Schon beim ersten Album von Dictaphone, lang ist es her, kommt man sich vor wie in einem „film noir“. Und das paast doch, ganz aktuell, zu unseren jüngsten Erkundungen des Unheimlichen. Erst William Friedkin in extenso, und bald, holladiewaldfee, „Murder By Contract“ (ein Lieblingsfilm des Regisseurs von „Taxi Driver“) und „Daughters Of Darkness“.
Dass dieser Ausdruck – film noir – mittlerweile schon unter Klischee- und Gaukeleiverdacht steht, geschenkt. Die Strassen sind verregnet, auch das lässt sich verkraften – zum Glück bleibt uns der gesammelte Kitsch betont schauriger „Saxofon-Sounds“ erspart. Nein, Dictaphone steht für eine andere Art von „noir“ – kein historisches, kein abgegriffenes Schwarz, und sowieso hatte die Formation nie im Sinn, dunkle Musik zu machen. Ihre Musik schlägt überall Funken, flackert, fingiert. Und, keine Frage, wir sind alle Detektive!
Der mit den aufgesperrten Lauschern (ein Foto, erinnert, zu finden aussen oder innen auf einem ihrer Alben) könnte Sam Spade sein, er folgt unverdrossen den Spuren hauchzarter „electronics“ und fragmentierter Luftblasen. Das Lächeln in seinem Gesicht versteht kein Aussenstehender. Was geht unserem „private eye & ear“ durch die Sinne – wie in einer Stadt aus Glas sind überall und nirgends Zeichen, er ist von Traumsphären umgeben, alle linearen Handlungsfäden Gespinste – was bleibt ihm anderes übrig als seinem alten Trenchcoat-Gespür zu trauen, niemand kann Peter Falk böse sein.
Das Duo Dictaphone bildete sich vor der Jahrtausendwende, der Weg führte von Berlin nach Brüssel, und Doerell und Doering (die Namen passen so gut zueinander wie Moebius und Roedelius) schufen eine Musik, die selbst in der damals angesagten Welt der Fehlerklänge, Klangsplitter und Morsefunkerei einzigartig war. Sie sind anscheinend noch immer, anno 2022, ein gut gehütetes Geheimnis. So kristallin, dabei nie keimfrei: wäre ECM ein Label für Elektronische Musik, Dictaphone wären dort Superstars.
Wer die Lust am Müssiggang für keine lohnenswerte Option des Daseins hält, hat bei Dictaphones Illusionskunst schlechte Karten. Aber wer auf einem offenen Feld bei einbrechender Dunkelheit und schweren Gewölk gerne in grosser Seelenruhe auf den ersten Blitzschlag wartet (bei einem stattlichen Honorar nimmt man auch den Tod in Kauf, das wissen alle privaten Ermittler), der wird reichlich beschenkt.