Leider habe ich viel zu viel vergessen von diesem Traum, und wenn ich es nicht sofort aufschreibe, werden sich noch die letzten flüchtigen Erinnerungen auflösen. Ich landete an einem Ort, an dem sich die Wege der Schulbusse von Volksschule und Gymnasium kreuzten, ein Knotenpunkt zwischen Kindheit und Jugend – und da, auf dem Bürgersteig zu nächtlicher Stunde, traf sich eine kleine Gruppe, um ihr Geheimwissen über David Bowie wachzuhalten, und dabei kleine Andenken zu verkaufen wie Blumenvasen und Kerzenständer.
Andenken ist vielleicht das falsche Wort, denn diese Gruppe war der Meinung, Bowie würde noch leben. Ich gab da gerne den Aufklärer, kam aber nicht sonderlich gut an damit. Und staunte schon etwas, dass diese Leute keine durchgeknallten Spinner zu sein schienen – einer sah geradezu wissenschaftlich und seriös aus (ein Diplom-Psychologe wie ich), und war sogar bereit, sich meine eher ernüchternden Mitteilungen anzuhören. Das änderte zwar nicht seine Sicht der Dinge, aber immerhin führten wir alle zusammen intensive David Bowie-Gespräche.
An dieser Stelle sei verraten, dass ich in diesem Traum meine gesammelten realen Erfahrungen mit Bowie und seiner Musik zur Verfügung hatte, ohne dass es mir auch nur einen Moment lang dämmerte, dass dies ein Traum sei. Sie hörten alle interessiert zu, als ich ihnen erzählte, dass ich ihn nur einmal live erlebt hätte, hier im Ruhrgebiet, auf seiner ersten Tour nach Erscheinen des Albums „Low“. Mein neuer Psychologen-Kumpel konnte sich für jene Konzerte Ende dér Siebziger Jahre (und das zugehörige Live-Album) nicht sonderlich erwärmen (er sagte, er hätte ihn damals in Köln gesehen), aber wir waren uns wenigstenes darüber einig, wie toll Bowie „The Moon Of Alabama“ von Kurt Weill vorgetragen hatte. Wie gesagt, intensive Bowie-Gespräche.
So ging das eine ganze Weile, und ich wurde von den andern zwar als komischer Vogel begrachtet, aber doch mehr und mehr in ihren Kreis aufgenommen. Ohne von meinen Standpunkten abzuweichen. Es war ein sehr langer Traum, und viele launigen Kleinigkeiten sind mir entfallen. Die Stimmung in der Gruppe war zwar leicht melancholisch, weil bislang alle Spuren, den lebendigen Bowie zu finden, ins Leere führten. Aber die Geschichten wechselten in der Gruppe hin und her, es war eigentlich wie eine schöne Party in jungen Jahren, nur dass keine Musik ertönte.
Was hatte diesen Traum getriggert? Eine Sache ganz sicherlich – ich hatte am Tage zuvor ein kleines Gespräch über Lieblingsplattem mit Danny Elfman gelesen. Er wurde darin gefragt: What, if push comes to shove, is your all-time favourite album? Und er antwortete: If push came to shove I’d have to choose David Bowie’s Scary Monsters (And Super Creeps). Nun, ich kenne Danny Elfman gar nicht, doch liess diese kühne Aussage meine Erinnerung springlebendig werden. Die LP blieb im Dezember 1982 in einem früheren Leben zurück, und ich hatte sie ungefähr so oft gehört, wie ich von Susanne Hengstbach flachgelegt wurde (ich liebte Susanne, und ich liebte Scary Monsters). Robert Fripp wirbelte grandios in den Liedern herum – vielleicht muss manchmal ein grosses Album auf der Strecke bleiben wie eine grosse Liebe.
Dieser Traum war ziemlich hippiesk und groovy – es hing durchweg ein beonderes Flair in der Luft, von Detektivarbeit, Mysterien und toller Musik. Ich bin sicher, die besten Sachen (die Engel in den Details) sind mir entfallen. Aber ein Traum, der so gut unterhält, so eine fabelhafte Stimmung verströmt, dass seine Deutung darüber in den Hintergrund gerät, ist es allemal wert, auch in Fragmenten erzählt zu werden. Träumen Sie gut!