Ein Leser hat vor kurzem die vollkommene Leere der rechts oben platzierten Rubriken beklagt. Als bald darauf unter den „Albums of December“ Jacky Terrasson versteckt lag, wurde dies nicht goutiert.
Hier ist mein Geständnis:
Terrasson 53 ist von mir. Es war eine kleine Übung in Sachen „Album of December“. Die Rubrik oben rechts hatte ich immer links liegen lassen.
Die Frage „Konnte das nur M.E.?“ hat meinen Ehrgeiz angestachelt, Alter forscht …
Ich lösch das sofort wieder. Es handelt sich aber um ein schönes Album.
Ja, es ist ein schönes Album, und nicht nur eines für December. Vermutlich ist Jacky Terrasson den Autorinnen und treuen Lesern des Manafonistas-Blogs gar nicht bekannt, denn er tritt selten in Deutschland auf, ist obendrein kein ECM-Artist und nimmt vorwiegend bei BLUE NOTE auf, wo dieser sog. Art-Blakey-Bullshit zu Hause ist.
Aber langsam! Es gibt auch Gemeinsamkeiten beider Labels. Dieses Jahr sind sie Jubilare. BLUE NOTE ist 80, ECM 50 Jahre alt geworden. Die ihnen verbundenen Artisten gehören zur Crème de la Crème der improvisierten Musik, und nur bei wenigen anderen Labels dürften Toningenieure derart legendären Ruhm erworben haben wie Rudy van Gelder (BLUE NOTE) und Jan Erik Kongshaug (ECM).
Jacky Terrasson wurde 1965 als Sohn einer Afro-Amerikanerin und eines Franzosen in Berlin geboren und wuchs in Paris auf. Noch während seiner Schulzeit studiert er Klassische Klaviermusik, wendet sich aber bald dem Jazz zu. 1986 verlässt er Paris, um am Berklee College of Music zu studieren.
Ich habe ihn zum ersten Mal in einer TV-Aufzeichnung des Ron-Carter-Trios bei der Jazzwoche Burghausen 2006 gesehen. Dieser Auftritt enthielt eine beeindruckende Version von My Funny Valentine.
Terrasson ist ein technisch brillanter Pianist. Das kann Bewunderung auslösen, aber Faszination stellt sich erst dann ein, wenn Originalität und Einfallsreichtum im Überfluss sprudeln. Darauf kann ich mich bei Jacky verlassen. Deswegen befinden sich mehrere seiner Alben in meiner Sammlung. In gewisser Weise folgte er den Spuren Keith Jarretts, nicht stilistisch, sondern auf den Pfaden der Standards, unter denen sich ja auch harmlose, geradezu banale Früchtchen befinden. Wenn ich höre, wie er zusammen mit Cassandra Wilson Tea For Two in einen raffinierten Mantel kleidet, dann allerdings leuchten meine Ohren.
Das Album 53 enthält Eigenkompositionen, bis auf eine Ausnahme: eine melancholische Ballade von Mozart. Auf seiner Homepage schreibt Terrasson über das neue Album.
Why 53? – Simply because I conceived of and recorded this music during my 53rd year and on this occasion I wanted to make a record that really reflected me. At the age of 53, a man begins to feel he has reached a form of maturity, is at his peak, and so can look at life with a certain distance and see things more clearly. With this record I wanted to give everything of myself, to take risks, while assuming my career, my artistic choices, my life … and my age!
In diesen musikalischen Spiegelbildern verbergen sich auch Reverenzen vor Künstlern, die ihm viel bedeuten. Diese sind nicht leicht zu erkennen. Soweit es mir gelungen ist, habe ich es hier angedeutet.