phantasien werden getriggert, wenn man „Uncanny Valley“ liest? Unheimliches Tal ist ein Theaterstück von Thomas Melle, einem deutschen Schriftsteller und Dramatiker. Den Titel für sein Stück hat er japanischen Robotforschern entlehnt, die sich mit der unheimlichen Welt zwischen Mensch und Maschine beschäftigen. Realisiert hat Melle das Stück zusammen mit der mehrfach preisgekrönten Theatergruppe Rimini Protokoll.
Es ist schon ein krasser Einfall, einen humanoiden Roboter allein auf die Bühne zu bringen. Ich konnte zunächst den Unterschied zwischen Mensch und Maschine nicht klar erkennen. Da saß ein Mann in entspannter Haltung, mit gescheiteltem Haar und großen Händen. Er sprach mit menschlicher Stimme, die mich seltsamerweise nervte. Sie klang so echt und passte nicht zu dieser „Puppe“. Ich begann immer aufmerksamer dem Gesagten zuzuhören. Da ging es um Identitätsverlust, um Kontrollverlust oder auch um Fragen wie: Ist das Zufällige menschlich? Erst als Thomas Melle sich in einem Video outet und zeigt, wie man ihm die Maske anfertigt und den Robotkörper über den Kopf zieht, wird mir klar, dass hier ein animatronisches Double von Melle kreiert wurde, das mit seiner Originalstimme zu uns spricht. Seinen Hinterkopf kann ich von meinem Sitzplatz nicht einsehen. Es war anfangs darum gebeten worden, nicht zu fotografieren. Nach dem Ende des einstündigen Stückes, das mit sehr langem Applaus belohnt wurde, sprang ich sofort zur Bühne, um den Maschinenmann zu fotografieren. Sein Hinterkopf war ein einziger Kabelsalat. Ich bin froh, dass ich sowas nicht herumschleppen muss.
Ich bin sicher, dass ich hier der Zukunft zugesehen habe. Mich ängstigt sie nicht. Ich finde sie spannend. Ich bin aber froh, dass ich Herz und Verstand spüre. Und das andere Stück von Thomas Melle macht mich sehr neugierig: „Das Herz ist ein lausiger Stricher“.