Im Januar 2021 war es recht einsam auf Sylt (man kann sich das schon gar nicht mehr vorstellen), und doch fand ich zwischen Sansibar und Samoa ein freigeistiges Paar, mit dem ich wunderbar reden konnte über die üblichen Verdächtigen einiger Manafonisten: so staunten wir unisono, wie rigoros ein gewisser Daniel Lanois letzthin seine Träume umsetzte, ohne Rücksicht auf populären Widerhall. „La Noise“ war gewiss kein grosser kommerzieller Erfolg, seine Gospelplatte aller Klasse zum Trotz auch nicht, und 36 Jahre nach „Apollo“ einen nahezu ebenbürtigen Nachfolger in der gleichen Besetzung (Eno/Eno/Lanois) abzuliefern, grenzte an altmodische Tollkühnheit.
Und jetzt also das: in einer Zeit, in der man noch Singles kaufte, wäre „My All‘ allemal dezent exzentrisch gewesen, ohne vocals, eine Abschiedsmelodie. Für den kleinen toten Bruder. Wehmütig, weit ausholend, kitschbefreit. Das neue Album, auf dem dieses Stück zu finden ist, wird Ende September erscheinen und viele verblüffen, im Gewande einer historischen Aufnahme mit allerlei raumbildenden Massnahmen.
„Der Klavierpart basiert auf einem Ansatz, den ich von Steven Tyler von Aerosmith gelernt habe. Vor einiger Zeit war Steven bei mir zu Hause und spielte auf meinem Klavier. Er zeigte mir einen Pianostil in den man einen Akkord mit der rechten Hand wiederholt und währenddessen mit der linken Hand eine bewegte Melodie spielt. Das war ein Wendepunkt in meinem Klavierspiel … Danke, Steven!“
„In einer Zeit, in der ich nirgendwo reisen konnte, hat mich die Aufnahme dieser Platte wegtransportiert. Ich konnte nach Kuba, Mexiko und Jamaika reisen. Ich konnte die Geister von Erik Satie und Oscar Peterson und Harold Budd besuchen. Ich konnte in die Vergangenheit gehen und meine Arbeit mit Brian Eno und Kate Bush und Emmylou Harris erleben. Und das alles, ohne jemals mein Studio zu verlassen.”
Um die zeitlos klingenden Aufnahmen auf „Player, Piano“ zu erzielen, machten sich Lanois und Lorenz daran, jedes der drei Klaviere im Studio umzugestalten, die Saiten mit Geschirrtüchern zu dämpfen und den perkussiven Aufprall der Hämmer abzuschwächen, indem sie kleine Filzkissen auf die Köpfe legten. Für die Aufnahmen wurden alte Bändchenmikrofone verwendet, die nicht vor, sondern hinter den Instrumenten angeordnet wurden, um den Klang noch weicher zu machen.
„Ich beschloss, dass ich eine Klavieraufnahme machen wollte, die wie Aufnahmen aus den 40er und 50er Jahren klingen sollte, als das Klavier noch weich und schön war“, erklärt Lanois. Und lässt dabei, zum Glück, ein paar Fragen offen.