„What is the colour when black is burned“
– Neil Young
Mit nichts gilt es so sachlich umzugehen wie mit dem Material des Fantastischen, und Träume gehören allemal dazu. Und so ist es nur der Ehrlichkeit geschuldet, zuzugeben, dass das Transkript meines Serientraums eine Version ist. Nach vielen Umzügen hatte ich das Original verloren, und die sich stetig wiederholende Sequenz aus „Swimmingpool (Ort) und Initiation (Ritual)“ lediglich aus der Erinnerung neu notiert. Die allnächtlichen Begegnungen mit der „Farbenfrau“ hatten einen Einfluss auf manches, was später kam. Love, Devotion, Surrender. Am Tag nach der Tranceinduktion gingen Erika und ich durch unser Würzburg, das sich seit den Siebzigern erheblich gewandelt hatte. Aber wir blieben dran, und suchten alte Orte aus, ob sie nun unkenntlich geworden waren oder beharrlich ihr Revier verteidigt hatten. Sie zeigte mir den kleinen Park, in dem sie Ellen Rabner zum ersten Mal geküsst hatte („im Bett war diese Traumfrau ein Sub, Micha, sie hasste die ewig anhimmelnden Blicke der Jungs, die sie stets ziemlich dumm umschmeichelt hätten“), und es war der gleiche Park, mit dem ich einst mit meiner Verlobten lustwandelte, zwischen Audimax und Studentenwohnheim. Dort, in der Friedenstrasse, fuhren wir in dem „internationalen“ Gemäuer mit dem alten Fahrstuhl in den siebten Stock hoch – was für ein sentimentaler Reflex – wo ich (lange vor Erikas Fesselungen), ein Kopfkissen mit C. teilte und die glückseligsten Monate der Siebziger Jahre verbrachte. Sie führte mich auf die Alte Mainbrücke, und liess uns das Spiel spielen, alle jene mit Namen (und die exakten Stellen dazu) zu benennen, die wir dort geküsst hatten. Erika gewann 5:2 – selbst im Fussball fast eine Klatsche. Wir kamen in jenen Spielmodus von Erwachsenen, die Witterung aufnahmen und alte Leidenschaften Revue passieren liessen – Nostalgie schwang überall mit. Obwohl, bei Erika wusste ich das nicht so genau, sie fasste mir auf der Brücke en passant in den Schritt, gab mir einen rasanten Zungenkuss und vermerkte: „6:3, Schätzchen!“ – und weiter ging es. Hier der Plattenladen von Recommended Records, wo ich die erste und beste Platte der Violent Femmes gekauft hatte. Da die Treppe zur Festung, wo sie zum ersten Mal und ohne Vorlauf eine unbekannte Schöne um einen Kuss gebeten und überrumpelt hatte, in freier Wildbahn. Ich zeigte ihr den Ort, an dem meine Lieblingsbuchhandlung war (die auch Erikas Lieblingsbuchhandlung war), wo ich Italo Calvinos „Wenn ein Reisender in einer Winternacht“ erstand. „Ich kenne so viele Menschen, Erika, die immer alles vom Ende her begreifen wollen, Italo aber bastelte seinen Roman aus lauter Kapiteln, die den Anfang einer Geschichte erzählen, der dann einfach abreisst, und anderen Anfängen Platz macht.“ Das erzählte ich ihr, als ich sie mit meinem VW Bulli nach Veitshöchheim fuhr. „Noch ein Kaffee, Süsser? Wir können heute etwas zuende bringen.“ Das zweite Endspiel. Nach jener Nacht sah ich sie nie wieder. Sie starb fünf Jahre später auf einer Autobahn im Süden Frankreichs. (an dieser Stelle die kurze Notiz, dass ich einen einzigen Ort erfunden habe in dieser Geschichte, sowie alle Namen, aus Respekt vor den Lebenden und den Toten. Und das wird auch der Fall sein, sollte ich den kleinen Roman „Der schwarze Hund von Bergeinöden“ fertigstellen, anno 2024.)