Liebe Manafonisten!
Lasst uns etwas nostalgisch werden. Monate ohne Regen und die luftlosen Tage und Nächte mögen an der Algarve oder in Südfrankreich nichts Außergewöhnliches gewesen sein, aber in Großbritannien waren sie ohne Beispiel. Der Sommer 1976 gilt bis heute als Maßstab für lange, heiße Sommer. Das war bei euch für Jahrzehnte genauso, und Jo, du dürfest dich sicher an den „hot summer of 76“ erinnern. Auch Lajla, Jan, Rosato (lustiger Name!), oder Michael. Für einige von uns waren es wilde Jahre. Seitdem gab es zwar noch weitere Hitzeperioden, aber kaum eine schien so unbarmherzig und entnervend zu sein. England schmolz zu einer kollektiven Pfütze zusammen.
Das Album „76 In The Shade“ war damals wahrscheinlich für niemanden der richtige Soundtrack des Jahres, der auch Bowies „Station To Station“ und Abbas „Greatest Hits“ hätte enthalten können. Stattdessen hat Bob Stanley von Saint Etienne eine Compilation zusammengestellt, die klanglich den Sommer von 1976 selbst heraufbeschwört, seine süße Hitze und fast narkotische Lethargie.
Wer aus der Sonne kam, saß vielleicht drinnen mit eingeschaltetem Radio und hörte die verträumte Trägheit von „You Are My Love“ von Liverpool Express, „I’m Mandy Fly Me“ von 10cc oder die Emotions Flowers.
Oder hat sich vor den Fernseher gelegt und einen alternativen Sommer-Soundtrack gehört. Die Musikbibliotheken haben uns Simon Parks minimalistisches „Stoned Out“ und John Camerons tief eindringliches „Liquid Sunshine“ beschert; der kalifornische Jazzer Spike Janson lieferte die wortlosen Gesangsharmonien von „Walking So Free“.
„76 In The Shade“ erinnert an strahlend gelben Sonnenschein, heiße Plastikautositze und Katzen, die sich auf dem Rasen räkeln. Ein paar Tracks (Smokey Robinson, Cliff Richard, David Ruffin, Carmen McRae) wirken wie notwendige Spritzer kühlenden Wassers; die meisten klingen so, als wäre es einfach zu heiß, um sich zu bewegen. Zum Glück muss man das auch nicht. Erhältlich auf CD und einer 2LP 180g-Pressung. Der ultimaltive Sommersong stammt ja bekanntlich von The Lovin‘ Spoonful, aber das war runde zehn Jahre vor 1976. Damals gab es übrigens auch eine Band, die „Family“ hiess – ich war sehr erfreut, Michael ziemlich fassungslos zu erleben, als ich ihm eine neue Platte von Chappo, also von Roger Chapman schickte – Micha dachte, er sei schon lange tot. Von wegen, er ist 79, und hat eine tolle Scheibe gemacht. Und er kann sich ganz sicher an den Sommer 76 erinnern!
Herzlich grüsst David Webster!