Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2019 15 Sep.

Watch out for crime watchers!

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | 4 Comments

 
 

Ich liebe Kriminalgeschichten – in der Literatur, im Kino, in Fernsehfilmen und heutzutage bevorzugt in der neuen Kunst televisionärer Tiefen-Erzählungen, genannt „TV Serien“. Gerne erinnere ich mich an jene Zeit, als man sich jedes Wochenende, angenehm erschöpft von körperlicher Arbeit und Überstunden im Bauhandwerk, in einen Krimi fallen liess. Dass war auch die Zeit, als Twin Peaks im deutschen Fernsehen lief und man regelrecht heiss war auf die nächste Folge. Die Serie von David Lynch war tiefgründig, abgründig, voller neurotischer Charaktere und erotischer Frauen, die einen noch im Traum verfolgten und verführten. Den Sjöwall-Wahlöö Tipp bekam ich schon zur Abizeit von einer schwedischen Mitschülerin aus der Nachbarschaft. Wir tranken Tee in ihrem elterlichen Bungalow, mitten im tiefsten Wald gelegen und auch Twin Peaks lag damals schon ein bisschen in der Luft. Erst über ein Jahrzehnt später griff ich den Tipp auf – so ist das manchmal mit dem Lauf der Zeit und Dinge. Überhaupt findet sich eine angemessene Entgegnung auf Etwas oftmals erst nach Jahren. Auch ein Grund, warum man gerne schreibt: hier kann man sowohl die Kommunikation als auch den Gedankenfluss verlangsamen, präzisieren oder im Nachhinein noch korrigieren. Ich drifte ab, wo war ich denn gewesen? Ach ja, die Krimis: das war eine Lust, in der Woche dann den Lesevorrat für das kommende Wochenende zu besorgen, pilgermässig dafür eine der städtischen Buchhandlungen aufzusuchen („Schmorrl & von Seefeld“ – klingt das nicht heute noch wie Musik in manchen Ohren?). Jetzt gibt es Amazon, der Pilgerfluss ist ausgetrocknet, ersetzt durch gehetzte Kuriere. Unter den Autoren blieben mir vor allem Michael Dibdin und Patricia Highsmith in Erinnerung und letztere schlägt auch die Brücke zum jüngsten televisionären Hochgenuss. In ihrem Buch Ripley´s Game nämlich beschreibt sie die Charakterstruktur eines narzisstischen Psychopathen, der andere gern für seine Zwecke instrumentalisiert. Neben Kriminalgeschichten gehört dieser Typus des Narzissten, vorzugsweise als bösartiger Soziopath, zu meinen bevorzugten Forschungsobjekten und in der Serie Mindhunter kommt er ins Spiel: es geht um Serienkiller. Ein Typ namens Holden und sein Team haben psychologische patterns entdeckt, um solchen Tätern auf die Spur zu kommen. Mindhunter zeichnet sich dadurch aus, dass ein an sich gewalttätiges Thema vollkommen gewaltfrei und mit ruhiger Hand, teilweise wie im Kammerspiel, erzählt wird. Charles Manson kommt auch vor, wird von den Protagonisten interviewt. Eigentlich interessierte mich diese Manson-Story ja nie und und auch die Manson-Doku neulich drehte ich nach wenigen Minuten ab. Bilderreiche, willkürlich aneinandergereihte Fakten-Bombardements a la Wikipedia, nein danke. Aber in eine gute Erzählung wie Mindhunter eingebunden, ist das eine andere Geschichte. Atmosphärisch in schönem, gedämpften Licht und detailreich verfilmt, erinnert Mindhunter mitunter an Mad Men, an Fargo vielleicht und so vieles Gute und Böse mehr.

 

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4 Comments

  1. Manafonistas:

    Siehe auch Television Tip of the month …

  2. Anonymous:

    Toll, ganz toll. Du solltest bei GONG Chef-Essayist werden, mit einer freien Seite pro Ausgabe, und hohem Salär.

  3. Rosato:

    ja, dann würde ich GONG abonnieren

  4. Martina:

    Ich auch :)


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