Promising Young Woman
(GB, USA 2020) von Emerald Fennell, auf Amazon prime,
eine Empfehlung von Micha hier vor einiger Zeit.
5 Oscarnominierungen, einer verliehen für das beste Drehbuch.
Warum fühle ich mich, als hätte mich jemand in den Solarplexus geboxt? Bekanntlich bleibt einem da die Luft weg – wie man aus den Zeiten von Schulhofraufereien weiss. Und kommt erst ein bisschen später wieder … die Luft.
Der Film mit einer furios und facettenreich aufspielenden Carey Mulligan (hier Carrie), die auch die verborgensten Seiten ihrer Figur, einer Frau mit einem Vergewaltigungstrauma, auszuloten versteht, erzählt zweifellos nichts von Realität: zu gut funktionieren ihre Rachefeldzüge, zu verängstigt sind die Männer, die nächtens von ihr in die Mangel genommen werden – in der Realität wäre sie vermutlich schon viel früher um die Ecke gebracht bzw zumindest gnadenlos verprügelt und sicher noch einige Male vergewaltigt worden. Das geht alles zu easy und zu nahtlos, und die Zuschauerin geniesst das Triumphgefühl der Protagonistin und ihren Sieg über schwanzgesteuerte Machos identifikatorisch mit. Das hat den Charakter einer bitteren Komödie. Das kindlich-süsse Dekor, in dem sich Carrie vor allem in ihrem Elternhaus bewegt – die Farben Rosa und Hellblau dominieren – ist kontrapunktisch eingesetzt zu den Düsterwelten testosteronmarinierter Männlichkeit, zynischer und zusammengeschweisster Machobündelei.
Der Ton des Films ist leicht, ironisch, am besten finde ich hier das Wort lakonisch – da tut auch der Soundtrack ein übriges – Hits aus den 70ern. Die Sympathielenkung ist eindeutig, der Film spiegelt in seiner Stimmung die coole Fassade, die zutiefst verletzte Menschen manchmal zeigen, Carrie ist aber nie eine rächende Nemesis. Darunter ein tiefer beängstigender Misston.
Alles klappt bei ihr mit einer fugenlosen Eleganz und der Cleverness, mit der sie ihre Fallen stellt – trotzdem zielt der Film in die Magengrube, irgendetwas geht ungefiltert gleich ins Innere. Er vermittelt die Angst vor den Männern, das Misstrauen vor ihrer Fürsorglichkeit, mit der sie letztlich doch ihre immergleichen Ziele erreichen, man ist schnell so paranoid eingestimmt, dass man auch in dem patenten Jungchirurgen, der den Archetyp „Neue-Begegnung-die-alles-zum-Guten-wendet“ verkörpert, den Mittäter wittert. Männer sind beklemmend in diesem Film, das unterläuft seine Leichtigkeit, das zielt ins Ungeschützte und lehrt einen das Fürchten vor diesen smarten lustschwitzenden Boys und ihren gnadenlosen Festivitäten, Ritualen, scheinheiligen Junggesellenabenden und Upper-Class-Vertuschungsmöglichkeiten.
Auch Carries Geniestreich zum Ende hin ist ein grosser Triumph, auch wenn sie ihr Lebensende dabei billigend in Kauf nimmt, die Jungs werden summa summarum von einem Hochzeitsfest weg verhaftet und der smarte Jungchirurg bekommt noch post mortem sein Fett ab.
Hier müsste eigentlich das Erwachen von Carrie erfolgen, denn das Ganze mutet an wie der Traum oder Tagtraum eines Gewaltopfers, in dem alle Täter in wunscherfüllender Form ihrer gerechten Strafe zugeführt werden und die Ohnmacht eines Opfers in Macht und Stärke verwandelt wird. Mit traumwandlerischer Sicherheit: ein Stück Innenwelt eines Opfers, das zumindest in seinen Phantasien Gerechtigkeit schafft mit dem Tod als letztem grandiosen Triumph. Und im Abspann wird das von mir phantasierte Erwachen Carries mit dem Song „Angel of the Morning“ begleitet, ein Song über das Erwachen hinein in einen trüben und wehmütigen Tag, in welchem man verlassen wird.