Hallo, Michael, liebe Manafonisten!
Das Buch geht natürlich rum hier in London, in bestimmten Kreisen. Zunächst liest sich „Souvenir“ von Michael Bracewell wie eine Reihe von Postkarten aus der Vergangenheit, denn der Autor verwendet Fotos, Schallplatten und Bilder von alten Schlafzimmerwänden, um sich an sein Leben in der Hauptstadt zu erinnern, als der staubige Modernismus der späten 70er Jahre allmählich einem neuen digitalen Pop-Zeitalter weicht. Er ist ein lyrischer, rhapsodischer Autor, aber sein Stil hat sich schon immer der nackten Mechanik einer Standardbiografie oder -geschichte widersetzt. Befreit von solchen Bedenken verliert er sich hier in reichhaltigen, beschwörenden Träumereien über alles Mögliche, vom Walkman und PiLs Metal Box („eine postindustrielle Winterreise… von einem Ort mit verlassenen Schrebergärten und Oberleitungen“) bis hin zur „verzweifelten Müdigkeit“ im Haus seiner Eltern in der Vorstadt. Teils Lobrede, teils Elegie – Bracewells verschwommene, halluzinatorische Memoiren scheinen keinen anderen Zweck zu haben, als zu transportieren, und der Leser hat keine andere Wahl, als sich seiner kraftvollen, hypnotischen Prosa hinzugeben und sich selbst als Zeitreisender oder Geist vorzustellen, der in einem verschwundenen London umhertreibt, das irgendwo zwischen Nachkriegsverzweiflung und futuristischem Optimismus liegt.
So long,
Andreas Mahl