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on life, music etc beyond mainstream

2020 29 Aug

You Gotta Say Yes To Another Excess …

von: Uli Koch Filed under: Blog | TB | Tags:  | 5 Comments

… ist nicht nur der Titel eines Jahrzehnte alten Albums, sondern kompromisslosestes Programm, das ab da ein Eigenleben zu führen begann. Der grimmige Gorilla schaut mit seinem fahlen Blick durch die Zeit und uns hindurch und skandiert 2020 „All my life is restless, I never had a breakfast“. Das war zu erwarten, kein Hauch von Gnade auch nach über 37 Jahren, Elektro-Dada, frisch und ohne Grenzen. Die beiden alten Herren exportieren seit Anbeginn ihrer Zeiten nicht nur exklusiv die Löcher im Käse (Maßanfertigung garantiert), sondern einen exzentrischsten Sound, der wie ein schwarzes Loch den ultimaten Sog der Sinnfreiheit wie eine Karotte vor dem Esel der Spaßgesellschaft vorausträgt und sich daran erfreut nichts als Fragen offenzulassen. Ernsthaft. Aber jetzt ist es passiert: „I jump out of the bottle, I do the double bubble“. Waba Duba. Der Geist ist aus der Flasche und springt wild zwischen Anoden und Kathoden hin und her, mixt Atmosphären von Film Noir über James Bond bis zu Star Trek, spielt den Blues mit Grabesstimme, fakt den Funk und tackert den Techno. Ausser sich und ausser Kontrolle, Spinning My Mind, der Mann mit grünen Haaren läßt ein Skelett hinter der Skyline tanzen und singt mit sanfter Stimme bis alles in Flammen versinkt. Gemütsbildende Grabesromantik von übermorgen oder Konzeptkunst. Sonnenbrillen nach Mitternacht. Treibend, eskalativ, voller skurriler Sounds, die man glaubt irgendwo synthetisch schon einmal gehört zu haben. Alles neu aus Boris Blanks Klanglaboren, blubbernd und schneidend, imitierend und Zitate schreddernd, jedes Detail ausgefeilt, Ähnlichkeiten bestenfalls rein zufällig. Hut ab. Dazu jagen Dieter Meiers sonore Sprechgesänge den Schatten des Pink Panther durch die Lautsprecher hinein in den Dschungel und durch die Hinterzimmer des Stammhirns. Konspirative Sitzung der schnauzbärtigen Schweizer Ehrenlektion. Transpirativ, elegant, anarchisch, sich um kein Klischee kümmernd und doch alle ausnutzend. Exzesse, Bananen und Orangen, „Left to right, your eyes are shining bright. Left to right, you‘re Out Of Sight. Da gibt’s kein zurück! Punkt. Point. Point Yello. Oh!

 
 

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5 Comments

  1. Jan Reetze:

    Da warst Du schneller als ich, Uli. Einfach ein phantastisches Album. Kaum zu glauben, dass diese beiden ihr Wesen auf der Musikszene bereits seit 42 Jahren treiben. Wie immer bei Yello merkt man erst beim zweiten oder dritten Hören richtig, was da alles passiert. Never a dull moment.

    Boris Blank hat übrigens auch einen Mix dieses Albums im Surround-Verfahren Dolby Atmos angefertigt. Ich habe ihn leider noch nicht gehört und werde es wohl auch nicht, aber ich wette trotzdem, er ist pures Hörvergnügen. Erstmals übrigens hat Boris auch die Video-Regie geführt.

  2. Uli Koch:

    Ja, die Videos sind viel näher an der Schärfe und am Stil der Musik dran und dabei gleichzeitig ein bizarres Pendant zu den Stücken. Und dann diese technoide Lässigkeit, ein synästhetisches Kaleidoskop. Du sagst es, Jan, einfach phantastisch!

  3. Michael Engelbrecht:

    Diese Besprechung zu lesen, war ja ja schon ein Vergnügen.

    Und über Dada im europäischen Avant-Pop könnte man wahrscheinlich ein spannendes Büchlein schreiben, Linien ziehen von Schwitters, Ball und Co. zu Czukay, Trio, Yello und Konsorten (ein bisschen Eno darf da nicht fehlen, man höre nur I ZIMBRA oder das eine Sück von BEFORE AND AFTER SCIENCE.)

    Wäre man garstig, könnte man Yello für ein One Trick Pony halten. Unverwechselbar sind sie allemal. Und der Witz scheint im Alter beisnders scharf zu werden, und nichts von ollen Kammellen an sich zu haben.

    Ich warte mal ab, bis das Album kommt und der passende Abend dazu. Da die beste Tanzmusik die ist, die man auch im Sitzen geniessen kann, hoffe ich auf ausgelassenes SofaHeadBanging.

    Und bei Yello erwarte ich gute Bilder im Kopf. Mir gefällt, das sie seit ihrem Anfängen das Kino anzapfen. Allerdings hatte ich überhaupt nur eine Platte von ihnen, aus besagten Gründen, der eine Sound, der eine Trick …. aber es könnte eine umfangreiche Trickiste sein.

    Ich war überrascht, Rosatos Interesse für einen anderen Elektroniker geweckt zu haben, dessen Gerätschaften durchaus Museumswert haben. Aber das ist eine andere Geschichte. Und eine voller EXOTIK.

  4. Jochen:

    Lesevergnügen :)

  5. Michael Engelbrecht:

    Paul van Ostaijen
    Der Pleitejazz
    Friedenauer Presse 1996

    »Der flämische Dichter Paul van Ostaijen
    lebte 1918-1921 in Berlin, wo er die
    November-Revolution, den Spartakus-Aufstand
    und dessen Niederschlagung erlebte, den Jazz
    und den Stummfilm entdeckte – und in Dichtung
    übertrug: Er schrieb das Szenario DER
    PLEITEJAZZ – eine Herausforderung in sich:
    Jazz als Stummfilm und Film als Sprache.
    DER PLEITEJAZZ – entstanden 1919/20, aber
    erst posthum veröffentlicht – ist eine
    grandiose Dada-Groteske – im übrigen auch der
    einzige bekannte Film-Entwurf der Berliner
    Dada-Gruppe, der bisher selbst von
    Filmhistorikern übersehen worden ist.
    Der Text erscheint erstmals in deutscher
    Übersetzung.«

    So lautet der Klappentext der 32-seitigen
    Broschüre, die im Übrigen auch eine grafische
    Meisterleistung darstellt. Buchdruck (mein
    Metier) und Fadenheftung. Aber auch
    inhaltlich ein großes Vergnügen.
    Olaf (Ost)


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