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2020 29 Apr

A propos „surreal“

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 4 Comments

 


Wahrscheinlich wird die Radiostunde über die entlegenen Räume von „Sylt im Lockdown“ kein Theater der Stimmen versammeln, und einfach auf das setzen, was, neben allem anderem, in der Nacherzählung übrigbleibt.

Gestern etwa die drei lebensfrohen Insulaner-Paare, die von ihrer Art berichteten, die (so nie vernommenen) stillen Räume der Natur zu geniessen. Immer wieder der Tenor, wie freundlich selbst Wildfremde oder nur flüchtige Bekannte einander begegnen neuerdings, am Meer, in diversen Einsamkeiten – wo sonst eher freundliche Zurückhaltung angesagt war. Eines der Paare schien, Corona-bedingt, eine schnelle Hochzeit zu planen – oder war es herzlicher Ostfriesen-Schnack? Die Heiratswillige erzählte davon, dass ihr immer wieder das Wort „surreal“ durch die Sinne ging.

Es gilt, wenn man so oft im „Nachtjournalismus“ unterwegs ist, der Mehrwert der Atmosphäre. In der Erinnerung „verdampfen“ die Stimmen zu Fragmenten – zu dem, was „hängen bleibt“, sich flüchtig festsetzt. Lucille Carras Verfilmung von Donald Ritchies Buch The Inland Sea von 1991 mag als Inspiration herhalten – sie nimmt die narrative Freiheit der literarischen Quelle auf, indem sie die Inseln des japanischen Binnenmeeres durchwandert und sich auf verschiedene Qualitäten von Land, Luft, Wasser und Shinto-Schreinen einlässt. Natürlich eine andere Welt, aber trainieren wir derzeit nicht mehr denn je, zwischen Welten zu wechseln?!

Als ich mich heute, bis ich gut durchnässt war vom Inselregen, in der Brederuper Heide umtat, treppauf, treppab, treppauf, zu ablandigen Winden, hatte ich fast mit der Überschrift gerechnet „Zwei Stunden, kein Mensch“, aber bald stiess ich auch zwei Arbeiter, ihre Ausbesserungen an den Stegen – und aus ihrem Radio tönte tatsächlich der Song „California Dreaming“, was dann kein Stören der Erwartung war, sondern leise Freude, flashbacks inklusive.

Im Hier, im Jetzt dann angekommen, als ich auf Anraten von Hans Rollman, in einer überraschend im „Rosenhaus“ vorgefundenen Infrarotkabine, ein wunderbares neues Lied hörte, staunend – und wenn gesungen wird, dann anscheinend deutsch – „Himmelfahrten“, aus dem Album Haut von Die wilde Jagd. Garantiertes airplay in den nächsten „Klanghorizonten“!

 

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4 Comments

  1. Lajla:

    Es zeigt sich jetzt in der Leere die Schönheit von der Insel in ihrer vollkommenen Natürlichkeit. Was ist denn da surreal?

    Surreal sind all „the fat ladies with Gucci“ … „from doctors we trust.“

  2. Michael Engelbrecht:

    Anja, die Heiratswillige, bezog sich mit SURREAL auf diverse Dinge in diesen Zeiten, eine Steigerung der Ruhe in der Natur (keine Touristen) kann ja diese Empfindung provozieren. Das REALE und NATÜRLICHE darf ja subjektiv als SURREAL erlebt werden. Ich erlebe derzeit auch manche Dinge so, und manche sind furchtbar real. Der Mann von Anja hat früher eine meiner ersten Angehimmelten anwaltlich vertreten. Monika Peitsch. Genau. Die von den Unverbesserlichen. Das fand ich dann gestern auch kurzfristig surreal. Das Surreale als vorbereitende Etappe, sich auch auf eine veränderte Realität einzustellen. Der menschliche Faktor: Verwunderung. Besser als Schock.

    Und CALIFORNIA DREAMING plötzlich zu hören, in der Brederuper Heide, ist absolut SURREAL.

  3. Michael Engelbrecht:

    Assoziationen zur Playlist der Zeitreise „Die entlegenen Räume von Sylt“ am 20. Juni:

    – Jan Garbarek: Dis
    – Brian Eno: Dunwich Beach, Autumn 1960, aus On Land
    – The Mamas and Papas: California Dreaming
    – Die aktuelle Aufnahme von Richard Skelton
    – Boards of Canada (mit Sequenzen aus alten Tonbändern)
    – Jon Hassell: das Stück mit ozeanischen Sounds
    – Thomas Köner: Nuuk
    – Stephan Micus: Wings over Water (einer meiner Lieblingsalben von Micus)
    – Benjamin Moussay: Promontoire (ECM, VÖ: 29. Mai)
    – Until The End of The World (O.S.T.)
    – Die wilde Jagd: Haut
    – Die japanische Pianstin mit der Ausgrabung alter Ambient Music (komme gerade nicht auf den Namen)

  4. Uwe Meilchen:

    Apropos Jon Hassell


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