Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2020 22 Jan

Friedemann Schulz von Thun

von: Hans-Dieter Klinger Filed under: Blog | TB | Tags:  | 32 Comments

Es gibt ein Bonmot, das ich aus einem bitterbösen Sketch Bruno Jonas‘ kenne. Es ist auf irgendeiner meiner Festplatten oder CDs. Ich finde die Datei einfach nicht. Sollte ich einmal darüber stolpern, werde ich sie nachliefern. Nach meiner Erinnerung lautet ein Satz sinngemäß: „Jo, der is scho a Lehrer, abba koa Pädagoge“. Was mit Pädagoge genau gemeint ist, wird freilich nicht definiert. Wahrscheinlich bildet eine professionelle Ausbildung die Grundlage. Wie die aussieht, weiß ich nicht, denn ich habe keine erfahren.

Im 8. Semester der fachlichen Ausbildung waren die students verpflichtet, eine Vorlesung an der LMU zu besuchen. Man hatte die Wahl zwischen *Psychologie* und *Pädagogik*. Ich wählte *Pädagogik* und hörte ein Mal in der Woche eine Vorlesung über Philosophen und Pädagogen der Antike. Eine schriftliche Prüfung musste abgelegt werden. Es wurde Platons Höhlengleichnis abgefragt.

Eine Schulstube kann eine Höhle sein, manchmal eine Hölle für Schüler wie Lehrer. Damals konnte es mir schon den Schweiß auf die Stirn treiben, wenn mir auf dem Weg vom Bahnhof Icking zu meiner Bude die Schüler des Gymnasiums nach Schulschluss entgegenkamen. Ich war total unsicher, ob ich mich zum Lehrer eigne und vor Schulklassen bestehen kann. Ein Jahr bevor ich in Icking auszog, ließ sich Klaus Doldinger in Icking nieder.

Bevor ich letztlich in Kronach „eingeschult“ wurde, gab es noch die 2-jährige pädagogische Ausbildung im Studienseminar. Kurzes Fazit: was ich den beiden music teachern abschauen konnte, führte zu diesem Statement: so wie die, mache ich es auf keinen Fall. Eigentlich war deren Aufgabe die Vermittlung fachlicher Kompetenzen im Bereich Methodik und Didaktik des Unterrichts.

Aber es gab sehr wohl auch eine pädagogische Ausbildung. Einmal die Woche fand eine Fachsitzung in Pädagogik statt. Ein gutmütiger GymProf des Faches Latein las mit leiser monotoner Stimme aus Fachzeitschriften vor. Rückblickend war es ein Erleben früher Ambient Music. Ich brachte das Kunststück fertig, mit offenen Augen zu schlafen.

Ich betrieb fast ein Vierteljahrhundert Trial-and-Error-Pädagogik. Die professionelle Pädagogik holte mich im Jahr 1994 unerwartet ein. Da wurde mir aufgebürdet, den Job des Seminarlehrers Pädagogik auszuüben. Nach einigem Hin und Her sagte ich zu, ich wollte nicht kneifen. Aber bevor es losging, war es schlimmer, als Ickinger Gymnasiasten im Gegenstrom nahe des Bahnhofs zu begegnen. Ich hatte wochenlang massive Schlafstörungen. Kein Wunder, denn ich hörte jahrelang im Raucherabteil des Lehrerzimmers, in dem sich eine andere Sorte von Lehrern traf als im rauchfreien Bereich, viele Referendare abfällig kritisch über die Fachsitzungen in Pädagogik und Psychologie sprechen. Und ich? Meint ihr, ich komme daher wie der Große Zampano und alles wird gut?

Ich habe erstmals pädagogische Fachliteratur gekauft und durchgepflügt. Es könnte 1998 gewesen sein, da gab es erstmals im Angebot der VHS Kronach einen Flirtkurs. Irre! Ich habe die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Nein wir haben nicht den Kurs besucht. Ich habe in der ersten Stunde mit den Seminaristen nach der Begrüßung gefragt, ob jemand Lust hätte, den Flirt-Kurs der VHS zu besuchen. Mit dieser Frage hatte niemand gerechnet, aber die Diskussion begann, und es war witzig zu beobachten – ich machte das ja öfter über die Jahre – wie unterschiedlich lang es dauerte, bis die Semis auf die Analogie kamen, die auf die Frage hinauslief, „ist man zum Lehrer geboren, oder ist es erlernbar, ein guter Lehrer zu werden“.

Die Aufgabe hat mich viel Energie gekostet, weshalb ich 3 Jahre in Teilzeit arbeitete. Nun kann man Teilzeit nur mit guten, amtlich akzeptierten Gründen beantragen. Ich konnte wegen meines Jüngsten familienpolitische Gründe anführen. Ich hätte ja gerne „wegen der Scheiß-Pädagogik“ als Grund genannt. Aber der stand nicht zum Ankreuzen zur Verfügung. Trotzdem bin ich dankbar, denn sonst wäre ich NICHT auf Friedemann Schulz von Thuns Buch Miteinander reden gestoßen.

Immerhin findet man bei YouTube zahlreiche Videos, die Thuns Konzept erklären. Ich habe solange gesucht, bis ich eines fand, das mir persönlich zusagt. Hier bitteschön kann man sich Thuns Modell erklären lassen. Was ich entscheidend daraus lernte, ist die Wirkung von ICH- und DU-Botschaften, die eng mit der Appell- und Beziehungsebene verknüpft sind. Fehler hab ich trotzdem noch gemacht, z.B. mit meinem Jüngsten, zwar nicht in der verbalen Drastik, die ich jetzt als Beispiel anbiete: „Das musst du anders machen, stell dich nicht so deppert an. Das geht nämlich so, ich zeig’s dir mal“. So etwas hat praktisch nie funktioniert, nur zu Konflikten geführt.

Das Konzept ICH-Botschaft geht vor DU-Botschaft ist besser, und es kann wirklich gut funktionieren. Die Chorprobe am Freitag nach der 6. Stunde fand gewiss nicht zum günstigsten Zeitpunkt statt. Ich hatte nur Freiwillige im Chor, immerhin 30 bis 40 Sängerinnen und Sänger. Aber oft genug gab es verschwätzte Grüppchen, störend, klar! „Seid doch ruhig“ war abgedroschen und wirkungslos. Ich hab es mal so probiert: „Leute, ich habe das Gefühl, dass ihr mich ärgern wollt“.

Unweit des Thunschen Kommunikations-Konzepts hält sich das Hamburger Verständlichkeitsmodell auf, zu dem auch von Thun seinen Betrag leistete. Gut erklären können ist bestimmt essentiell für wirksames Lehren und Lernen. Ich hatte einen Mathe- und Physiklehrer in der Mittelstufe, der brillanten Frontalunterricht ablieferte, spannend, rhetorisch vom Feinsten und vor allem konnte er erklären, dass uns die Schuppen nur so von den Augen fielen. Raffiniert war er auch, im schülerfreundlichen Sinn. Bei der ersten Mathe-Schulaufgabe, die wir bei ihm schrieben, sagte er gleich zu Beginn „wundert euch nicht über die krummen Ergebnisse“. Ich weiß, dass ich in solchen Fällen immer einen Fehler vermutete, ihn suchte, dabei Zeit verlor, die für die anderen Aufgaben nötig gewesen wären. Ok, beim Mathe-Meyer kam halt 271/313 raus und nicht 2/3 – und gut wars. Bei einer Physik-Schulaufgabe – die Parallelklasse, die den Meyer nicht hatte, hielt sie für hammerschwer – gab es 7 Einser, noch mehr Zweier, die schlechteste Note war 4. Leider blieb der Mathe-Meyer nur für 1 Jahr am Gymnasium Münchberg, dann suchte er das Weite aus dieser verlassenen Gegend.

 

Wer nicht eingeschlafen ist, kann hier einen fulminanten Abschluss abholen.

Oh, eigentlich soll es hier losgehen … nämlich bei 6:00 und nicht von vorne. Das klappt, wenn man die rechte Maustaste betätigt und *Öffnen in neuem Tab* wählt.

This entry was posted on Mittwoch, 22. Januar 2020 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

32 Comments

  1. Hans-Dieter Klinger:

     

    Der folgende Text war Inhalt des Blog-Beitrags, dessen comment#1 er nunmehr ist. Ich habe ihn hierher verschoben, weil viele comments sich auf diesen Text beziehen. Der bisherige Blog-Beitrag wird von der angekündigten Story aus den 90er Jahren abgelöst.
     

    ———————————————————————–

     

    ich habe eine frage und eine bitte

     

    FRAGE
    wer kennt den mann oder etwas über ihn?

     

    BITTE
    die Frage in den comments beantworten mit j oder n (ich meine mit Ja oder Nein)

     

    ich habe getestet, wie viel zeit man für die antwort aufwenden muss
    ich habe es in 15 sekunden geschafft und dabei zweimal an der kaffeetasse genippt

    mich interessiert lediglich, ob sich jemand für einen beitrag interessiert
    wenn ja, würde ich eine story aus den 90er (neunziger) jahren erzählen

     

    wenn ja ist möglicherweise verwirrend
    nicht die zahl der „j“-antworten ist maßgeblich
    nicht die zahl der „n“-antworten ist maßgeblich
    die gesamtzahl der antworten ist maßgeblich

     

    hätte ich Keith Jarrett als Titel gewählt
    wären FRAGE, BITTE und der rest überflüssig

     

  2. ijb:

    Es ist schwierig, die Frage „Wer?“ mit Ja oder Nein zu beantworten.

    Ich kenne den Man nicht oder / und nichts über ihn.

  3. Hans-Dieter Klinger:

    da sieht man, wie leicht es zu missverständnissen kommt „Wer“ ist nicht teil der frage

    ein echt lustiges missverständnis – wenn ich das richtig verstanden habe ;)

    lieber jib, mit deiner antwort kann ich etwas anfangen :)

  4. Jochen:

    n

  5. Martina Weber:

    Friedemann Schulz von Thun: Ich kenne ihn nicht persönlich, weiß aber, dass er Autor eines sehr renommierten zweibändigen Werkes zum Thema Gesprächsführung ist (ich habe das jetzt nicht im Internet recherchiert). Die Bücher haben die Titel „Miteinander reden 1“ und „Miteinander reden 2“. Ich habe in den Büchern gelesen, aber ich habe sie nicht vollständig gelesen. Es geht um klassische Missverständnisse in der alltäglichen Gesprächsführung. Ein Beispiel, an das ich mich erinnere: Ein Mann und eine Frau fahren gemeinsam im Auto (es ist egal, wer fährt). Die Frau fragt den Mann, ob er eine Pause machen möchte. Der Mann sagt nein. Er denkt nicht daran, dass es vielleicht die Frau ist, die eine Pause machen möchte. An Fällen dieser Art zeigt von Thun alltägliche Kommunikationsprobleme. Ich meine, die erste Auflage erschien in den 70er oder 80er Jahren. Ich habe das Buch aber später wahrgenommen.

    Es gibt zahlreiche Bücher zur Gesprächsführung und es handelt sich dabei um ein Thema, mit dem ich mich nach meinem Studium beschäftigt habe, einfach aus persönlichem Interesse. Sehr beeindruckt hat mich das Buch „Professionelle Gesprächsführung“ von Christian-Rainer Weisbach. Mit einigen Beispielen aus dem Buch habe ich Freunde von mir überrascht. Hier eines: Der Autor des Buches sitzt in einem Café und hört dem Gespräch zweier Männer am Nebentisch zu. Was heißt hier Gespräch, es ist nur einer, der spricht, der andere hört nur zu. Der Mann, der redet, erzählt Schritt für Schritt von problematischen Situationen. Der Autor, der all dem zuhört, wundert sich, warum der andere Mann nicht eingreift, nachhakt, Verständnisfragen stellt. Schließlich kommt der Redende zu seinem entscheidenden Problem, seiner akuten Frage. Nun beginnt ein langes Gespräch.

  6. ijb:

    Aber da steht doch:

    FRAGE
    wer kennt den mann oder etwas über ihn?

    Drunter steht dann:
    mich interessiert lediglich, ob sich jemand für einen beitrag interessiert

    Ich habe mir schon gedacht, dass es eine Trickfrage ist – auf welche der Fragen antworte ich mit j oder n…?

  7. Hans-Dieter Klinger:

    @ Martina: der kurzen rede langer sinn:


    j

  8. ijb:

    PS: Hast du meine Mail erhalten?

  9. Hans-Dieter Klinger:

    @ijb

    pardon, ich habe oben die buchstabenreihenfolge gefälscht (war keine absicht)

    du bist ein schlitzohr ;9
    vielleicht überrascht dich diese meine einschätzung (von dir)

    mich hat überrascht, dass du mich für einen trickser hältst

    da muss ich vergnügt lollen

  10. Hans-Dieter Klinger:

    @bij ähm @PS

    j

  11. ijb:

    jaja, ich war nämlich schon drauf und dran, ein „j“ einzutippen, weil da ja steht „mich interessiert lediglich, ob sich jemand für einen beitrag interessiert / wenn ja, würde ich eine story aus den 90er (neunziger) jahren erzählen“.

    Aber dann dachte ich, am Ende ist das falschrum gedacht, und du willst mit j oder n gar nicht wissen, ob sich jemand für den Beitrag interessiert, sondern „nur“, ob jemand/wer diesen Mann kennt. Das wiederum hätte ich dann, ein wenig um die Ecke gedacht, mit „n“ beantworten müssen. Daraus ginge aber wiederum ja nicht hervor, ob ich mich für einen Beitrag interessiere.

  12. Martina Weber:

    Ingo, und damit sind wir schon mitten in Schulz von Thuns Lieblingsthema. Ich habe mir die Freiheit genommen, einfach so zu antworten, wie es mir gefällt. Wir sind hier ja nicht im Logik-Grundkurs.

  13. Hans-Dieter Klinger:

    @Martina:
    Freigeister sind willkommen

    @ijb
    o je, du deckst rücksichtslos meine kommunikationsfehler auf

  14. Lajla Nizinski:

    n

  15. ijb:

    Ha, Logik-Grundkurs, ja, das ist ein gutes Stichwort. Da muss ich dir einerseits natürlich zustimmen – andererseits gehöre ich zu den Leuten, die im Zweifelsfall (also wenn entweder ich nicht sicher bin, wie etwas gemeint ist – oder ich finde, dass jemand anderes Unnötiges in meine/fremde Aussagen reininterpretiert, wo es doch ganz einfach gemeint war) auf die innere Logik der verwendeten Wortwahl zurückgreifen. Ich weiß, dass man sich damit tendenziell unbeliebt macht, weil viele das einfach gar nicht hören oder wahrhaben wollen – auf der anderen Seite aber kenne ich einfach VIEL zu viele Leute, die alles mögliche in Gesagtes reinlesen, reinhören, reininterpretieren und damit Kommunikation noch sehr viel unnötig anstrengender machen.

    Der Fall des autofahrenden Paares ist ja ein solcher. Solange diese Art der Kommunikation für beide voll in Ordnung ist und sie damit nicht aneinander geraten, ist natürlich alles super. Die Probleme fangen ja meist erst dann an, wenn es hinterher heißt „Aber ich habe doch gesagt, dass ich eine Pause machen will.“ Da halte es dann mit dem Logik-Grundkurs: Wer seine Bedürfnisse nicht äußern möchte, darf sich auch nicht beklagen, wenn sie nicht gehört werden. (Dass man sich nach einer Zeit besser kennt oder eine Formulierung so oder so gesagt werden kann, versteht sich natürlich von selbst.)

    Beim Stichwort „die Freiheit nehmen, so zu antworten, wie es mir gefällt“ treffen wir uns dann ja offenkundig wieder, da ich genau das auch getan habe. Ich hatte durchaus ja auch das Gefühl, dass die Kommunikation als solche Thema des Blogbeitrags sein könnte, war mir aber nicht sicher. Da ich HDK nicht auf den Schlips treten wollte, habe ich dann nach Logik geantwortet. Ich wollte eigentlich die Aufforderung zum Spiel mit den 15 Sekunden annehmen, habe dann mehr darüber nachgedacht, was damit gemeint wäre… habe mich dann aber gefragt, ob es nun abfällig rüberkommt, wenn ich die Frage laut Spielregel mit „n“ beantworte, weil ich den Herrn von Thun nicht kenne, aber HDK das „n“ dann als Absage auf die verklausulierte Frage, ob sich jemand für einen solchen Beitrag interessiert, verstehen würde.

  16. ijb:

    Ich habe beispielsweise einen Freund, der sehr oft Fragen oder Vorschläge in einer Negation formuliert, also etwa „Das findest du jetzt sicher blöd, aber…“ oder „Findest du nicht auch, dass…“ oder „Wahrscheinlich hältst du das jetzt für total abwegig…“ (mir fallen gerade keine 1A-Beispiele aus dem realen Leben ein). Und bei mir kommt dann immer erstmal das Suggestive an, das mich von dem eigentlichen Inhalt ablenkt – also ich frage mich dann ganz intuitiv erst mal „Wie habe ich bei ihm einen so überheblichen Eindruck hinterlassen, dass er jetzt gleich annimmt, ich fände blöd, was er vorschlägt?“ oder „Warum unterstellt er mir schon vor seiner Frage, dass ich es anders sehe?“ etc., selbst, nachdem wir uns schon ewig kennen. Ich muss mich dann immer zwingen, über die Formulierung, die ja nach Logik eine handfeste Unterstellung ist, hinwegzuhören, was mich jedes Mal beim Antworten stolpern lässt, so dass ich mir gerade in solchen Fällen oft auch die Freiheit nehme, nicht direkt, sondern umständlich zu antworten, also wie du es eben auch geschrieben bzw. vorgeschlagen hast. Aber wie gesagt fällt mir gerade kein ideales Beispiel ein.

  17. Hans-Dieter Klinger:

    @ijb

    richtig spannend, was du berichtest

  18. Martina Weber:

    „Wer seine Bedürfnisse nicht äußern möchte, darf sich auch nicht beklagen, wenn sie nicht gehört werden.“ Schreibst du, Ingo, zu dem von mir nach Schulz von Thun nacherzählten Beispiel des Auto fahrenden Paares. – Ha, würde Schulz von Thun dazu schreiben, so ist es eben nicht. Mit diesem Beispiel wollte er zeigen, dass Frauen eher dazu tendieren, nicht direkt ihre Wünsche zu äußern, sondern den Partner lieber fragen, ob er – in diesem Fall – eine Pause machen möchte, dabei aber an sich meinen, dass sie selbst gern eine Pause machen würden. Die geschlechtsspezifisch verschiedenen Gesprächstechniken sind seither so oft referiert worden, dass zumindest die Frauen, die diese Bücher gelesen haben, jedenfalls eines verstanden haben: Wenn sie von einem Mann etwas möchten, müssen sie es sagen! Für viele Frauen eine erstaunliche Erkenntnis, auch heute noch!

  19. ijb:

    Klar, das hatte ich natürlich schon so verstanden, wie du es noch einmal ausgeführt hast – zumal es für mich jetzt auch keine neue Erkenntnis ist, habe doch auch ich mich, naheliegenderweise – Stichwort Drehbuchschreiben und Filmanalyse – schon über die Jahre sehr mit Kommunikation auseinandergesetzt, diese studiert und Bücher darüber gelesen (angefangen einst bei Paul Watzlawick). Und sicher kenne ich dieses Beispiel gut, im übrigen auch von Männern, bei denen ich oftmals erst im Nachhinein verstanden habe, dass sie eigentlich nicht meinten, dass sie selbst sich um andere sorgten bei der Nachfrage, sondern vielmehr zu schüchtern oder unschlüssig waren, ihr eigentliches Bedürfnis zu äußern. Daher meine ich aber doch, dass, ist dies nun vielleicht auch ein eher „harmloser“ Fall, es auch oftmals schlicht nicht erwartet werden kann, dass der Gesprächspartner von einer (z.B.) Nachfrage auf die eigentlich versteckte Aufforderung oder ein Bedürfnis schließen kann. Ich denke da gleich an den Klischeesatz „Ich kann doch auch nicht hellsehen!“ Im Gegenteil würde ich – wenngleich ich das ungern nun radikal verallgemeinert sehen möchte – andersherum mich bevormundet fühlen (und ja, diese Situation kommt, siehe oben, auch vor), wenn ich jemanden ernstgemeint etwas frage, der- oder diejenige dann aber nicht auf die Frage antwortet, sondern einfach mal retour eine Aufforderung da reininterpretiert oder mir unterstellt, ich wollte doch eigentlich etwas anderes sagen als das, was ich da eben gesagt oder gefragt habe. Ist das nicht schon etwas übergriffig – oder zumindest nimmt man damit den Gesprächspartner ja nicht ernst, wenn man das, was er sagte, nicht gelten lässt und stattdessen von einer anderen, nicht geäußerten Bitte/ Aufforderung / Wunschformulierung etc. ausgeht?

    Ich zumindest versuche, so gut es mir eben gelingt, ernst einmal nicht anzunehmen, dass mein Gesprächsgegenüber (von) mir eigentlich etwas anderes sagen (erfragen) wollte als das, was er/sie gesagt (gefragt) hat. Ich gebe zu (auch aus Erfahrung), dass man dann manchmal als unsensibel missverstanden wird; auf der anderen Seite fühle ich mich aber eben auch nicht ernstgenommen, wenn mir alles mögliche unterstellt wird, obwohl ich das nicht einmal gedacht hatte (oder andersherum will ich dem Gegenüber wie gesagt nicht das Gefühl geben, es oder sie könne sich nicht offen äußern, wenn ihm/ihr tatsächlich danach ist. Wir sind ja nicht am Königshof :-) ).
    Das habe ich ich einfach zu oft erlebt und finde, es führt zu vielen unnötigen Zerwürfnissen.

    Schreibt Freiherr von Thun dazu eigentlich auch was?

  20. Martina Weber:

    Tatsächlich glaube ich sogar, dass all diese Kommunikationsbücher zum Teil sogar eine gewisse Verwirrung ausgelöst haben. Auf einmal wird, jedenfalls in den Rezipientenkreisen, derart viel heruminterpretiert, dass Gespräche gar nicht mehr möglich sind, weil permanent darüber diskutiert oder nachgedacht wird, was der oder die Betreffende in Wahrheit gemeint hat. Ich kenne das mit einer bestimmten Person sehr extrem. Jede (eher seltene) Begegnung ist für mich so anstrengend, weil ich das Gefühl habe, dass die Person derart an meinen Worten heruminterpretiert, dass ich schon gelegentlich geäußert habe, dass ich das, was ich gerade gesagt habe, wirklich so gemeint habe ;)

    Was Filme / Drehbuch / Romane / Kurzgeschichten angeht, so wäre eine nach allen Regeln der Ratgeberkunst funktionierende Gesprächsführung langweilig.

    Die Bücher von Schulz von Thun habe ich inhaltlich nicht so präsent. Vielleicht nimmt Hans-Dieter deine Anregung auf und erklärt uns etwas dazu.

  21. Jochen:

    du erwähntest paul watzlawik, ingo – da gibt es ja diese bekannte geschichte, wo jemand überlegt, sich einen hammer von einem nachbarn zu leihen, und dann so lange rumgrübelt, zweifelt, negative reaktionen des nachbarn gedanklich vorwegnimmt, bis er dann rübergeht, beim nachbarn klingelt und, bevor er überhaupt danach gefragt hat, ihn anschreit: „sie können ihren scheiss hammer behalten!“

    ich finde es teilweise tragisch, was wir uns so alles einbilden über uns selbst, den mitmenschen etc, was überhaupt nicht der realität entspricht.

    (interessant in diesem kontext ist auch ronald d. laing)

  22. Uli Koch:

    Spitzen Diskussion! Da kommt ein Kommentar zum Thema Kommunikation, es gibt viele schöne Antworten und fast alle Kommunikationsfallen können einmal in Erscheinung treten! Grund genug Hans-Dieter‘s Vorschlag mal anzuschauen und eine alte Geschichte dazu zu lesen.
    Kenne Friedemann Schulz von Thun und denke, dass seine Beobachtungen zumindest wichtige Aspekte alltäglichen Missverstehens anschaulich erläutern. Watzlawick fokussiert mehr auf die innere Haltung und die Vorannahmen der Kommunizierenden, die, wenn man den eigenen (meist miesen) Film im anderen wähnt oft üble Folgen (Unglücklich sein etc.) haben können.
    Also: j !

  23. ijb:

    Ah, Leute, zum Thema Kommunikation und Dialoge in Filmen fällt mir doch eben dieses kurze, sehr schöne Video ein, das ich erst am Wochenende (wieder) mit meinem Drehbuch-CoAutor gesehen habe, nachdem wir im Kino „Marriage Story“ gesehen haben.

  24. ijb:

    Ach ja, und da gibt es diesen uralten Experimentalfilm von Steven Soderbergh, „Schizopolis„, in dem Dialoge wie die folgenden zu finden sind:

    Generic greeting.

    Generic greeting returned.

    Imminent sustenance.

    Overly dramatic statement regarding upcoming meal.

    Ooh. False reaction indicating hunger and excitement.

    Greeting.

    Response indicating caller mistake.

    Mistake.

    I don’t know.

    Semi-innocent query.

    Convincingly confused.

  25. stimme aus dem off:


     

     
     
    ist es möglich
    auch Schweigen anhand Schulz von Thuns kommunikationsmodell zu deuten?

     

  26. a.h.:

    Ja, ich kenne ich.

    Ich habe bei ihm mal ein Seminar besucht und einen Schein gemacht. Die Veranstaltung war sehr überfüllt (wie so oft in den 90er Jahren an der Frankfurter Uni) und ich konnte mir nur schwer erklären, warum diese Veranstaltung so dermaßen überfüllt war (wir saßen selbst in den Fensterbänken). Ich habe mir die Veranstaltungen nach den Themen ausgesucht, die mich interessiert haben (und außerdem für das Studium von Nöten waren). Ich wusste erst nicht, dass Schulz von Thun eine Legende war. Das wurde mir erst beim Lesen von „Miteinander Reden“ klar.
    Er selbst war nicht der charismatische Redner, aber inhaltlich klasse.

    Spät wurde mir klar, dass ich viele solcher Legenden erlebt habe, z.B. Karl Otto Hondrich.

    a.h.

  27. Martina Weber:

    @ „stimme aus dem off“: Irgendwoher kommt mir dieses Bild aus Strichen und schräggelegten Klammern bekannt vor, ich komme gerade nicht darauf.

    Es erinnert mich an ein Gedicht von Oswald Egger aus dem Jahrbuch der Lyrik 2018, mit dem Titel „Mein insichdichtestes Gedicht“. Es besteht ausschließlich aus verschieden großen Klammern, entweder solche, die man üblicherweise zu Beginn setzt oder solche, die man üblicherweise ans Ende von Worten setzt. Diese Klammern sind in verschiedenen Abständen gesetzt, wie gesagt in verschiedenen Größen. Ansonsten gibt es kleine Haken. Und sonst nichts! Dieses Gedicht stellt die Dramagurgie eines Gedichtes dar. Aber auch das ist schon Interpretation. Man könnte das Gedicht ohne Worte und nur in Summtönen oder mit Worten wie dadadamm vortragen. Es ist sehr clever. Und es würde sich in einem Literaturkurs als Vorlage dazu eigenen, ein eigenes Gedicht daraus zu machen.

  28. Martina Weber:

    Ich habe mir den Vortrag zum von Thun´schen Nachrichtenquadrat auf youtube angehört. Sehr interessant. Vielen Dank für den Hinweis. (Das Hamburger Modell werde ich mir heute anhören. Erstmal eins sacken lassen.)

    Das Schweigen als Mitteilung ist sehr tricky! Ich habe viel Erfahrung damit. Schweigen ist geradezu ideal geeignet, Kontakte zu zerstören. An jeder Seite des Nachrichtenquadrates werden in geradezu tückischster Weise Ungewissheiten und Missverständnisse produziert. Dies teilweise sehr bewusst. Schweigen ist eine brutale Waffe.

    Selbstkundgabe: fehlt, ist daher interpretierbar.
    Sachebene: fehlt, ist daher interpretierbar.
    Appell: fehlt, ist daher interpretierbar.
    Beziehungsseite: fehlt, ist daher interpretierbar.

  29. stimme aus dem off:

     


    @ zeitstempel 24. Januar 2020 um 15:19
     
    Christian Morgenstern – Fisches Nachtgesang

     

  30. Lajla:

    Das Schweigen kann das letzte Angebot in der Kommunikation sein.

    Das Schweigen als sich „Totstellen“ lehrt uns Nietzsche.

  31. Uli Koch:

    Hier möchte ich noch einmal an Paul Watzlawick erinnern, der die sehr wichtige Maxime „man kann nicht nicht kommunizieren“ formuliert hat. Schweigen kann auch Gold sein, weil es oft mehr sagt als tausend Worte. Das ist die Weisheit von Morgenstern‘s Fischen ;-))

  32. stimme aus dem off:

     


    @ zeitstempel 23. Januar 2020 um 17:29
     
     
    heute morgen habe ich Friedemann angerufen
    er saß gerade beim frühstück
    und empfahl mir
    ich möge doch hier nachschauen
     
     
     

     
     
    wohin wir auch sehen, wir sehen immer nur uns selbst
     

     


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz